Indeß waren, ausgenommen Constanz, alle andere ober- ländische Städte mit dem Kaiser ausgesöhnt. Am härtesten war es der Stadt Straßburg gefallen, die von einem Bür- germeister geleitet, der an den allgemeinen Angelegenheiten des Protestantismus den lebendigsten Antheil genommen, auch nach dem Abzug der beiden Fürsten aus dem Feld an den Grundsätzen des Bundes festhielt, und Andre zum Widerstand mahnte. Auch hier aber machte man doch zu- letzt die Betrachtung, daß man der kaiserlichen Übermacht auf die Länge nicht widerstehn werde, es wäre denn, man hätte sich an Frankreich anschließen wollen: ein Gedanke, den diese Zeiten noch verabscheuten und womit ihnen nicht einmal ge- holfen gewesen wäre; daß der Wohlstand der Stadt auf den auswärtigen Handelsgeschäften beruhe, worin ihr der Kaiser mit einem einzigen Federstrich unwiederbringlichen Ab- bruch thun könne; endlich daß der Kaiser die ordentliche Obrigkeit sey. Es läßt sich denken, in welche trübe Stim- mung die leitenden Mitglieder des Rathes hierüber gerie- then. "Ich habe", schreibt Butzer, "unsern Herrn Jacob Sturm mit vielen Thränen Gott bitten sehen, ihm einzuge- ben, was er rathen solle, damit es der Stadt zu Nutzen und Wohlfahrt gereiche." Endlich aber behielt auch hier der allgemeine Zug der Dinge die Oberhand. Jacob Sturm war selbst in der Gesandtschaft die an den Kaiser abgeord- net wurde um sich zu unterwerfen. Es war für ihn ein bitterer Augenblick: er bat Gott um seinen Tod in derselben Stunde; aber er konnte sich nicht weigern und mußte die Gesandtschaft übernehmen. 1 Doch erhielt Straßburg etwas
Indeß waren, ausgenommen Conſtanz, alle andere ober- ländiſche Städte mit dem Kaiſer ausgeſöhnt. Am härteſten war es der Stadt Straßburg gefallen, die von einem Bür- germeiſter geleitet, der an den allgemeinen Angelegenheiten des Proteſtantismus den lebendigſten Antheil genommen, auch nach dem Abzug der beiden Fürſten aus dem Feld an den Grundſätzen des Bundes feſthielt, und Andre zum Widerſtand mahnte. Auch hier aber machte man doch zu- letzt die Betrachtung, daß man der kaiſerlichen Übermacht auf die Länge nicht widerſtehn werde, es wäre denn, man hätte ſich an Frankreich anſchließen wollen: ein Gedanke, den dieſe Zeiten noch verabſcheuten und womit ihnen nicht einmal ge- holfen geweſen wäre; daß der Wohlſtand der Stadt auf den auswärtigen Handelsgeſchäften beruhe, worin ihr der Kaiſer mit einem einzigen Federſtrich unwiederbringlichen Ab- bruch thun könne; endlich daß der Kaiſer die ordentliche Obrigkeit ſey. Es läßt ſich denken, in welche trübe Stim- mung die leitenden Mitglieder des Rathes hierüber gerie- then. „Ich habe“, ſchreibt Butzer, „unſern Herrn Jacob Sturm mit vielen Thränen Gott bitten ſehen, ihm einzuge- ben, was er rathen ſolle, damit es der Stadt zu Nutzen und Wohlfahrt gereiche.“ Endlich aber behielt auch hier der allgemeine Zug der Dinge die Oberhand. Jacob Sturm war ſelbſt in der Geſandtſchaft die an den Kaiſer abgeord- net wurde um ſich zu unterwerfen. Es war für ihn ein bitterer Augenblick: er bat Gott um ſeinen Tod in derſelben Stunde; aber er konnte ſich nicht weigern und mußte die Geſandtſchaft übernehmen. 1 Doch erhielt Straßburg etwas
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0481"n="469"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Ausſoͤhn. und Unterwerf. <placeName>Straßburg</placeName></hi>.</fw><lb/><p>Indeß waren, ausgenommen <placeName>Conſtanz</placeName>, alle andere ober-<lb/>
ländiſche Städte mit dem Kaiſer ausgeſöhnt. Am härteſten<lb/>
war es der Stadt <placeName>Straßburg</placeName> gefallen, die von einem Bür-<lb/>
germeiſter geleitet, der an den allgemeinen Angelegenheiten<lb/>
des Proteſtantismus den lebendigſten Antheil genommen,<lb/>
auch nach dem Abzug der beiden Fürſten aus dem Feld<lb/>
