Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.Fünftes Buch. Drittes Capitel. diesem Geständniß ergiebt sich, daß er mit keiner Heucheleiumging, weder in sich noch gegen andere. Aus seinem Brief- wechsel sehen wir, daß er an sich arbeitet, sich doch so viel wie möglich hütet, die ausdrücklichen Gebote der Schrift zu verletzen, Vorsätze faßt, und eine Zeitlang hält; am Ende finden wir ihn ohne Tadel leben. So konnte denn auch jene Pension, die er damit entschuldigte, daß der Papst die geistliche Obrigkeit der Eidgenossenschaft sey, seine Gesinnung nicht fesseln. Etwas ganz anders war es ohnehin, von ei- nem völlig fremden Fürsten, wie der König von Frankreich Geld zu nehmen. Im Jahr 1516 widersetzte sich Zwingli der französischen Faction, die wie im größten Theile der Schweiz so auch in Glarus das Uebergewicht bekam, aus allen Kräften. Er unterlag zwar, da der König die mächtigsten Eingebornen gewonnen; er kann nicht genug klagen, wie viel er darüber habe aushalten müssen; er sah sich am Ende sogar genöthigt, seine Pfarre vorläufig zu verlassen und eine untergeordnete Vicarstelle zu Einsiedeln anzunehmen. Allein eben das führte ihn um so früher und vollständiger zu seiner ursprünglichen Gesinnung zurück. Da die franzö- sische Partei allmählig die herrschende wurde, so entwickelte sich der Widerstand gegen dieselbe in ihm zu einer Bekäm- pfung des Pensionswesens überhaupt. Die Bildung einer über die ganze Eidgenossenschaft verbreiteten Verbindung von Familien und Oberhäuptern, in einem doch vorzüglich per- sönlichen Interesse sah er mit Recht als eine Neuerung an, welche die allgemeine Freiheit gefährde. Die öffentliche Mo- 1 1 Epistola ad Joachimum Vadianum: ex Eremo 13 Jun. 1517.
Epp. I, p. 24. Locum mutavimus Gallorum technis. Fuimus pars rerum gestarum: calamitates multas vel tulimus vel ferre didicimus. Fuͤnftes Buch. Drittes Capitel. dieſem Geſtändniß ergiebt ſich, daß er mit keiner Heucheleiumging, weder in ſich noch gegen andere. Aus ſeinem Brief- wechſel ſehen wir, daß er an ſich arbeitet, ſich doch ſo viel wie möglich hütet, die ausdrücklichen Gebote der Schrift zu verletzen, Vorſätze faßt, und eine Zeitlang hält; am Ende finden wir ihn ohne Tadel leben. So konnte denn auch jene Penſion, die er damit entſchuldigte, daß der Papſt die geiſtliche Obrigkeit der Eidgenoſſenſchaft ſey, ſeine Geſinnung nicht feſſeln. Etwas ganz anders war es ohnehin, von ei- nem völlig fremden Fürſten, wie der König von Frankreich Geld zu nehmen. Im Jahr 1516 widerſetzte ſich Zwingli der franzöſiſchen Faction, die wie im größten Theile der Schweiz ſo auch in Glarus das Uebergewicht bekam, aus allen Kräften. Er unterlag zwar, da der König die mächtigſten Eingebornen gewonnen; er kann nicht genug klagen, wie viel er darüber habe aushalten müſſen; er ſah ſich am Ende ſogar genöthigt, ſeine Pfarre vorläufig zu verlaſſen und eine untergeordnete Vicarſtelle zu Einſiedeln anzunehmen. Allein eben das führte ihn um ſo früher und vollſtändiger zu ſeiner urſprünglichen Geſinnung zurück. Da die franzö- ſiſche Partei allmählig die herrſchende wurde, ſo entwickelte ſich der Widerſtand gegen dieſelbe in ihm zu einer Bekäm- pfung des Penſionsweſens überhaupt. Die Bildung einer über die ganze Eidgenoſſenſchaft verbreiteten Verbindung von Familien und Oberhäuptern, in einem doch vorzüglich per- ſönlichen Intereſſe ſah er mit Recht als eine Neuerung an, welche die allgemeine Freiheit gefährde. Die öffentliche Mo- 1 1 Epistola ad Joachimum Vadianum: ex Eremo 13 Jun. 1517.
