Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Sechstes Buch. Siebentes Capitel.
warnten den Landgrafen: sie meinten, er werde Hessenland
in Verderben bringen. Fast scherzend entgegnete er, für
dieß Mal will ich Euch nicht verderben; er übersah die
Lage der Dinge besser als sie, und fühlte sich seiner Sache
sicher.

Nur mit Ferdinand, und zwar nur mit dessen wir-
tembergischen Kräften hatte er zu thun; denen fühlte er
sich wohl gewachsen.

Während er selbst hauptsächlich eine stattliche Reiterei um
sich sammelte, -- die Waffe, durch welche Niederdeutschland
im sechszehnten Jahrhundert dem übrigen Europa überlegen
war -- aus Pommern und Meklenburg, Braunschweig und
Eichsfeld, den westfälischen Bisthümern und den cölni-
schen Stiftslanden, deren Kern seine eignen hessischen Va-
sallen bildeten, ohne Zweifel die Lehnsmannschaft, die da-
mals in Deutschland am häufigsten aufgeboten ward, und
dießmal nicht sehr gern Folge leistete, brachte Graf Wil-
helm von Fürstenberg, am Oberrhein und im Elsaß, wo
die besten Landsknechte den Winter über auf den Kriegsruf
gewartet, nicht ohne Hülfe der Stadt Strasburg, 24 Fähn-
lein zu Fuß zusammen. Die Vereinigung beider Haufen ge-
schah zu Pfungstadt am Odenwald. Dienstag am 5. Mai
traf Nachricht ein, daß auch der Feind eine stattliche Macht
in Stuttgart zusammengebracht habe, und sich ohne Zwei-
fel in offenem Felde entgegenstellen werde. Alles ward freu-
dig und kampfbegierig. Mittwoch den 6ten, gleich nach
Mitternacht, brach man auf. Der Landgraf zu Pferd, selbst
seinen Rennspieß in der Hand, musterte die Leute. Voran
zogen die Wagen mit Munition und Lebensmitteln, von

Sechstes Buch. Siebentes Capitel.
warnten den Landgrafen: ſie meinten, er werde Heſſenland
in Verderben bringen. Faſt ſcherzend entgegnete er, für
dieß Mal will ich Euch nicht verderben; er überſah die
Lage der Dinge beſſer als ſie, und fühlte ſich ſeiner Sache
ſicher.

Nur mit Ferdinand, und zwar nur mit deſſen wir-
tembergiſchen Kräften hatte er zu thun; denen fühlte er
ſich wohl gewachſen.

Während er ſelbſt hauptſächlich eine ſtattliche Reiterei um
ſich ſammelte, — die Waffe, durch welche Niederdeutſchland
im ſechszehnten Jahrhundert dem übrigen Europa überlegen
war — aus Pommern und Meklenburg, Braunſchweig und
Eichsfeld, den weſtfäliſchen Bisthümern und den cölni-
ſchen Stiftslanden, deren Kern ſeine eignen heſſiſchen Va-
ſallen bildeten, ohne Zweifel die Lehnsmannſchaft, die da-
mals in Deutſchland am häufigſten aufgeboten ward, und
dießmal nicht ſehr gern Folge leiſtete, brachte Graf Wil-
helm von Fürſtenberg, am Oberrhein und im Elſaß, wo
die beſten Landsknechte den Winter über auf den Kriegsruf
gewartet, nicht ohne Hülfe der Stadt Strasburg, 24 Fähn-
lein zu Fuß zuſammen. Die Vereinigung beider Haufen ge-
ſchah zu Pfungſtadt am Odenwald. Dienſtag am 5. Mai
traf Nachricht ein, daß auch der Feind eine ſtattliche Macht
in Stuttgart zuſammengebracht habe, und ſich ohne Zwei-
fel in offenem Felde entgegenſtellen werde. Alles ward freu-
dig und kampfbegierig. Mittwoch den 6ten, gleich nach
Mitternacht, brach man auf. Der Landgraf zu Pferd, ſelbſt
ſeinen Rennſpieß in der Hand, muſterte die Leute. Voran
zogen die Wagen mit Munition und Lebensmitteln, von

