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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Siebentes Buch. Siebentes Capitel.
ward ersucht, seine Sache bis zur Ankunft des Kaisers an-
stehn zu lassen; das in Speier angenommene Gebot des Frie-
dens ward erneuert. Aber alles dieß konnte die Protestanten
nicht beruhigen. Landgraf Philipp erinnerte, ein Friedens-
gebot auf fünf Jahr beweise am besten, daß man keinen
beständigen Frieden wolle; keine Visitation und Reform des
Kammergerichts könne zum Ziele führen, wenn man die jetzi-
gen Beisitzer beibehalte; die Frist in Herzog Heinrichs Sache
sey nur eine Henkersfrist. So dachten sie, wenn nicht alle,
doch die Mehrzahl. Sie verwarfen den Reichsabschied und
nahmen ihre Stellung als Minorität und Opposition wie-
der vollständig ein.

In dieser Lage waren die Protestanten: zwar noch kei-
neswegs zu den Rechten gelangt, die sie in Anspruch nah-
men; unter sich nicht eben einig, von allerlei Tadel nicht
frei; aber gewaltig vorgeschritten und vorschreitend, militä-
risch mächtig und siegreich, in einer Haltung die den Geg-
nern Respect einflößte und ihren Forderungen einen großen
Nachdruck gab: als Kaiser Carl nach Deutschland zurückkam
und aus der allgemeinen Combination der europäischen An-
gelegenheiten auch für sie die Frage aufstieg, welche Politik
sie darin befolgen würden. Es war vielleicht die wichtigste
die ihnen jemals vorgelegt worden ist.


Siebentes Buch. Siebentes Capitel.
ward erſucht, ſeine Sache bis zur Ankunft des Kaiſers an-
ſtehn zu laſſen; das in Speier angenommene Gebot des Frie-
dens ward erneuert. Aber alles dieß konnte die Proteſtanten
nicht beruhigen. Landgraf Philipp erinnerte, ein Friedens-
gebot auf fünf Jahr beweiſe am beſten, daß man keinen
beſtändigen Frieden wolle; keine Viſitation und Reform des
Kammergerichts könne zum Ziele führen, wenn man die jetzi-
gen Beiſitzer beibehalte; die Friſt in Herzog Heinrichs Sache
ſey nur eine Henkersfriſt. So dachten ſie, wenn nicht alle,
doch die Mehrzahl. Sie verwarfen den Reichsabſchied und
nahmen ihre Stellung als Minorität und Oppoſition wie-
der vollſtändig ein.

In dieſer Lage waren die Proteſtanten: zwar noch kei-
neswegs zu den Rechten gelangt, die ſie in Anſpruch nah-
men; unter ſich nicht eben einig, von allerlei Tadel nicht
frei; aber gewaltig vorgeſchritten und vorſchreitend, militä-
riſch mächtig und ſiegreich, in einer Haltung die den Geg-
nern Reſpect einflößte und ihren Forderungen einen großen
Nachdruck gab: als Kaiſer Carl nach Deutſchland zurückkam
und aus der allgemeinen Combination der europäiſchen An-
gelegenheiten auch für ſie die Frage aufſtieg, welche Politik
ſie darin befolgen würden. Es war vielleicht die wichtigſte
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[286/0298] Siebentes Buch. Siebentes Capitel. ward erſucht, ſeine Sache bis zur Ankunft des Kaiſers an- ſtehn zu laſſen; das in Speier angenommene Gebot des Frie- dens ward erneuert. Aber alles dieß konnte die Proteſtanten nicht beruhigen. Landgraf Philipp erinnerte, ein Friedens- gebot auf fünf Jahr beweiſe am beſten, daß man keinen beſtändigen Frieden wolle; keine Viſitation und Reform des Kammergerichts könne zum Ziele führen, wenn man die jetzi- gen Beiſitzer beibehalte; die Friſt in Herzog Heinrichs Sache ſey nur eine Henkersfriſt. So dachten ſie, wenn nicht alle, doch die Mehrzahl. Sie verwarfen den Reichsabſchied und nahmen ihre Stellung als Minorität und Oppoſition wie- der vollſtändig ein. In dieſer Lage waren die Proteſtanten: zwar noch kei- neswegs zu den Rechten gelangt, die ſie in Anſpruch nah- men; unter ſich nicht eben einig, von allerlei Tadel nicht frei; aber gewaltig vorgeſchritten und vorſchreitend, militä- riſch mächtig und ſiegreich, in einer Haltung die den Geg- nern Reſpect einflößte und ihren Forderungen einen großen Nachdruck gab: als Kaiſer Carl nach Deutſchland zurückkam und aus der allgemeinen Combination der europäiſchen An- gelegenheiten auch für ſie die Frage aufſtieg, welche Politik ſie darin befolgen würden. Es war vielleicht die wichtigſte die ihnen jemals vorgelegt worden iſt.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/298>, abgerufen am 23.11.2024.