Epp. I, p. 24. Locum mutavimus Gallorum technis. Fuimus pars rerum gestarum: calamitates multas vel tulimus vel ferre didicimus. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0076" n="60"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Fuͤnftes Buch. Drittes Capitel</hi>.</fw><lb/> dieſem Geſtändniß ergiebt ſich, daß er mit keiner Heuchelei<lb/> umging, weder in ſich noch gegen andere. Aus ſeinem Brief-<lb/> wechſel ſehen wir, daß er an ſich arbeitet, ſich doch ſo viel<lb/> wie möglich hütet, die ausdrücklichen Gebote der Schrift zu<lb/> verletzen, Vorſätze faßt, und eine Zeitlang hält; am Ende<lb/> finden wir ihn ohne Tadel leben. So konnte denn auch<lb/> jene Penſion, die er damit entſchuldigte, daß der Papſt die<lb/> geiſtliche Obrigkeit der Eidgenoſſenſchaft ſey, ſeine Geſinnung<lb/> nicht feſſeln. Etwas ganz anders war es ohnehin, von ei-<lb/> nem völlig fremden Fürſten, wie der König von Frankreich<lb/> Geld zu nehmen. Im Jahr 1516 widerſetzte ſich Zwingli<lb/> der franzöſiſchen Faction, die wie im größten Theile der<lb/> Schweiz ſo auch in Glarus das Uebergewicht bekam, aus allen<lb/> Kräften. Er unterlag zwar, da der König die mächtigſten<lb/> Eingebornen gewonnen; er kann nicht genug klagen, wie viel<lb/> er darüber habe aushalten müſſen; er ſah ſich am Ende<lb/> ſogar genöthigt, ſeine Pfarre vorläufig zu verlaſſen und<lb/> eine untergeordnete Vicarſtelle zu Einſiedeln anzunehmen.<lb/> Allein eben das führte ihn um ſo früher und vollſtändiger<lb/> zu ſeiner urſprünglichen Geſinnung zurück. Da die franzö-<lb/> ſiſche Partei allmählig die herrſchende wurde, ſo entwickelte<lb/> ſich der Widerſtand gegen dieſelbe in ihm zu einer Bekäm-<lb/> pfung des Penſionsweſens überhaupt. Die Bildung einer<lb/> über die ganze Eidgenoſſenſchaft verbreiteten Verbindung von<lb/> Familien und Oberhäuptern, in einem doch vorzüglich per-<lb/> ſönlichen Intereſſe ſah er mit Recht als eine Neuerung an,<lb/> welche die allgemeine Freiheit gefährde. Die öffentliche Mo-<lb/><note place="foot" n="1"><hi rendition="#aq">Epistola ad Joachimum Vadianum: ex Eremo 13 Jun. 1517.<lb/> Epp. I, p. 24. Locum mutavimus Gallorum technis. Fuimus pars<lb/> rerum gestarum: calamitates multas vel tulimus vel ferre didicimus.</hi></note><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [60/0076]
Fuͤnftes Buch. Drittes Capitel.
dieſem Geſtändniß ergiebt ſich, daß er mit keiner Heuchelei
umging, weder in ſich noch gegen andere. Aus ſeinem Brief-
wechſel ſehen wir, daß er an ſich arbeitet, ſich doch ſo viel
wie möglich hütet, die ausdrücklichen Gebote der Schrift zu
verletzen, Vorſätze faßt, und eine Zeitlang hält; am Ende
finden wir ihn ohne Tadel leben. So konnte denn auch
jene Penſion, die er damit entſchuldigte, daß der Papſt die
geiſtliche Obrigkeit der Eidgenoſſenſchaft ſey, ſeine Geſinnung
nicht feſſeln. Etwas ganz anders war es ohnehin, von ei-
nem völlig fremden Fürſten, wie der König von Frankreich
Geld zu nehmen. Im Jahr 1516 widerſetzte ſich Zwingli
der franzöſiſchen Faction, die wie im größten Theile der
Schweiz ſo auch in Glarus das Uebergewicht bekam, aus allen
Kräften. Er unterlag zwar, da der König die mächtigſten
Eingebornen gewonnen; er kann nicht genug klagen, wie viel
er darüber habe aushalten müſſen; er ſah ſich am Ende
ſogar genöthigt, ſeine Pfarre vorläufig zu verlaſſen und
eine untergeordnete Vicarſtelle zu Einſiedeln anzunehmen.
Allein eben das führte ihn um ſo früher und vollſtändiger
zu ſeiner urſprünglichen Geſinnung zurück. Da die franzö-
ſiſche Partei allmählig die herrſchende wurde, ſo entwickelte
ſich der Widerſtand gegen dieſelbe in ihm zu einer Bekäm-
pfung des Penſionsweſens überhaupt. Die Bildung einer
über die ganze Eidgenoſſenſchaft verbreiteten Verbindung von
Familien und Oberhäuptern, in einem doch vorzüglich per-
ſönlichen Intereſſe ſah er mit Recht als eine Neuerung an,
welche die allgemeine Freiheit gefährde. Die öffentliche Mo-
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1 Epistola ad Joachimum Vadianum: ex Eremo 13 Jun. 1517.
Epp. I, p. 24. Locum mutavimus Gallorum technis. Fuimus pars
rerum gestarum: calamitates multas vel tulimus vel ferre didicimus.
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