Bürger und Bürgersöhne hatten hierauf die Waffen ergriffen und erschienen in drei Haufen im Feld. Auch Goßlar fehlte nicht: Alle zusammen mochten eine Masse von 20000 M. bilden. 1
Wie hätte Herzog Heinrich einem so überlegenen, ihn zugleich im Innern seines Landes und von den Grenzen her bedrängenden Feinde eigentlichen Widerstand entgegensetzen können? Seine Hofnung beruhte allein darauf, daß seine festen Häuser, vor allen Wolfenbüttel, wohin er die Ge- treuesten seiner Ritterschaft und einen Theil der Mannschaf- ten von Städten und Dörfern 2 versammelt hatte, sich so lange behaupten würden bis er ihnen Hülfe bringe. Um diese herbeizuholen verließ er selbst mit seinem Sohne das Land.
Nach dem ersten Bezeigen und Anschein zu urtheilen, mußte man glauben, wenigstens das feste Wolfenbüttel würde sich auf das tapferste vertheidigen. Dem Trompeter, der die Aufforderung brachte, antwortete die Besatzung, er möge über drei Jahre wieder nachfragen; der Hausmann vom Thurm empfieng die Heranrückenden mit der Melodie eines Schimpf- liedes. 3 Als man in der Nähe zu schanzen begann, machten die Belagerten einen Ausfall, der ihnen sehr gut gelang und einen nicht geringen Schrecken unter den Bundestruppen ver- breitete: sollte die Schanze vollendet werden, so mußte der Landgraf persönlich daran Theil nehmen. Überhaupt zeigte sich Philipp eben so geschickt wie unermüdlich. Er schlich sich wohl in einem Bauerkittel bis hart an die Feste, um die schwächsten Stellen der Mauer zu beobachten: dahin ließ er dann das
2Lichtenstein Beitrag zur Gesch. des schmalk. Bundes p. 20.
3 "Hat dich der schimpf gerauwet, so zeuch nu wiederum heim."
Siebentes Buch. Siebentes Capitel.
Bürger und Bürgerſöhne hatten hierauf die Waffen ergriffen und erſchienen in drei Haufen im Feld. Auch Goßlar fehlte nicht: Alle zuſammen mochten eine Maſſe von 20000 M. bilden. 1
Wie hätte Herzog Heinrich einem ſo überlegenen, ihn zugleich im Innern ſeines Landes und von den Grenzen her bedrängenden Feinde eigentlichen Widerſtand entgegenſetzen können? Seine Hofnung beruhte allein darauf, daß ſeine feſten Häuſer, vor allen Wolfenbüttel, wohin er die Ge- treueſten ſeiner Ritterſchaft und einen Theil der Mannſchaf- ten von Städten und Dörfern 2 verſammelt hatte, ſich ſo lange behaupten würden bis er ihnen Hülfe bringe. Um dieſe herbeizuholen verließ er ſelbſt mit ſeinem Sohne das Land.
Nach dem erſten Bezeigen und Anſchein zu urtheilen, mußte man glauben, wenigſtens das feſte Wolfenbüttel würde ſich auf das tapferſte vertheidigen. Dem Trompeter, der die Aufforderung brachte, antwortete die Beſatzung, er möge über drei Jahre wieder nachfragen; der Hausmann vom Thurm empfieng die Heranrückenden mit der Melodie eines Schimpf- liedes. 3 Als man in der Nähe zu ſchanzen begann, machten die Belagerten einen Ausfall, der ihnen ſehr gut gelang und einen nicht geringen Schrecken unter den Bundestruppen ver- breitete: ſollte die Schanze vollendet werden, ſo mußte der Landgraf perſönlich daran Theil nehmen. Überhaupt zeigte ſich Philipp eben ſo geſchickt wie unermüdlich. Er ſchlich ſich wohl in einem Bauerkittel bis hart an die Feſte, um die ſchwächſten Stellen der Mauer zu beobachten: dahin ließ er dann das
2Lichtenſtein Beitrag zur Geſch. des ſchmalk. Bundes p. 20.
3 „Hat dich der ſchimpf gerauwet, ſo zeuch nu wiederum heim.“
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Siebentes Buch. Siebentes Capitel.
Bürger und Bürgerſöhne hatten hierauf die Waffen ergriffen und
erſchienen in drei Haufen im Feld. Auch Goßlar fehlte nicht:
Alle zuſammen mochten eine Maſſe von 20000 M. bilden. 1
Wie hätte Herzog Heinrich einem ſo überlegenen, ihn
zugleich im Innern ſeines Landes und von den Grenzen her
bedrängenden Feinde eigentlichen Widerſtand entgegenſetzen
können? Seine Hofnung beruhte allein darauf, daß ſeine
feſten Häuſer, vor allen Wolfenbüttel, wohin er die Ge-
treueſten ſeiner Ritterſchaft und einen Theil der Mannſchaf-
ten von Städten und Dörfern 2 verſammelt hatte, ſich ſo
lange behaupten würden bis er ihnen Hülfe bringe. Um dieſe
herbeizuholen verließ er ſelbſt mit ſeinem Sohne das Land.
Nach dem erſten Bezeigen und Anſchein zu urtheilen,
mußte man glauben, wenigſtens das feſte Wolfenbüttel würde
ſich auf das tapferſte vertheidigen. Dem Trompeter, der die
Aufforderung brachte, antwortete die Beſatzung, er möge über
drei Jahre wieder nachfragen; der Hausmann vom Thurm
empfieng die Heranrückenden mit der Melodie eines Schimpf-
liedes. 3 Als man in der Nähe zu ſchanzen begann, machten
die Belagerten einen Ausfall, der ihnen ſehr gut gelang und
einen nicht geringen Schrecken unter den Bundestruppen ver-
breitete: ſollte die Schanze vollendet werden, ſo mußte der
Landgraf perſönlich daran Theil nehmen. Überhaupt zeigte ſich
Philipp eben ſo geſchickt wie unermüdlich. Er ſchlich ſich wohl
in einem Bauerkittel bis hart an die Feſte, um die ſchwächſten
Stellen der Mauer zu beobachten: dahin ließ er dann das
1 Schaͤrtlin p. 57. Chytraͤus 455. Tobias Olfen p. 32.
2 Lichtenſtein Beitrag zur Geſch. des ſchmalk. Bundes p. 20.
3 „Hat dich der ſchimpf gerauwet, ſo zeuch nu wiederum heim.“
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/294>, abgerufen am 27.11.2024.
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