behalt, daß man darüber nicht abschließe ohne auch die übri- gen Artikel erledigt zu haben.
Hiebei aber gegen Frankreich anzugehn, dazu bewog sie nicht sowohl Nationalhaß, zu dem sie keinen Grund noch An- laß hatten, als der Widerwille welchen die Verbindung dieser Macht mit den Osmanen, ihr gemeinschaftliches Unternehmen auf Nizza hervorgerufen. Mit ihrem Widerstand gegen den Papst meinten die Protestanten nicht etwa sich von der Ein- heit der Christenheit abzusondern; vielmehr hielten sie an die- sem Gedanken, in dem Gegensatz wider die Osmanen, mit allem Eifer fest. Hatten die Franzosen zuweilen die religiöse Meinung als Abfall bezeichnet, so gaben die Deutschen ihrem politischen Betragen diese Anklage zurück. In allen Brief- wechseln dieser Zeit findet man Ausrufungen gegen den aller- christlichsten König der türkisch geworden: man behauptete wohl, er habe mit Erlaubniß des Papstes bei Marseille eine Moschee gebaut. Joachim II beantwortete die Anträge des päpstlichen Nepoten, die auch an ihn gelangt, damit, daß er den Papst aufforderte, vor allem den König von Frank- reich zu züchtigen, ihm den Titel des Allerchristlichsten zu ent- reißen, und sich mit Kaiser und Reich gegen die Türken zu verbünden. Die Ausdrücke der Verträge die der Kaiser mit England und Dänemark schloß, die Entschuldigungen selbst welche die Franzosen in Italien wie in Deutschland vortru- gen, zeigen wie ganz allgemein diese Stimmung war. Wenn nun der Kaiser den Ständen vorstellte, dem König zu Leibe zu gehn, der mit den Türken im Bunde stehe, sey ohne Zwei- fel eben so gut wie ein Kriegszug gegen diese selbst, so fand er damit allgemeinen Beifall. Jene Vermittelungsanträge
Reichstag zu Speier 1544.
behalt, daß man darüber nicht abſchließe ohne auch die übri- gen Artikel erledigt zu haben.
Hiebei aber gegen Frankreich anzugehn, dazu bewog ſie nicht ſowohl Nationalhaß, zu dem ſie keinen Grund noch An- laß hatten, als der Widerwille welchen die Verbindung dieſer Macht mit den Osmanen, ihr gemeinſchaftliches Unternehmen auf Nizza hervorgerufen. Mit ihrem Widerſtand gegen den Papſt meinten die Proteſtanten nicht etwa ſich von der Ein- heit der Chriſtenheit abzuſondern; vielmehr hielten ſie an die- ſem Gedanken, in dem Gegenſatz wider die Osmanen, mit allem Eifer feſt. Hatten die Franzoſen zuweilen die religiöſe Meinung als Abfall bezeichnet, ſo gaben die Deutſchen ihrem politiſchen Betragen dieſe Anklage zurück. In allen Brief- wechſeln dieſer Zeit findet man Ausrufungen gegen den aller- chriſtlichſten König der türkiſch geworden: man behauptete wohl, er habe mit Erlaubniß des Papſtes bei Marſeille eine Moſchee gebaut. Joachim II beantwortete die Anträge des päpſtlichen Nepoten, die auch an ihn gelangt, damit, daß er den Papſt aufforderte, vor allem den König von Frank- reich zu züchtigen, ihm den Titel des Allerchriſtlichſten zu ent- reißen, und ſich mit Kaiſer und Reich gegen die Türken zu verbünden. Die Ausdrücke der Verträge die der Kaiſer mit England und Dänemark ſchloß, die Entſchuldigungen ſelbſt welche die Franzoſen in Italien wie in Deutſchland vortru- gen, zeigen wie ganz allgemein dieſe Stimmung war. Wenn nun der Kaiſer den Ständen vorſtellte, dem König zu Leibe zu gehn, der mit den Türken im Bunde ſtehe, ſey ohne Zwei- fel eben ſo gut wie ein Kriegszug gegen dieſe ſelbſt, ſo fand er damit allgemeinen Beifall. Jene Vermittelungsanträge
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0313"n="301"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Reichstag zu <placeName>Speier</placeName></hi> 1544.</fw><lb/>
behalt, daß man darüber nicht abſchließe ohne auch die übri-<lb/>
gen Artikel erledigt zu haben.</p><lb/><p>Hiebei aber gegen <placeName>Frankreich</placeName> anzugehn, dazu bewog ſie<lb/>
