Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Packische Händel 1528.
er jetzt die Kosten derselben. Da Niemand gerüstet war, um
ihm zu Widerstand zu leisten, so mußten unter Vermittelung
von Pfalz und Trier die Bischöfe sich in der That zu Geld-
zahlungen und ungünstigen Verträgen verstehn.

So glücklich man in Wittenberg war, daß ein unge-
rechter Krieg vermieden wurde, so tief empfand man doch
das Unzulässige eines so gewaltsamen Verfahrens: die Ueber-
eilung, die in der ganzen Sache geherrscht hatte. "Es ver-
zehrt mich fast," sagt Melanchthon, "wenn ich bedenke, mit
welchen Flecken unsre gute Sache dadurch behaftet wird. 1
Nur durch Gebet weiß ich mich aufrecht zu erhalten."

Auch der Landgraf war wohl späterhin selbst davon
beschämt. "Wäre es nicht geschehen, sagt er einmal, jetzt
würde es nicht geschehen. Wir wissen keinen Handel, den
wir unser Lebelang begangen, der uns mehr mißfiele." 2

Allein damit war die Sache doch nicht wieder gut ge-
macht. Sie zog vielmehr die ernstlichsten und gefährlichsten
Folgen nach sich.

Man hatte kühne Pläne einer Theilnahme an den gro-
ßen europäischen Verwickelungen gehegt; oder man hatte ge-

1 13. Spt. a. a. O. p. 998.
2 Acta Handlungen Legation und Schriften, so durch den
durchlauchtigen Herrn Philipsen in der Münsterschen Sache gesche-
hen: -- Cassel im Mai 1535. "Die Bischoffe betreffend, ist uns ein
Handel fürkommen, den haben wir nebst vielen vor warhaftig gehal-
ten und demnach unsere unterthanen retten wollen, da wir aber be-
funden, das wir zu milde berichtet gewesen, seind wir mit unserm
Fürhaben still gestanden; -- -- daß uns aber Geld geworden ist,
haben uns die Churfürsten mit gutem Willen getädingt und dürfet
euch diese unsre Handlung zu keinem exempel fürbilden, denn wir
wissen keinen Handel, der uns mehr mißfällt, den wir unser Lebe-
lang begangen, denn eben dieser, were er nicht geschehen, er würde
nunmals nicht geschehen. --

Packiſche Haͤndel 1528.
er jetzt die Koſten derſelben. Da Niemand gerüſtet war, um
ihm zu Widerſtand zu leiſten, ſo mußten unter Vermittelung
von Pfalz und Trier die Biſchöfe ſich in der That zu Geld-
zahlungen und ungünſtigen Verträgen verſtehn.

So glücklich man in Wittenberg war, daß ein unge-
rechter Krieg vermieden wurde, ſo tief empfand man doch
das Unzuläſſige eines ſo gewaltſamen Verfahrens: die Ueber-
eilung, die in der ganzen Sache geherrſcht hatte. „Es ver-
zehrt mich faſt,“ ſagt Melanchthon, „wenn ich bedenke, mit
welchen Flecken unſre gute Sache dadurch behaftet wird. 1
Nur durch Gebet weiß ich mich aufrecht zu erhalten.“

Auch der Landgraf war wohl ſpäterhin ſelbſt davon
beſchämt. „Wäre es nicht geſchehen, ſagt er einmal, jetzt
würde es nicht geſchehen. Wir wiſſen keinen Handel, den
wir unſer Lebelang begangen, der uns mehr mißfiele.“ 2

Allein damit war die Sache doch nicht wieder gut ge-
macht. Sie zog vielmehr die ernſtlichſten und gefährlichſten
Folgen nach ſich.

Man hatte kühne Pläne einer Theilnahme an den gro-
ßen europäiſchen Verwickelungen gehegt; oder man hatte ge-

