Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

Siebentes Buch. Siebentes Capitel.
Gott möge nachgegeben werden, und was in äußerlicher Ord-
nung auf Erden recht sey. Würde der Landgraf den Rath-
schlag offenbaren, so würde er sich aus göttlichem Gericht
in menschliches begeben, wo ihm damit nicht geholfen wer-
den könne. Er bat ihn um Gottes willen seine Feder nicht
rege zu machen. 1

Was man nun aber auch sagen oder verschweigen mochte,
so wurde die Sache in aller Welt ruchtbar. Im Sommer
1540 findet man ihrer schon in weiter Ferne in ganz ge-
wöhnlichen Privatbriefen erwähnt.

Und wie hätte sie nun nicht den größten Anstoß erre-
gen sollen!

"Wer hat in langer Zeit", schreibt Joachim II, der
eben mit der Abfassung seiner Kirchenordnung beschäftigt war,
"jemals von einer thörichtern Sache gehört." Er meint,
es müsse dem Teufel viel Arbeit gekostet haben, um dem
Evangelium einen solchen Klotz in den Weg zu werfen. 2

König Ferdinand soll gesagt haben, er sey eine Zeitlang
der evangelischen Lehre sehr geneigt gewesen, doch habe ihn
diese Sache anderer Meinung gemacht.

Und wer könnte die Folgen ermessen welche ein Ärger-
niß dieser Art, das aus der Partei hervorgieng die in vor-
züglichem Grade christlich zu seyn behauptete, auf die Stim-
mung der Gemüther in aller Welt hervorgebracht hat?

Auch diejenigen aber, welche unmittelbar in die Augen
fielen, waren für den Fortgang der Dinge von größter Be-
deutung.


1 Bei Rommel II, 414.
2 Am Tag Johannis Baptistä 1540. (Dessauer Archiv.)

Siebentes Buch. Siebentes Capitel.
Gott möge nachgegeben werden, und was in äußerlicher Ord-
nung auf Erden recht ſey. Würde der Landgraf den Rath-
ſchlag offenbaren, ſo würde er ſich aus göttlichem Gericht
in menſchliches begeben, wo ihm damit nicht geholfen wer-
den könne. Er bat ihn um Gottes willen ſeine Feder nicht
rege zu machen. 1

Was man nun aber auch ſagen oder verſchweigen mochte,
ſo wurde die Sache in aller Welt ruchtbar. Im Sommer
1540 findet man ihrer ſchon in weiter Ferne in ganz ge-
wöhnlichen Privatbriefen erwähnt.

Und wie hätte ſie nun nicht den größten Anſtoß erre-
gen ſollen!

„Wer hat in langer Zeit“, ſchreibt Joachim II, der
eben mit der Abfaſſung ſeiner Kirchenordnung beſchäftigt war,
„jemals von einer thörichtern Sache gehört.“ Er meint,
es müſſe dem Teufel viel Arbeit gekoſtet haben, um dem
Evangelium einen ſolchen Klotz in den Weg zu werfen. 2

König Ferdinand ſoll geſagt haben, er ſey eine Zeitlang
der evangeliſchen Lehre ſehr geneigt geweſen, doch habe ihn
dieſe Sache anderer Meinung gemacht.

Und wer könnte die Folgen ermeſſen welche ein Ärger-
niß dieſer Art, das aus der Partei hervorgieng die in vor-
züglichem Grade chriſtlich zu ſeyn behauptete, auf die Stim-
mung der Gemüther in aller Welt hervorgebracht hat?

Auch diejenigen aber, welche unmittelbar in die Augen
fielen, waren für den Fortgang der Dinge von größter Be-
deutung.