nicht ſowohl Nationalhaß, zu dem ſie keinen Grund noch An-<lb/>
laß hatten, als der Widerwille welchen die Verbindung dieſer<lb/>
Macht mit den Osmanen, ihr gemeinſchaftliches Unternehmen<lb/>
auf <placeName>Nizza</placeName> hervorgerufen. Mit ihrem Widerſtand gegen den<lb/>
Papſt meinten die Proteſtanten nicht etwa ſich von der Ein-<lb/>
heit der Chriſtenheit abzuſondern; vielmehr hielten ſie an die-<lb/>ſem Gedanken, in dem Gegenſatz wider die Osmanen, mit<lb/>
allem Eifer feſt. Hatten die Franzoſen zuweilen die religiöſe<lb/>
Meinung als Abfall bezeichnet, ſo gaben die Deutſchen ihrem<lb/>
politiſchen Betragen dieſe Anklage zurück. In allen Brief-<lb/>
wechſeln dieſer Zeit findet man Ausrufungen gegen den aller-<lb/>
chriſtlichſten König der türkiſch geworden: man behauptete<lb/>
wohl, er habe mit Erlaubniß des Papſtes bei <placeName>Marſeille</placeName> eine<lb/>
Moſchee gebaut. <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118557556">Joachim <hirendition="#aq">II</hi></persName> beantwortete die Anträge des<lb/>
päpſtlichen Nepoten, die auch an ihn gelangt, damit, daß<lb/>
er den Papſt aufforderte, vor allem den König von <placeName>Frank-<lb/>
reich</placeName> zu züchtigen, ihm den Titel des Allerchriſtlichſten zu ent-<lb/>
reißen, und ſich mit Kaiſer und Reich gegen die Türken zu<lb/>
verbünden. Die Ausdrücke der Verträge die der Kaiſer mit<lb/><placeName>England</placeName> und <placeName>Dänemark</placeName>ſchloß, die Entſchuldigungen ſelbſt<lb/>
welche die Franzoſen in <placeName>Italien</placeName> wie in <placeName>Deutſchland</placeName> vortru-<lb/>
gen, zeigen wie ganz allgemein dieſe Stimmung war. Wenn<lb/>
nun der Kaiſer den Ständen vorſtellte, dem König zu Leibe zu<lb/>
gehn, der mit den Türken im Bunde ſtehe, ſey ohne Zwei-<lb/>
fel eben ſo gut wie ein Kriegszug gegen dieſe ſelbſt, ſo fand<lb/>
er damit allgemeinen Beifall. Jene Vermittelungsanträge<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[301/0313]
Reichstag zu Speier 1544.
behalt, daß man darüber nicht abſchließe ohne auch die übri-
gen Artikel erledigt zu haben.
Hiebei aber gegen Frankreich anzugehn, dazu bewog ſie
nicht ſowohl Nationalhaß, zu dem ſie keinen Grund noch An-
laß hatten, als der Widerwille welchen die Verbindung dieſer
Macht mit den Osmanen, ihr gemeinſchaftliches Unternehmen
auf Nizza hervorgerufen. Mit ihrem Widerſtand gegen den
Papſt meinten die Proteſtanten nicht etwa ſich von der Ein-
heit der Chriſtenheit abzuſondern; vielmehr hielten ſie an die-
ſem Gedanken, in dem Gegenſatz wider die Osmanen, mit
allem Eifer feſt. Hatten die Franzoſen zuweilen die religiöſe
Meinung als Abfall bezeichnet, ſo gaben die Deutſchen ihrem
politiſchen Betragen dieſe Anklage zurück. In allen Brief-
wechſeln dieſer Zeit findet man Ausrufungen gegen den aller-
chriſtlichſten König der türkiſch geworden: man behauptete
wohl, er habe mit Erlaubniß des Papſtes bei Marſeille eine
Moſchee gebaut. Joachim II beantwortete die Anträge des
päpſtlichen Nepoten, die auch an ihn gelangt, damit, daß
er den Papſt aufforderte, vor allem den König von Frank-
reich zu züchtigen, ihm den Titel des Allerchriſtlichſten zu ent-
reißen, und ſich mit Kaiſer und Reich gegen die Türken zu
verbünden. Die Ausdrücke der Verträge die der Kaiſer mit
England und Dänemark ſchloß, die Entſchuldigungen ſelbſt
welche die Franzoſen in Italien wie in Deutſchland vortru-
gen, zeigen wie ganz allgemein dieſe Stimmung war. Wenn
nun der Kaiſer den Ständen vorſtellte, dem König zu Leibe zu
gehn, der mit den Türken im Bunde ſtehe, ſey ohne Zwei-
fel eben ſo gut wie ein Kriegszug gegen dieſe ſelbſt, ſo fand
er damit allgemeinen Beifall. Jene Vermittelungsanträge
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/313>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.