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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Emancipation von Zürich 1522.
nicht sehr gemäß sey; aber der gemeinschaftliche Irrthum
bilde ein Recht; auf keine Weise dürfe man Lehren anneh-
men, die von Kaiser und Papst verdammt seyen; wer sich
nicht zu den Bischöfen halten wolle, möge denn auch ganz
von ihnen geschieden werden. 1

Noch waren einige Klöster in der Stadt, die von je-
nem ersten Beschluß des großen Rathes unberührt geblie-
ben; noch hielten sich gar Manche, Vornehmere oder Ge-
ringere, zu dem bisher Gebräuchlichen; und so geschah, daß
diese Anmahnung doch nicht ganz ohne Wirkung blieb. Die
heftigsten Widersacher der Mönche bekamen die Weisung,
sich auf der Kanzel oder bei Disputationen zu mäßigen.

Allein es bedurfte nur eines im Grunde sehr zufälli-
gen Ereignisses, um doch eine ganz entgegengesetzte Entschei-
dung herbeizuführen.

In diesen Tagen erschien ein Franziscanermönch von
Avignon, derselbe Franz Lambert, dessen wir bei der Sy-
node von Homberg gedacht, in der Schweiz. In einem
Kloster strengerer Observanz, in das er in frühen Jahren
getreten war, hatte er statt der Ruhe und Frömmigkeit, die
er suchte, nichts als geheime Laster und Neid gefunden; 2
da waren ihm einige Schriften Luthers zugekommen, und
er hatte sich entschlossen, sein Kloster zu verlassen, und Lu-
thern selbst in Wittenberg aufzusuchen. Dieser Mönch,
noch immer in seiner Kutte auf einem Esel reitend, er-
schien jetzt in Zürich. Seine katholische Rechtgläubigkeit

1 Sein Grundsatz war: Communis error facit jus. Haec
dogmata non praedicentur, nihil innovetur contra ecclesiae ritum.
2 Francisci Lamberti rationes propter quas minoritarum con-
versationem traditumque rejecit.
Bei Schelhorn: commentatio de
vita Lamberti Amoenitatt. literariae III, p.
312.

Emancipation von Zuͤrich 1522.
nicht ſehr gemäß ſey; aber der gemeinſchaftliche Irrthum
bilde ein Recht; auf keine Weiſe dürfe man Lehren anneh-
men, die von Kaiſer und Papſt verdammt ſeyen; wer ſich
nicht zu den Biſchöfen halten wolle, möge denn auch ganz
von ihnen geſchieden werden. 1

Noch waren einige Klöſter in der Stadt, die von je-
nem erſten Beſchluß des großen Rathes unberührt geblie-
ben; noch hielten ſich gar Manche, Vornehmere oder Ge-
ringere, zu dem bisher Gebräuchlichen; und ſo geſchah, daß
dieſe Anmahnung doch nicht ganz ohne Wirkung blieb. Die
heftigſten Widerſacher der Mönche bekamen die Weiſung,
ſich auf der Kanzel oder bei Disputationen zu mäßigen.

Allein es bedurfte nur eines im Grunde ſehr zufälli-
gen Ereigniſſes, um doch eine ganz entgegengeſetzte Entſchei-
dung herbeizuführen.

In dieſen Tagen erſchien ein Franziscanermönch von
Avignon, derſelbe Franz Lambert, deſſen wir bei der Sy-
node von Homberg gedacht, in der Schweiz. In einem
Kloſter ſtrengerer Obſervanz, in das er in frühen Jahren
getreten war, hatte er ſtatt der Ruhe und Frömmigkeit, die
er ſuchte, nichts als geheime Laſter und Neid gefunden; 2
da waren ihm einige Schriften Luthers zugekommen, und
er hatte ſich entſchloſſen, ſein Kloſter zu verlaſſen, und Lu-
thern ſelbſt in Wittenberg aufzuſuchen. Dieſer Mönch,
noch immer in ſeiner Kutte auf einem Eſel reitend, er-
ſchien jetzt in Zürich. Seine katholiſche Rechtgläubigkeit

1 Sein Grundſatz war: Communis error facit jus. Haec
dogmata non praedicentur, nihil innovetur contra ecclesiae ritum.
2 Francisci Lamberti rationes propter quas minoritarum con-
versationem traditumque rejecit.
Bei Schelhorn: commentatio de
vita Lamberti Amoenitatt. literariae III, p.
312.
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[69/0085] Emancipation von Zuͤrich 1522. nicht ſehr gemäß ſey; aber der gemeinſchaftliche Irrthum bilde ein Recht; auf keine Weiſe dürfe man Lehren anneh- men, die von Kaiſer und Papſt verdammt ſeyen; wer ſich nicht zu den Biſchöfen halten wolle, möge denn auch ganz von ihnen geſchieden werden. 1 Noch waren einige Klöſter in der Stadt, die von je- nem erſten Beſchluß des großen Rathes unberührt geblie- ben; noch hielten ſich gar Manche, Vornehmere oder Ge- ringere, zu dem bisher Gebräuchlichen; und ſo geſchah, daß dieſe Anmahnung doch nicht ganz ohne Wirkung blieb. Die heftigſten Widerſacher der Mönche bekamen die Weiſung, ſich auf der Kanzel oder bei Disputationen zu mäßigen. Allein es bedurfte nur eines im Grunde ſehr zufälli- gen Ereigniſſes, um doch eine ganz entgegengeſetzte Entſchei- dung herbeizuführen. In dieſen Tagen erſchien ein Franziscanermönch von Avignon, derſelbe Franz Lambert, deſſen wir bei der Sy- node von Homberg gedacht, in der Schweiz. In einem Kloſter ſtrengerer Obſervanz, in das er in frühen Jahren getreten war, hatte er ſtatt der Ruhe und Frömmigkeit, die er ſuchte, nichts als geheime Laſter und Neid gefunden; 2 da waren ihm einige Schriften Luthers zugekommen, und er hatte ſich entſchloſſen, ſein Kloſter zu verlaſſen, und Lu- thern ſelbſt in Wittenberg aufzuſuchen. Dieſer Mönch, noch immer in ſeiner Kutte auf einem Eſel reitend, er- ſchien jetzt in Zürich. Seine katholiſche Rechtgläubigkeit 1 Sein Grundſatz war: Communis error facit jus. Haec dogmata non praedicentur, nihil innovetur contra ecclesiae ritum. 2 Francisci Lamberti rationes propter quas minoritarum con- versationem traditumque rejecit. Bei Schelhorn: commentatio de vita Lamberti Amoenitatt. literariae III, p. 312.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/85>, abgerufen am 24.11.2024.