an den Grundſätzen des Bundes feſthielt, und Andre zum<lb/>
Widerſtand mahnte. Auch hier aber machte man doch zu-<lb/>
letzt die Betrachtung, daß man der kaiſerlichen Übermacht auf<lb/>
die Länge nicht widerſtehn werde, es wäre denn, man hätte<lb/>ſich an <placeName>Frankreich</placeName> anſchließen wollen: ein Gedanke, den dieſe<lb/>
Zeiten noch verabſcheuten und womit ihnen nicht einmal ge-<lb/>
holfen geweſen wäre; daß der Wohlſtand der Stadt auf<lb/>
den auswärtigen Handelsgeſchäften beruhe, worin ihr der<lb/>
Kaiſer mit einem einzigen Federſtrich unwiederbringlichen Ab-<lb/>
bruch thun könne; endlich daß der Kaiſer die ordentliche<lb/>
Obrigkeit ſey. Es läßt ſich denken, in welche trübe Stim-<lb/>
mung die leitenden Mitglieder des Rathes hierüber gerie-<lb/>
then. „Ich habe“, ſchreibt <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118516507">Butzer</persName>, „unſern Herrn <persNameref="http://d-nb.info/gnd/11875758X">Jacob<lb/>
Sturm</persName> mit vielen Thränen Gott bitten ſehen, ihm einzuge-<lb/>
ben, was er rathen ſolle, damit es der Stadt zu Nutzen<lb/>
und Wohlfahrt gereiche.“ Endlich aber behielt auch hier<lb/>
der allgemeine Zug der Dinge die Oberhand. <persNameref="http://d-nb.info/gnd/11875758X">Jacob Sturm</persName><lb/>
war ſelbſt in der Geſandtſchaft die an den Kaiſer abgeord-<lb/>
net wurde um ſich zu unterwerfen. Es war für ihn ein<lb/>
bitterer Augenblick: er bat Gott um ſeinen Tod in derſelben<lb/>
Stunde; aber er konnte ſich nicht weigern und mußte die<lb/>
Geſandtſchaft übernehmen. <noteplace="foot"n="1"><persNameref="http://d-nb.info/gnd/10085382X">Roͤhrich</persName>. Schreiben <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118516507">Butzers</persName> 16 Maͤrz im Arch. zu <placeName>Weimar</placeName>.</note> Doch erhielt <placeName>Straßburg</placeName> etwas<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[469/0481]
Ausſoͤhn. und Unterwerf. Straßburg.
Indeß waren, ausgenommen Conſtanz, alle andere ober-
ländiſche Städte mit dem Kaiſer ausgeſöhnt. Am härteſten
war es der Stadt Straßburg gefallen, die von einem Bür-
germeiſter geleitet, der an den allgemeinen Angelegenheiten
des Proteſtantismus den lebendigſten Antheil genommen,
auch nach dem Abzug der beiden Fürſten aus dem Feld
an den Grundſätzen des Bundes feſthielt, und Andre zum
Widerſtand mahnte. Auch hier aber machte man doch zu-
letzt die Betrachtung, daß man der kaiſerlichen Übermacht auf
die Länge nicht widerſtehn werde, es wäre denn, man hätte
ſich an Frankreich anſchließen wollen: ein Gedanke, den dieſe
Zeiten noch verabſcheuten und womit ihnen nicht einmal ge-
holfen geweſen wäre; daß der Wohlſtand der Stadt auf
den auswärtigen Handelsgeſchäften beruhe, worin ihr der
Kaiſer mit einem einzigen Federſtrich unwiederbringlichen Ab-
bruch thun könne; endlich daß der Kaiſer die ordentliche
Obrigkeit ſey. Es läßt ſich denken, in welche trübe Stim-
mung die leitenden Mitglieder des Rathes hierüber gerie-
then. „Ich habe“, ſchreibt Butzer, „unſern Herrn Jacob
Sturm mit vielen Thränen Gott bitten ſehen, ihm einzuge-
ben, was er rathen ſolle, damit es der Stadt zu Nutzen
und Wohlfahrt gereiche.“ Endlich aber behielt auch hier
der allgemeine Zug der Dinge die Oberhand. Jacob Sturm
war ſelbſt in der Geſandtſchaft die an den Kaiſer abgeord-
net wurde um ſich zu unterwerfen. Es war für ihn ein
bitterer Augenblick: er bat Gott um ſeinen Tod in derſelben
Stunde; aber er konnte ſich nicht weigern und mußte die
Geſandtſchaft übernehmen. 1 Doch erhielt Straßburg etwas
1 Roͤhrich. Schreiben Butzers 16 Maͤrz im Arch. zu Weimar.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 469. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/481>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.