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0474" n="458"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Sechstes Buch. Siebentes Capitel</hi>.</fw><lb/>
warnten den Landgrafen: &#x017F;ie meinten, er werde He&#x017F;&#x017F;enland<lb/>
in Verderben bringen. Fa&#x017F;t &#x017F;cherzend entgegnete er, für<lb/>
dieß Mal will ich Euch nicht verderben; er über&#x017F;ah die<lb/>
Lage der Dinge be&#x017F;&#x017F;er als &#x017F;ie, und fühlte &#x017F;ich &#x017F;einer Sache<lb/>
&#x017F;icher.</p><lb/>
          <p>Nur mit Ferdinand, und zwar nur mit de&#x017F;&#x017F;en wir-<lb/>
tembergi&#x017F;chen Kräften hatte er zu thun; denen fühlte er<lb/>
&#x017F;ich wohl gewach&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>Während er &#x017F;elb&#x017F;t haupt&#x017F;ächlich eine &#x017F;tattliche Reiterei um<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;ammelte, &#x2014; die Waffe, durch welche Niederdeut&#x017F;chland<lb/>
im &#x017F;echszehnten Jahrhundert dem übrigen Europa überlegen<lb/>
war &#x2014; aus Pommern und Meklenburg, Braun&#x017F;chweig und<lb/>
Eichsfeld, den we&#x017F;tfäli&#x017F;chen Bisthümern und den cölni-<lb/>
&#x017F;chen Stiftslanden, deren Kern &#x017F;eine eignen he&#x017F;&#x017F;i&#x017F;chen Va-<lb/>
&#x017F;allen bildeten, ohne Zweifel die Lehnsmann&#x017F;chaft, die da-<lb/>
mals in Deut&#x017F;chland am häufig&#x017F;ten aufgeboten ward, und<lb/>
dießmal nicht &#x017F;ehr gern Folge lei&#x017F;tete, brachte Graf Wil-<lb/>
helm von Für&#x017F;tenberg, am Oberrhein und im El&#x017F;aß, wo<lb/>
die be&#x017F;ten Landsknechte den Winter über auf den Kriegsruf<lb/>
gewartet, nicht ohne Hülfe der Stadt Strasburg, 24 Fähn-<lb/>
lein zu Fuß zu&#x017F;ammen. Die Vereinigung beider Haufen ge-<lb/>
&#x017F;chah zu Pfung&#x017F;tadt am Odenwald. Dien&#x017F;tag am 5. Mai<lb/>
traf Nachricht ein, daß auch der Feind eine &#x017F;tattliche Macht<lb/>
in Stuttgart zu&#x017F;ammengebracht habe, und &#x017F;ich ohne Zwei-<lb/>
fel in offenem Felde entgegen&#x017F;tellen werde. Alles ward freu-<lb/>
dig und kampfbegierig. Mittwoch den 6ten, gleich nach<lb/>
Mitternacht, brach man auf. Der Landgraf zu Pferd, &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
&#x017F;einen Renn&#x017F;pieß in der Hand, mu&#x017F;terte die Leute. Voran<lb/>
zogen die Wagen mit Munition und Lebensmitteln, von<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[458/0474] Sechstes Buch. Siebentes Capitel. warnten den Landgrafen: ſie meinten, er werde Heſſenland in Verderben bringen. Faſt ſcherzend entgegnete er, für dieß Mal will ich Euch nicht verderben; er überſah die Lage der Dinge beſſer als ſie, und fühlte ſich ſeiner Sache ſicher. Nur mit Ferdinand, und zwar nur mit deſſen wir- tembergiſchen Kräften hatte er zu thun; denen fühlte er ſich wohl gewachſen. Während er ſelbſt hauptſächlich eine ſtattliche Reiterei um ſich ſammelte, — die Waffe, durch welche Niederdeutſchland im ſechszehnten Jahrhundert dem übrigen Europa überlegen war — aus Pommern und Meklenburg, Braunſchweig und Eichsfeld, den weſtfäliſchen Bisthümern und den cölni- ſchen Stiftslanden, deren Kern ſeine eignen heſſiſchen Va- ſallen bildeten, ohne Zweifel die Lehnsmannſchaft, die da- mals in Deutſchland am häufigſten aufgeboten ward, und dießmal nicht ſehr gern Folge leiſtete, brachte Graf Wil- helm von Fürſtenberg, am Oberrhein und im Elſaß, wo die beſten Landsknechte den Winter über auf den Kriegsruf gewartet, nicht ohne Hülfe der Stadt Strasburg, 24 Fähn- lein zu Fuß zuſammen. Die Vereinigung beider Haufen ge- ſchah zu Pfungſtadt am Odenwald. Dienſtag am 5. Mai traf Nachricht ein, daß auch der Feind eine ſtattliche Macht in Stuttgart zuſammengebracht habe, und ſich ohne Zwei- fel in offenem Felde entgegenſtellen werde. Alles ward freu- dig und kampfbegierig. Mittwoch den 6ten, gleich nach Mitternacht, brach man auf. Der Landgraf zu Pferd, ſelbſt ſeinen Rennſpieß in der Hand, muſterte die Leute. Voran zogen die Wagen mit Munition und Lebensmitteln, von

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/474
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 458. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/474>, abgerufen am 24.11.2024.