1 Bei Rommel II, 414.
2 Am Tag Johannis Baptiſtaͤ 1540. (Deſſauer Archiv.)
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0274" n="262"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Siebentes Buch. Siebentes Capitel</hi>.</fw><lb/>
Gott möge nachgegeben werden, und was in äußerlicher Ord-<lb/>
nung auf Erden recht &#x017F;ey. Würde der Landgraf den Rath-<lb/>
&#x017F;chlag offenbaren, &#x017F;o würde er &#x017F;ich aus göttlichem Gericht<lb/>
in men&#x017F;chliches begeben, wo ihm damit nicht geholfen wer-<lb/>
den könne. Er bat ihn um Gottes willen &#x017F;eine Feder nicht<lb/>
rege zu machen. <note place="foot" n="1">Bei <persName ref="http://d-nb.info/gnd/116606428">Rommel</persName> <hi rendition="#aq">II,</hi> 414.</note></p><lb/>
          <p>Was man nun aber auch &#x017F;agen oder ver&#x017F;chweigen mochte,<lb/>
&#x017F;o wurde die Sache in aller Welt ruchtbar. Im Sommer<lb/>
1540 findet man ihrer &#x017F;chon in weiter Ferne in ganz ge-<lb/>
wöhnlichen Privatbriefen erwähnt.</p><lb/>
          <p>Und wie hätte &#x017F;ie nun nicht den größten An&#x017F;toß erre-<lb/>
gen &#x017F;ollen!</p><lb/>
          <p>&#x201E;Wer hat in langer Zeit&#x201C;, &#x017F;chreibt <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118557556">Joachim <hi rendition="#aq">II</hi></persName>, der<lb/>
eben mit der Abfa&#x017F;&#x017F;ung &#x017F;einer Kirchenordnung be&#x017F;chäftigt war,<lb/>
&#x201E;jemals von einer thörichtern Sache gehört.&#x201C; Er meint,<lb/>
es mü&#x017F;&#x017F;e dem Teufel viel Arbeit geko&#x017F;tet haben, um dem<lb/>
Evangelium einen &#x017F;olchen Klotz in den Weg zu werfen. <note place="foot" n="2">Am Tag Johannis Bapti&#x017F;ta&#x0364; 1540. (De&#x017F;&#x017F;auer Archiv.)</note></p><lb/>
          <p>König <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118532502">Ferdinand</persName> &#x017F;oll ge&#x017F;agt haben, er &#x017F;ey eine Zeitlang<lb/>
der evangeli&#x017F;chen Lehre &#x017F;ehr geneigt gewe&#x017F;en, doch habe ihn<lb/>
die&#x017F;e Sache anderer Meinung gemacht.</p><lb/>
          <p>Und wer könnte die Folgen erme&#x017F;&#x017F;en welche ein Ärger-<lb/>
niß die&#x017F;er Art, das aus der Partei hervorgieng die in vor-<lb/>
züglichem Grade chri&#x017F;tlich zu &#x017F;eyn behauptete, auf die Stim-<lb/>
mung der Gemüther in aller Welt hervorgebracht hat?</p><lb/>
          <p>Auch diejenigen aber, welche unmittelbar in die Augen<lb/>
fielen, waren für den Fortgang der Dinge von größter Be-<lb/>
deutung.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[262/0274] Siebentes Buch. Siebentes Capitel. Gott möge nachgegeben werden, und was in äußerlicher Ord- nung auf Erden recht ſey. Würde der Landgraf den Rath- ſchlag offenbaren, ſo würde er ſich aus göttlichem Gericht in menſchliches begeben, wo ihm damit nicht geholfen wer- den könne. Er bat ihn um Gottes willen ſeine Feder nicht rege zu machen. 1 Was man nun aber auch ſagen oder verſchweigen mochte, ſo wurde die Sache in aller Welt ruchtbar. Im Sommer 1540 findet man ihrer ſchon in weiter Ferne in ganz ge- wöhnlichen Privatbriefen erwähnt. Und wie hätte ſie nun nicht den größten Anſtoß erre- gen ſollen! „Wer hat in langer Zeit“, ſchreibt Joachim II, der eben mit der Abfaſſung ſeiner Kirchenordnung beſchäftigt war, „jemals von einer thörichtern Sache gehört.“ Er meint, es müſſe dem Teufel viel Arbeit gekoſtet haben, um dem Evangelium einen ſolchen Klotz in den Weg zu werfen. 2 König Ferdinand ſoll geſagt haben, er ſey eine Zeitlang der evangeliſchen Lehre ſehr geneigt geweſen, doch habe ihn dieſe Sache anderer Meinung gemacht. Und wer könnte die Folgen ermeſſen welche ein Ärger- niß dieſer Art, das aus der Partei hervorgieng die in vor- züglichem Grade chriſtlich zu ſeyn behauptete, auf die Stim- mung der Gemüther in aller Welt hervorgebracht hat? Auch diejenigen aber, welche unmittelbar in die Augen fielen, waren für den Fortgang der Dinge von größter Be- deutung. 1 Bei Rommel II, 414. 2 Am Tag Johannis Baptiſtaͤ 1540. (Deſſauer Archiv.)

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/274
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/274>, abgerufen am 29.11.2024.