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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Unruhen in Ungarn 1528.

So lange Ferdinand selbst in Ungarn anwesend war,
wurde die Ordnung einigermaaßen erhalten. So wie er
sich aber entfernt hatte, brach die allgemeine Gährung wie-
der hervor. Schon seine eigenen Anhänger konnten sich nicht
unter einander verstehen. Der Bischof von Erlau klagte über
Andreas Bathory, der ihn schmähe und ihn zerreiße; "kein
Sokrates habe mehr Geduld üben müssen als er." Franz
Batthyan konnte die Schlösser nicht erlangen, die Ludwig
Pekry für ihn in Besitz genommen. Ein allgemeines Ge-
schrei erhob sich gegen die Gewaltthätigkeit des deutschen
Heeres unter Katzianer, welches seinen Sold unmittelbar
von dem Lande eintrieb und dann doch gegen die Johan-
nisten nur sehr langsamen Schrittes vorrückte; Katzianer
replicirte energisch und rauh. 1 Schon die Behauptung, wenn
sie auch nicht wahr seyn sollte, daß man den Deutschen
mit Kalk gemengtes Brot gebe, um sie zu vergiften, zeugt
von der starken nationalen Antipathie, welche sich ausge-
bildet hatte. Wie viel weniger konnten da die Anhänger
Zapolya's in Zaum gehalten werden! Auf dem Reichstag
von Ofen im Januar 1528 unterschied man drei Classen
derselben, geheime, welche dem Eid zu Trotz, den sie dem
König Ferdinand geleistet, die Getreuen desselben zu ver-
führen trachten; zweifelhafte, welche um sicheres Geleit
nachgesucht, um dem Könige zu huldigen und dann nicht
erschienen sind; endlich ganz offene, welche Plünderungen
vollziehen und das Land unsicher machen. Es findet sich
nicht, daß gegen die einen oder die andern etwas Nach-

1 Briefwechsel bei Bucholz III, 269--279. Bei Ursinus Ve-
lius de bello Pannonico p. 91 sieht man, daß die Ungarischen Gro-
ßen stritten "de bonis hostis Joannis jam olim inter se partitis."
Unruhen in Ungarn 1528.

So lange Ferdinand ſelbſt in Ungarn anweſend war,
wurde die Ordnung einigermaaßen erhalten. So wie er
ſich aber entfernt hatte, brach die allgemeine Gährung wie-
der hervor. Schon ſeine eigenen Anhänger konnten ſich nicht
unter einander verſtehen. Der Biſchof von Erlau klagte über
Andreas Bathory, der ihn ſchmähe und ihn zerreiße; „kein
Sokrates habe mehr Geduld üben müſſen als er.“ Franz
Batthyan konnte die Schlöſſer nicht erlangen, die Ludwig
Pekry für ihn in Beſitz genommen. Ein allgemeines Ge-
ſchrei erhob ſich gegen die Gewaltthätigkeit des deutſchen
Heeres unter Katzianer, welches ſeinen Sold unmittelbar
von dem Lande eintrieb und dann doch gegen die Johan-
niſten nur ſehr langſamen Schrittes vorrückte; Katzianer
replicirte energiſch und rauh. 1 Schon die Behauptung, wenn
ſie auch nicht wahr ſeyn ſollte, daß man den Deutſchen
mit Kalk gemengtes Brot gebe, um ſie zu vergiften, zeugt
von der ſtarken nationalen Antipathie, welche ſich ausge-
bildet hatte. Wie viel weniger konnten da die Anhänger
Zapolya’s in Zaum gehalten werden! Auf dem Reichstag
von Ofen im Januar 1528 unterſchied man drei Claſſen
derſelben, geheime, welche dem Eid zu Trotz, den ſie dem
König Ferdinand geleiſtet, die Getreuen deſſelben zu ver-
führen trachten; zweifelhafte, welche um ſicheres Geleit
nachgeſucht, um dem Könige zu huldigen und dann nicht
erſchienen ſind; endlich ganz offene, welche Plünderungen
vollziehen und das Land unſicher machen. Es findet ſich
nicht, daß gegen die einen oder die andern etwas Nach-

1 Briefwechſel bei Bucholz III, 269—279. Bei Urſinus Ve-
lius de bello Pannonico p. 91 ſieht man, daß die Ungariſchen Gro-
ßen ſtritten „de bonis hostis Joannis jam olim inter se partitis.“
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[31/0047] Unruhen in Ungarn 1528. So lange Ferdinand ſelbſt in Ungarn anweſend war, wurde die Ordnung einigermaaßen erhalten. So wie er ſich aber entfernt hatte, brach die allgemeine Gährung wie- der hervor. Schon ſeine eigenen Anhänger konnten ſich nicht unter einander verſtehen. Der Biſchof von Erlau klagte über Andreas Bathory, der ihn ſchmähe und ihn zerreiße; „kein Sokrates habe mehr Geduld üben müſſen als er.“ Franz Batthyan konnte die Schlöſſer nicht erlangen, die Ludwig Pekry für ihn in Beſitz genommen. Ein allgemeines Ge- ſchrei erhob ſich gegen die Gewaltthätigkeit des deutſchen Heeres unter Katzianer, welches ſeinen Sold unmittelbar von dem Lande eintrieb und dann doch gegen die Johan- niſten nur ſehr langſamen Schrittes vorrückte; Katzianer replicirte energiſch und rauh. 1 Schon die Behauptung, wenn ſie auch nicht wahr ſeyn ſollte, daß man den Deutſchen mit Kalk gemengtes Brot gebe, um ſie zu vergiften, zeugt von der ſtarken nationalen Antipathie, welche ſich ausge- bildet hatte. Wie viel weniger konnten da die Anhänger Zapolya’s in Zaum gehalten werden! Auf dem Reichstag von Ofen im Januar 1528 unterſchied man drei Claſſen derſelben, geheime, welche dem Eid zu Trotz, den ſie dem König Ferdinand geleiſtet, die Getreuen deſſelben zu ver- führen trachten; zweifelhafte, welche um ſicheres Geleit nachgeſucht, um dem Könige zu huldigen und dann nicht erſchienen ſind; endlich ganz offene, welche Plünderungen vollziehen und das Land unſicher machen. Es findet ſich nicht, daß gegen die einen oder die andern etwas Nach- 1 Briefwechſel bei Bucholz III, 269—279. Bei Urſinus Ve- lius de bello Pannonico p. 91 ſieht man, daß die Ungariſchen Gro- ßen ſtritten „de bonis hostis Joannis jam olim inter se partitis.“

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/47>, abgerufen am 21.11.2024.