Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.Achtes Buch. Fünftes Capitel. stanten hatten den Kaiser, der in der Pein der Krankheit insFeld gegangen, noch in Nürnberg ungern Jemand vor sich ließ, beinahe als einen Verstorbenen betrachtet: wie ein ein- balsamirter Leichnam, wie ein Gespenst rücke er gegen sie an; aber sie kannten diese kranke, schwächliche, scheinbar ver- kommende Natur nicht, die sich dann mit Einem Male wie- der in aller ursprünglichen Energie erhob und das Ziel das sie vor sich sah, unaufhaltsam verfolgte: im Felde war der Kai- ser gesund und munter: täglich stand er früh um vier Uhr auf; auch heute erschien er, noch einmal sehr ritterlich an- zusehen, ganz in blanken Waffen, mit dem rothen goldgestreif- ten burgundischen Feldzeichen, begierig sich zu rächen und des Sieges im voraus gewiß. Während nun unter seinen Augen die Schiffbrücke her- Wohl sehr möglich, daß ihnen Johann Friedrich mit Achtes Buch. Fuͤnftes Capitel. ſtanten hatten den Kaiſer, der in der Pein der Krankheit insFeld gegangen, noch in Nürnberg ungern Jemand vor ſich ließ, beinahe als einen Verſtorbenen betrachtet: wie ein ein- balſamirter Leichnam, wie ein Geſpenſt rücke er gegen ſie an; aber ſie kannten dieſe kranke, ſchwächliche, ſcheinbar ver- kommende Natur nicht, die ſich dann mit Einem Male wie- der in aller urſprünglichen Energie erhob und das Ziel das ſie vor ſich ſah, unaufhaltſam verfolgte: im Felde war der Kai- ſer geſund und munter: täglich ſtand er früh um vier Uhr auf; auch heute erſchien er, noch einmal ſehr ritterlich an- zuſehen, ganz in blanken Waffen, mit dem rothen goldgeſtreif- ten burgundiſchen Feldzeichen, begierig ſich zu rächen und des Sieges im voraus gewiß. Während nun unter ſeinen Augen die Schiffbrücke her- Wohl ſehr möglich, daß ihnen Johann Friedrich mit <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0526" n="514"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Achtes Buch. Fuͤnftes Capitel</hi>.</fw><lb/> ſtanten hatten den Kaiſer, der in der Pein der Krankheit ins<lb/> Feld gegangen, noch in <placeName>Nürnberg</placeName> ungern Jemand vor ſich<lb/> ließ, beinahe als einen Verſtorbenen betrachtet: wie ein ein-<lb/> balſamirter Leichnam, wie ein Geſpenſt rücke er gegen ſie<lb/> an; aber ſie kannten dieſe kranke, ſchwächliche, ſcheinbar ver-<lb/> kommende Natur nicht, die ſich dann mit Einem Male wie-<lb/> der in aller urſprünglichen Energie erhob und das Ziel das ſie<lb/> vor ſich ſah, unaufhaltſam verfolgte: im Felde war der Kai-<lb/> ſer geſund und munter: täglich ſtand er früh um vier Uhr<lb/> auf; auch heute erſchien er, noch einmal ſehr ritterlich an-<lb/> zuſehen, ganz in blanken Waffen, mit dem rothen goldgeſtreif-<lb/> ten burgundiſchen Feldzeichen, begierig ſich zu rächen und des<lb/> Sieges im voraus gewiß.</p><lb/> <p>Während nun unter ſeinen Augen die Schiffbrücke her-<lb/> geſtellt wurde, und die ſchwere Reiterei ſo wie das Fußvolk<lb/> in aller Ordnung über den Fluß gieng, eilten <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118686704">Alba</persName> und<lb/><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118584138">Moritz</persName> dem zurückziehenden Feinde nach. Die leichten ita-<lb/> lieniſchen Pferde und die Huſaren hatten ihn bald erreicht.<lb/> Die Huſaren mit ihren ſpitzen bunten Schilden und überaus<lb/> langen Speeren, die ſie beide mit großer Behendigkeit zu ge-<lb/> brauchen wußten, verſetzten den Krieg wie er an den türki-<lb/> ſchen Grenzen geführt ward, jetzt in das <placeName>Elbthal</placeName>. Sie riſſen<lb/> das Hofgeſind des Herzog <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118584138">Moritz</persName> ſtürmiſch mit ſich fort.</p><lb/> <p>Wohl ſehr möglich, daß ihnen <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118712373">Johann Friedrich</persName> mit<lb/> ſeinen ausgeraſteten Pferden, und mit einem Geſchütz welches<lb/> zahlkeich genug geweſen wäre um einen kleinen Anfall ab-<lb/> zuwehren, entgehn, wenn es ihm Ernſt war noch am Abend<lb/><placeName>Wittenberg</placeName> hätte erreichen können. Auch ward ihm das vor-<lb/> geſchlagen. Es iſt ſo recht ein Zeichen ſeiner ehrlichen Ge-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [514/0526]
Achtes Buch. Fuͤnftes Capitel.
ſtanten hatten den Kaiſer, der in der Pein der Krankheit ins
Feld gegangen, noch in Nürnberg ungern Jemand vor ſich
ließ, beinahe als einen Verſtorbenen betrachtet: wie ein ein-
balſamirter Leichnam, wie ein Geſpenſt rücke er gegen ſie
an; aber ſie kannten dieſe kranke, ſchwächliche, ſcheinbar ver-
kommende Natur nicht, die ſich dann mit Einem Male wie-
der in aller urſprünglichen Energie erhob und das Ziel das ſie
vor ſich ſah, unaufhaltſam verfolgte: im Felde war der Kai-
ſer geſund und munter: täglich ſtand er früh um vier Uhr
auf; auch heute erſchien er, noch einmal ſehr ritterlich an-
zuſehen, ganz in blanken Waffen, mit dem rothen goldgeſtreif-
ten burgundiſchen Feldzeichen, begierig ſich zu rächen und des
Sieges im voraus gewiß.
Während nun unter ſeinen Augen die Schiffbrücke her-
geſtellt wurde, und die ſchwere Reiterei ſo wie das Fußvolk
in aller Ordnung über den Fluß gieng, eilten Alba und
Moritz dem zurückziehenden Feinde nach. Die leichten ita-
lieniſchen Pferde und die Huſaren hatten ihn bald erreicht.
Die Huſaren mit ihren ſpitzen bunten Schilden und überaus
langen Speeren, die ſie beide mit großer Behendigkeit zu ge-
brauchen wußten, verſetzten den Krieg wie er an den türki-
ſchen Grenzen geführt ward, jetzt in das Elbthal. Sie riſſen
das Hofgeſind des Herzog Moritz ſtürmiſch mit ſich fort.
Wohl ſehr möglich, daß ihnen Johann Friedrich mit
ſeinen ausgeraſteten Pferden, und mit einem Geſchütz welches
zahlkeich genug geweſen wäre um einen kleinen Anfall ab-
zuwehren, entgehn, wenn es ihm Ernſt war noch am Abend
Wittenberg hätte erreichen können. Auch ward ihm das vor-
geſchlagen. Es iſt ſo recht ein Zeichen ſeiner ehrlichen Ge-
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