Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.nahme in seinem Hause zu Theil werden ließ, war er zum Gespräch nach Regensburg gekommen. Von allen wider- wärtigen Dingen die Malvenda in Deutschland wahrgenom- men, das Widerwärtigste war ihm, unter den Gegnern einen Landsmann zu sehen, von der vorzugsweise rechtgläubigen Nation, und er versäumte nichts um denselben zu bekehren. Aber weder ihm wollte das gelingen, noch auch einem Bru- der Johanns, Alfonso, der von Rom, wo er eine ansehn- liche Stelle an der Rota bekleidete, auf die erste Nachricht herbeigeeilt war. Johann Diaz war ein Mensch, der sein einziges Glück auf Erden darin sah, nach dem einmal ge- faßten Begriff zu leben: er war ganz zufrieden, dort in Neuburg an der Donau, wohin er von Regensburg aus gegangen, in ärmlichem Zustand, den Druck eines Buches von Butzer zu besorgen. Fast mit Gewalt mußte ihm Al- fons, als er Abschied nahm, ein paar Kronthaler zum Ge- schenk aufdringen. Wehe ihm aber, daß er diese Wieder- kehr brüderlicher Freundschaft für ächt nahm! In Alfonso wirkten der Fanatismus einer vermeinten Rechtgläubigkeit und der eigenthümliche Wahn der damaligen Spanier, in der Abweichung von den hergebrachten Doctrinen einen Schimpf für Land und Familie zu erblicken, zu dem Entschlusse zusam- men, den Bruder lieber zu ermorden, als ihn hier unter den Ketzern zurückzulassen. Ein Gedanke der eben so gräßlich ausgeführt ward, als er an sich selber ist. An einem der nächsten Morgen, in erster Tagesfrühe, erschien der Diener Alfonsos mit einem Briefe desselben in der wohlbekannten Wohnung zu Neuburg; indem Johann, noch halb angeklei- det, in dem Halbdunkel sich über das Blatt beugte um es Ranke D. Gesch. IV. 25
nahme in ſeinem Hauſe zu Theil werden ließ, war er zum Geſpräch nach Regensburg gekommen. Von allen wider- wärtigen Dingen die Malvenda in Deutſchland wahrgenom- men, das Widerwärtigſte war ihm, unter den Gegnern einen Landsmann zu ſehen, von der vorzugsweiſe rechtgläubigen Nation, und er verſäumte nichts um denſelben zu bekehren. Aber weder ihm wollte das gelingen, noch auch einem Bru- der Johanns, Alfonſo, der von Rom, wo er eine anſehn- liche Stelle an der Rota bekleidete, auf die erſte Nachricht herbeigeeilt war. Johann Diaz war ein Menſch, der ſein einziges Glück auf Erden darin ſah, nach dem einmal ge- faßten Begriff zu leben: er war ganz zufrieden, dort in Neuburg an der Donau, wohin er von Regensburg aus gegangen, in ärmlichem Zuſtand, den Druck eines Buches von Butzer zu beſorgen. Faſt mit Gewalt mußte ihm Al- fons, als er Abſchied nahm, ein paar Kronthaler zum Ge- ſchenk aufdringen. Wehe ihm aber, daß er dieſe Wieder- kehr brüderlicher Freundſchaft für ächt nahm! In Alfonſo wirkten der Fanatismus einer vermeinten Rechtgläubigkeit und der eigenthümliche Wahn der damaligen Spanier, in der Abweichung von den hergebrachten Doctrinen einen Schimpf für Land und Familie zu erblicken, zu dem Entſchluſſe zuſam- men, den Bruder lieber zu ermorden, als ihn hier unter den Ketzern zurückzulaſſen. Ein Gedanke der eben ſo gräßlich ausgeführt ward, als er an ſich ſelber iſt. An einem der nächſten Morgen, in erſter Tagesfrühe, erſchien der Diener Alfonſos mit einem Briefe deſſelben in der wohlbekannten Wohnung zu Neuburg; indem Johann, noch halb angeklei- det, in dem Halbdunkel ſich über das Blatt beugte um es Ranke D. Geſch. IV. 25
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Johann Diaz.
nahme in ſeinem Hauſe zu Theil werden ließ, war er zum
Geſpräch nach Regensburg gekommen. Von allen wider-
wärtigen Dingen die Malvenda in Deutſchland wahrgenom-
men, das Widerwärtigſte war ihm, unter den Gegnern einen
Landsmann zu ſehen, von der vorzugsweiſe rechtgläubigen
Nation, und er verſäumte nichts um denſelben zu bekehren.
Aber weder ihm wollte das gelingen, noch auch einem Bru-
der Johanns, Alfonſo, der von Rom, wo er eine anſehn-
liche Stelle an der Rota bekleidete, auf die erſte Nachricht
herbeigeeilt war. Johann Diaz war ein Menſch, der ſein
einziges Glück auf Erden darin ſah, nach dem einmal ge-
faßten Begriff zu leben: er war ganz zufrieden, dort in
Neuburg an der Donau, wohin er von Regensburg aus
gegangen, in ärmlichem Zuſtand, den Druck eines Buches
von Butzer zu beſorgen. Faſt mit Gewalt mußte ihm Al-
fons, als er Abſchied nahm, ein paar Kronthaler zum Ge-
ſchenk aufdringen. Wehe ihm aber, daß er dieſe Wieder-
kehr brüderlicher Freundſchaft für ächt nahm! In Alfonſo
wirkten der Fanatismus einer vermeinten Rechtgläubigkeit und
der eigenthümliche Wahn der damaligen Spanier, in der
Abweichung von den hergebrachten Doctrinen einen Schimpf
für Land und Familie zu erblicken, zu dem Entſchluſſe zuſam-
men, den Bruder lieber zu ermorden, als ihn hier unter
den Ketzern zurückzulaſſen. Ein Gedanke der eben ſo gräßlich
ausgeführt ward, als er an ſich ſelber iſt. An einem der
nächſten Morgen, in erſter Tagesfrühe, erſchien der Diener
Alfonſos mit einem Briefe deſſelben in der wohlbekannten
Wohnung zu Neuburg; indem Johann, noch halb angeklei-
det, in dem Halbdunkel ſich über das Blatt beugte um es
Ranke D. Geſch. IV. 25
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