1 13. Spt. a. a. O. p. 998.
2 Acta Handlungen Legation und Schriften, ſo durch den
durchlauchtigen Herrn Philipſen in der Muͤnſterſchen Sache geſche-
hen: — Caſſel im Mai 1535. „Die Biſchoffe betreffend, iſt uns ein
Handel fuͤrkommen, den haben wir nebſt vielen vor warhaftig gehal-
ten und demnach unſere unterthanen retten wollen, da wir aber be-
funden, das wir zu milde berichtet geweſen, ſeind wir mit unſerm
Fuͤrhaben ſtill geſtanden; — — daß uns aber Geld geworden iſt,
haben uns die Churfuͤrſten mit gutem Willen getaͤdingt und duͤrfet
euch dieſe unſre Handlung zu keinem exempel fuͤrbilden, denn wir
wiſſen keinen Handel, der uns mehr mißfaͤllt, den wir unſer Lebe-
lang begangen, denn eben dieſer, were er nicht geſchehen, er wuͤrde
nunmals nicht geſchehen. —
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0063" n="47"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Packi&#x017F;che Ha&#x0364;ndel</hi> 1528.</fw><lb/>
er jetzt die Ko&#x017F;ten der&#x017F;elben. Da Niemand gerü&#x017F;tet war, um<lb/>
ihm zu Wider&#x017F;tand zu lei&#x017F;ten, &#x017F;o mußten unter Vermittelung<lb/>
von Pfalz und Trier die Bi&#x017F;chöfe &#x017F;ich in der That zu Geld-<lb/>
zahlungen und ungün&#x017F;tigen Verträgen ver&#x017F;tehn.</p><lb/>
          <p>So glücklich man in Wittenberg war, daß ein unge-<lb/>
rechter Krieg vermieden wurde, &#x017F;o tief empfand man doch<lb/>
das Unzulä&#x017F;&#x017F;ige eines &#x017F;o gewalt&#x017F;amen Verfahrens: die Ueber-<lb/>
eilung, die in der ganzen Sache geherr&#x017F;cht hatte. &#x201E;Es ver-<lb/>
zehrt mich fa&#x017F;t,&#x201C; &#x017F;agt Melanchthon, &#x201E;wenn ich bedenke, mit<lb/>
welchen Flecken un&#x017F;re gute Sache dadurch behaftet wird. <note place="foot" n="1">13. Spt. a. a. O. <hi rendition="#aq">p.</hi> 998.</note><lb/>
Nur durch Gebet weiß ich mich aufrecht zu erhalten.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Auch der Landgraf war wohl &#x017F;päterhin &#x017F;elb&#x017F;t davon<lb/>
be&#x017F;chämt. &#x201E;Wäre es nicht ge&#x017F;chehen, &#x017F;agt er einmal, jetzt<lb/>
würde es nicht ge&#x017F;chehen. Wir wi&#x017F;&#x017F;en keinen Handel, den<lb/>
wir un&#x017F;er Lebelang begangen, der uns mehr mißfiele.&#x201C; <note place="foot" n="2">Acta Handlungen Legation und Schriften, &#x017F;o durch den<lb/>
durchlauchtigen Herrn Philip&#x017F;en in der Mu&#x0364;n&#x017F;ter&#x017F;chen Sache ge&#x017F;che-<lb/>
hen: &#x2014; Ca&#x017F;&#x017F;el im Mai 1535. &#x201E;Die Bi&#x017F;choffe betreffend, i&#x017F;t uns ein<lb/>
Handel fu&#x0364;rkommen, den haben wir neb&#x017F;t vielen vor warhaftig gehal-<lb/>
ten und demnach un&#x017F;ere unterthanen retten wollen, da wir aber be-<lb/>
funden, das wir zu milde berichtet gewe&#x017F;en, &#x017F;eind wir mit un&#x017F;erm<lb/>
Fu&#x0364;rhaben &#x017F;till ge&#x017F;tanden; &#x2014; &#x2014; daß uns aber Geld geworden i&#x017F;t,<lb/>
haben uns die Churfu&#x0364;r&#x017F;ten mit gutem Willen geta&#x0364;dingt und du&#x0364;rfet<lb/>
euch die&#x017F;e un&#x017F;re Handlung zu keinem exempel fu&#x0364;rbilden, denn wir<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en keinen Handel, der uns mehr mißfa&#x0364;llt, den wir un&#x017F;er Lebe-<lb/>
lang begangen, denn eben die&#x017F;er, were er nicht ge&#x017F;chehen, er wu&#x0364;rde<lb/>
nunmals nicht ge&#x017F;chehen. &#x2014;</note></p><lb/>
          <p>Allein damit war die Sache doch nicht wieder gut ge-<lb/>
macht. Sie zog vielmehr die ern&#x017F;tlich&#x017F;ten und gefährlich&#x017F;ten<lb/>
Folgen nach &#x017F;ich.</p><lb/>
          <p>Man hatte kühne Pläne einer Theilnahme an den gro-<lb/>
ßen europäi&#x017F;chen Verwickelungen gehegt; oder man hatte ge-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[47/0063] Packiſche Haͤndel 1528. er jetzt die Koſten derſelben. Da Niemand gerüſtet war, um ihm zu Widerſtand zu leiſten, ſo mußten unter Vermittelung von Pfalz und Trier die Biſchöfe ſich in der That zu Geld- zahlungen und ungünſtigen Verträgen verſtehn. So glücklich man in Wittenberg war, daß ein unge- rechter Krieg vermieden wurde, ſo tief empfand man doch das Unzuläſſige eines ſo gewaltſamen Verfahrens: die Ueber- eilung, die in der ganzen Sache geherrſcht hatte. „Es ver- zehrt mich faſt,“ ſagt Melanchthon, „wenn ich bedenke, mit welchen Flecken unſre gute Sache dadurch behaftet wird. 1 Nur durch Gebet weiß ich mich aufrecht zu erhalten.“ Auch der Landgraf war wohl ſpäterhin ſelbſt davon beſchämt. „Wäre es nicht geſchehen, ſagt er einmal, jetzt würde es nicht geſchehen. Wir wiſſen keinen Handel, den wir unſer Lebelang begangen, der uns mehr mißfiele.“ 2 Allein damit war die Sache doch nicht wieder gut ge- macht. Sie zog vielmehr die ernſtlichſten und gefährlichſten Folgen nach ſich. Man hatte kühne Pläne einer Theilnahme an den gro- ßen europäiſchen Verwickelungen gehegt; oder man hatte ge- 1 13. Spt. a. a. O. p. 998. 2 Acta Handlungen Legation und Schriften, ſo durch den durchlauchtigen Herrn Philipſen in der Muͤnſterſchen Sache geſche- hen: — Caſſel im Mai 1535. „Die Biſchoffe betreffend, iſt uns ein Handel fuͤrkommen, den haben wir nebſt vielen vor warhaftig gehal- ten und demnach unſere unterthanen retten wollen, da wir aber be- funden, das wir zu milde berichtet geweſen, ſeind wir mit unſerm Fuͤrhaben ſtill geſtanden; — — daß uns aber Geld geworden iſt, haben uns die Churfuͤrſten mit gutem Willen getaͤdingt und duͤrfet euch dieſe unſre Handlung zu keinem exempel fuͤrbilden, denn wir wiſſen keinen Handel, der uns mehr mißfaͤllt, den wir unſer Lebe- lang begangen, denn eben dieſer, were er nicht geſchehen, er wuͤrde nunmals nicht geſchehen. —

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/63
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/63>, abgerufen am 26.11.2024.