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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Verfolgungen der Evangelischen.
nicht glauben wollte, daß der Papst das Haupt der heili-
gen Kirche sey, zu zweifeln schien, ob nicht in den Con-
cilien zuweilen etwas festgesetzt worden sey, oder doch festgesetzt
werden könne, was dem göttlichen Worte entgegenlaufe; 1
und was dem mehr ist. Die Ueberlegenheit, die Einsicht
und der besonnene Muth, welche der Angeklagte in seinem
Verhöre bewies, sind wahrhaft bewunderungswürdig. Auch
zögerte der Rath zu Cöln lange Zeit, in die Execution zu
willigen. Man behauptet, er sey nur dadurch zuletzt dazu
vermocht worden, daß die Priester die Verwüstungen, welche
der englische Schweiß in Cöln anrichtete, als eine Rache
Gottes über die Stadt, weil sie die Ketzerei nicht strafe,
bezeichneten. "O Cöln, Cöln," rief Clarenbach aus, als
er zum Hochgericht hingeführt ward, "was verfolgst du
Gottes Wort? Es ist noch ein Nebel in der Luft, aber
er wird einmal reißen." 2

Zu so grausamen Excessen priesterlicher Verfolgung kam
es nun in dem nördlichen Deutschland wohl nicht mehr,
allein noch immer ließ Herzog Georg die armen Leute, welche
das Abendmahl nicht nahmen, weil sie es nicht unter bei-
derlei Gestalt empfangen durften, im schimpflichsten Auf-
zug mit Staupenschlag von Scharfrichter und Büttel aus
dem Lande bringen. In Brandenburg vereinigten sich auf
dem Landtag Visitationis Mariä von 1527 noch einmal
Churfürst und Stände, mit allen ihren Kräften über die

1 Die erste Frage, die ihm gegeben ward. Montag nach Palm-
sonntag 1528.
2 Rabi Martyrerbuch Thl. II, fol. 243, 249. Es ist auch
hier wie sonst eine alte, gleichzeitige, alle Spuren der Glaubwürdig-
keit tragende, sehr ausführliche Erzählung, was wir bei Rabus finden.
4*

Verfolgungen der Evangeliſchen.
nicht glauben wollte, daß der Papſt das Haupt der heili-
gen Kirche ſey, zu zweifeln ſchien, ob nicht in den Con-
cilien zuweilen etwas feſtgeſetzt worden ſey, oder doch feſtgeſetzt
werden könne, was dem göttlichen Worte entgegenlaufe; 1
und was dem mehr iſt. Die Ueberlegenheit, die Einſicht
und der beſonnene Muth, welche der Angeklagte in ſeinem
Verhöre bewies, ſind wahrhaft bewunderungswürdig. Auch
zögerte der Rath zu Cöln lange Zeit, in die Execution zu
willigen. Man behauptet, er ſey nur dadurch zuletzt dazu
vermocht worden, daß die Prieſter die Verwüſtungen, welche
der engliſche Schweiß in Cöln anrichtete, als eine Rache
Gottes über die Stadt, weil ſie die Ketzerei nicht ſtrafe,
bezeichneten. „O Cöln, Cöln,“ rief Clarenbach aus, als
er zum Hochgericht hingeführt ward, „was verfolgſt du
Gottes Wort? Es iſt noch ein Nebel in der Luft, aber
er wird einmal reißen.“ 2

Zu ſo grauſamen Exceſſen prieſterlicher Verfolgung kam
es nun in dem nördlichen Deutſchland wohl nicht mehr,
allein noch immer ließ Herzog Georg die armen Leute, welche
das Abendmahl nicht nahmen, weil ſie es nicht unter bei-
derlei Geſtalt empfangen durften, im ſchimpflichſten Auf-
zug mit Staupenſchlag von Scharfrichter und Büttel aus
dem Lande bringen. In Brandenburg vereinigten ſich auf
dem Landtag Viſitationis Mariä von 1527 noch einmal
Churfürſt und Stände, mit allen ihren Kräften über die

1 Die erſte Frage, die ihm gegeben ward. Montag nach Palm-
ſonntag 1528.
2 Rabi Martyrerbuch Thl. II, fol. 243, 249. Es iſt auch
hier wie ſonſt eine alte, gleichzeitige, alle Spuren der Glaubwuͤrdig-
keit tragende, ſehr ausfuͤhrliche Erzaͤhlung, was wir bei Rabus finden.
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[51/0067] Verfolgungen der Evangeliſchen. nicht glauben wollte, daß der Papſt das Haupt der heili- gen Kirche ſey, zu zweifeln ſchien, ob nicht in den Con- cilien zuweilen etwas feſtgeſetzt worden ſey, oder doch feſtgeſetzt werden könne, was dem göttlichen Worte entgegenlaufe; 1 und was dem mehr iſt. Die Ueberlegenheit, die Einſicht und der beſonnene Muth, welche der Angeklagte in ſeinem Verhöre bewies, ſind wahrhaft bewunderungswürdig. Auch zögerte der Rath zu Cöln lange Zeit, in die Execution zu willigen. Man behauptet, er ſey nur dadurch zuletzt dazu vermocht worden, daß die Prieſter die Verwüſtungen, welche der engliſche Schweiß in Cöln anrichtete, als eine Rache Gottes über die Stadt, weil ſie die Ketzerei nicht ſtrafe, bezeichneten. „O Cöln, Cöln,“ rief Clarenbach aus, als er zum Hochgericht hingeführt ward, „was verfolgſt du Gottes Wort? Es iſt noch ein Nebel in der Luft, aber er wird einmal reißen.“ 2 Zu ſo grauſamen Exceſſen prieſterlicher Verfolgung kam es nun in dem nördlichen Deutſchland wohl nicht mehr, allein noch immer ließ Herzog Georg die armen Leute, welche das Abendmahl nicht nahmen, weil ſie es nicht unter bei- derlei Geſtalt empfangen durften, im ſchimpflichſten Auf- zug mit Staupenſchlag von Scharfrichter und Büttel aus dem Lande bringen. In Brandenburg vereinigten ſich auf dem Landtag Viſitationis Mariä von 1527 noch einmal Churfürſt und Stände, mit allen ihren Kräften über die 1 Die erſte Frage, die ihm gegeben ward. Montag nach Palm- ſonntag 1528. 2 Rabi Martyrerbuch Thl. II, fol. 243, 249. Es iſt auch hier wie ſonſt eine alte, gleichzeitige, alle Spuren der Glaubwuͤrdig- keit tragende, ſehr ausfuͤhrliche Erzaͤhlung, was wir bei Rabus finden. 4*

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/67>, abgerufen am 26.11.2024.