garde, wie es Johann Friedrich nannte, im Felde zu er- scheinen.
Und in dem zeigte sich noch eine andre Bundesgenossen- schaft, welche die größten Erwartungen erregte, in den Län- dern der Krone Böhmen. Auch in den Lausitzen, in Schle- sien waren starke Regungen zu bemerken; in Prag erhob sich eine Bewegung der drohendsten Art. Auf die Aufforderung sich zum Kriege zu rüsten antwortete zuerst die Gemeine der Altstadt dem König, wider den Churfürsten von Sachsen könne sie nicht mit zu Felde gehn, da derselbe Leib und Blut Christi, wie sie, unter beiderlei Gestalt genieße, und sammt seinen Unterthanen in den meisten Artikeln mit ihr gleich- förmig sey. Der Altstadt traten Neustadt und Kleinseite bei; auf ihren Marktplätzen, durch ein Tedeum feierten sie diese ihre Vereinigung. Nun hatte der König seine Vasal- len nach Leitmeritz beschieden, um gleich von da den Zug nach Sachsen zu unternehmen; aber hier brach die Wider- setzlichkeit ganz offen aus. Nur der katholische Adel schloß sich an Ferdinand; allein er war eher in der Minderzahl: die Meisten traten auf die Seite der Prager Städte. 1 Gleich darauf sah man die utraquistischen Herrn und Edelleute aus zehn Kreisen in großen Schaaren wieder in Prag ankom- men: auch viele städtische Abgeordnete erschienen: die große Glocke am Tein, das alte Zeichen der Empörung, erscholl aufs neue: man begeisterte sich durch Absingen der eifrig- sten hussitischen Lieder, z. B. Wierni Christiane, worin die Hierarchie als ein Werk falscher Propheten verdammt wird:
1 Der königlichen May. mündliche Red zu Leutmeritza in Acta alter Handlungen etc. bei HortlederII, iii, 83. 767; besonders merk- würdig sind die Vorträge des Klenowsky.
Achtes Buch. Fuͤnftes Capitel.
garde, wie es Johann Friedrich nannte, im Felde zu er- ſcheinen.
Und in dem zeigte ſich noch eine andre Bundesgenoſſen- ſchaft, welche die größten Erwartungen erregte, in den Län- dern der Krone Böhmen. Auch in den Lauſitzen, in Schle- ſien waren ſtarke Regungen zu bemerken; in Prag erhob ſich eine Bewegung der drohendſten Art. Auf die Aufforderung ſich zum Kriege zu rüſten antwortete zuerſt die Gemeine der Altſtadt dem König, wider den Churfürſten von Sachſen könne ſie nicht mit zu Felde gehn, da derſelbe Leib und Blut Chriſti, wie ſie, unter beiderlei Geſtalt genieße, und ſammt ſeinen Unterthanen in den meiſten Artikeln mit ihr gleich- förmig ſey. Der Altſtadt traten Neuſtadt und Kleinſeite bei; auf ihren Marktplätzen, durch ein Tedeum feierten ſie dieſe ihre Vereinigung. Nun hatte der König ſeine Vaſal- len nach Leitmeritz beſchieden, um gleich von da den Zug nach Sachſen zu unternehmen; aber hier brach die Wider- ſetzlichkeit ganz offen aus. Nur der katholiſche Adel ſchloß ſich an Ferdinand; allein er war eher in der Minderzahl: die Meiſten traten auf die Seite der Prager Städte. 1 Gleich darauf ſah man die utraquiſtiſchen Herrn und Edelleute aus zehn Kreiſen in großen Schaaren wieder in Prag ankom- men: auch viele ſtädtiſche Abgeordnete erſchienen: die große Glocke am Tein, das alte Zeichen der Empörung, erſcholl aufs neue: man begeiſterte ſich durch Abſingen der eifrig- ſten huſſitiſchen Lieder, z. B. Wierni Chriſtiane, worin die Hierarchie als ein Werk falſcher Propheten verdammt wird:
1 Der koͤniglichen May. muͤndliche Red zu Leutmeritza in Acta alter Handlungen ꝛc. bei HortlederII, iii, 83. 767; beſonders merk- wuͤrdig ſind die Vortraͤge des Klenowsky.
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Achtes Buch. Fuͤnftes Capitel.
garde, wie es Johann Friedrich nannte, im Felde zu er-
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Und in dem zeigte ſich noch eine andre Bundesgenoſſen-
ſchaft, welche die größten Erwartungen erregte, in den Län-
dern der Krone Böhmen. Auch in den Lauſitzen, in Schle-
ſien waren ſtarke Regungen zu bemerken; in Prag erhob ſich
eine Bewegung der drohendſten Art. Auf die Aufforderung
ſich zum Kriege zu rüſten antwortete zuerſt die Gemeine der
Altſtadt dem König, wider den Churfürſten von Sachſen
könne ſie nicht mit zu Felde gehn, da derſelbe Leib und Blut
Chriſti, wie ſie, unter beiderlei Geſtalt genieße, und ſammt
ſeinen Unterthanen in den meiſten Artikeln mit ihr gleich-
förmig ſey. Der Altſtadt traten Neuſtadt und Kleinſeite
bei; auf ihren Marktplätzen, durch ein Tedeum feierten ſie
dieſe ihre Vereinigung. Nun hatte der König ſeine Vaſal-
len nach Leitmeritz beſchieden, um gleich von da den Zug
nach Sachſen zu unternehmen; aber hier brach die Wider-
ſetzlichkeit ganz offen aus. Nur der katholiſche Adel ſchloß
ſich an Ferdinand; allein er war eher in der Minderzahl:
die Meiſten traten auf die Seite der Prager Städte. 1 Gleich
darauf ſah man die utraquiſtiſchen Herrn und Edelleute aus
zehn Kreiſen in großen Schaaren wieder in Prag ankom-
men: auch viele ſtädtiſche Abgeordnete erſchienen: die große
Glocke am Tein, das alte Zeichen der Empörung, erſcholl
aufs neue: man begeiſterte ſich durch Abſingen der eifrig-
ſten huſſitiſchen Lieder, z. B. Wierni Chriſtiane, worin die
Hierarchie als ein Werk falſcher Propheten verdammt wird:
1 Der koͤniglichen May. muͤndliche Red zu Leutmeritza in Acta
alter Handlungen ꝛc. bei Hortleder II, iii, 83. 767; beſonders merk-
wuͤrdig ſind die Vortraͤge des Klenowsky.
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 500. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/512>, abgerufen am 24.11.2024.
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