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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Siebentes Buch. Zweites Capitel.
fassung; 1 hätte man hartnäckig seyn wollen, so würde an dem
Einen Wort noch alles haben scheitern können. Luther hatte von
dem Churfürsten die ausdrückliche Anweisung, von der erkann-
ten Wahrheit nicht abzuweichen. Was aber Melanchthon be-
merkt, daß man durch den Streit mit den Gegnern auch diesseit
vieles gelernt habe, davon zeigte Luther durch die That daß es
auch an ihm wahr sey. Er sah wohl ein, daß wenn er seinen
Ausdruck mit voller Strenge festgehalten hätte, auch Türken
und Juden Theilnahme an dem Mysterium zugeschrieben, der
Begriff der Impanation, den er selber verwarf, hergestellt wor-
den wäre. "Nur der Gottlosen halben", sagte Luther end-
lich, "stoßt ihr euch: darüber wollen wir nicht zanken: wir
erkennen euch und nehmen euch an als unsere lieben Brü-

1 Die Versicherung Butzers, daß er in Wittenberg den Unter-
schied zwischen Gottlosen und Unwürdigen hervorgehoben, hat man
in Zweifel gestellt, ja ganz verworfen. Planck (III, 380) meint, der
Umstand würde der ganzen Concordie eine andre Gestalt geben, doch
sey in den übrigen Nachrichten nichts davon zu finden, und wahr-
scheinlich habe Butzer einen Unterschied den er später machte, antici-
pirt und in jene Zeit gesetzt. Nun findet sich aber in einer authen-
tischen Relation: Handelung und Vergleichung der Theologen zu Wit-
tenberg
(in Luthers W. Altenb. VI, 1045) die Sache doch eben so.
Da erklärt Butzer: "Das hätte in ihren Kirchen zu viel grob lau-
ten wollen, daß sie solten gelehret haben (man hatte es ohne Zwei-
fel von ihnen verlangt) daß auch die Gottlosen den Leib Christi em-
pfiengen." Er fährt dann fort: "Dagegen wolten sie dem nicht zu
wider seyn, daß nach dem Spruche Pauli die Unwürdigen auch den
Leib und das Blut Christi empfiengen." Luther sagt: "Wir haben
gehört daß ihr gläubet, -- stosset euch allein der Gottlosen halben,
bekennet aber doch, daß die Unwürdigen den Leib des Herrn nicht ver-
kehren werden." In der Relation des Myconius scheint impius in
der Bedeutung von unfromm genommen zu werden; Butzer verstand
aber ohne Zweifel unter impius einen Ungläubigen, und das Argu-
ment, auch Judas habe doch im Garten den wahren Leib Christi um-
faßt, konnte auf ihn wenig wirken. Die Sache selbst erhellt dann
noch aus der Articulorum concordiae declaratio quam habuit Bu-
cerus
. Corp. Ref. III, p.
80.

Siebentes Buch. Zweites Capitel.
faſſung; 1 hätte man hartnäckig ſeyn wollen, ſo würde an dem
Einen Wort noch alles haben ſcheitern können. Luther hatte von
dem Churfürſten die ausdrückliche Anweiſung, von der erkann-
ten Wahrheit nicht abzuweichen. Was aber Melanchthon be-
merkt, daß man durch den Streit mit den Gegnern auch dieſſeit
vieles gelernt habe, davon zeigte Luther durch die That daß es
auch an ihm wahr ſey. Er ſah wohl ein, daß wenn er ſeinen
Ausdruck mit voller Strenge feſtgehalten hätte, auch Türken
und Juden Theilnahme an dem Myſterium zugeſchrieben, der
Begriff der Impanation, den er ſelber verwarf, hergeſtellt wor-
den wäre. „Nur der Gottloſen halben“, ſagte Luther end-
lich, „ſtoßt ihr euch: darüber wollen wir nicht zanken: wir
erkennen euch und nehmen euch an als unſere lieben Brü-

1 Die Verſicherung Butzers, daß er in Wittenberg den Unter-
ſchied zwiſchen Gottloſen und Unwuͤrdigen hervorgehoben, hat man
in Zweifel geſtellt, ja ganz verworfen. Planck (III, 380) meint, der
Umſtand wuͤrde der ganzen Concordie eine andre Geſtalt geben, doch
ſey in den uͤbrigen Nachrichten nichts davon zu finden, und wahr-
ſcheinlich habe Butzer einen Unterſchied den er ſpaͤter machte, antici-
pirt und in jene Zeit geſetzt. Nun findet ſich aber in einer authen-
tiſchen Relation: Handelung und Vergleichung der Theologen zu Wit-
tenberg
(in Luthers W. Altenb. VI, 1045) die Sache doch eben ſo.
Da erklaͤrt Butzer: „Das haͤtte in ihren Kirchen zu viel grob lau-
ten wollen, daß ſie ſolten gelehret haben (man hatte es ohne Zwei-
fel von ihnen verlangt) daß auch die Gottloſen den Leib Chriſti em-
pfiengen.“ Er faͤhrt dann fort: „Dagegen wolten ſie dem nicht zu
wider ſeyn, daß nach dem Spruche Pauli die Unwuͤrdigen auch den
Leib und das Blut Chriſti empfiengen.“ Luther ſagt: „Wir haben
gehoͤrt daß ihr glaͤubet, — ſtoſſet euch allein der Gottloſen halben,
bekennet aber doch, daß die Unwuͤrdigen den Leib des Herrn nicht ver-
kehren werden.“ In der Relation des Myconius ſcheint impius in
der Bedeutung von unfromm genommen zu werden; Butzer verſtand
aber ohne Zweifel unter impius einen Unglaͤubigen, und das Argu-
ment, auch Judas habe doch im Garten den wahren Leib Chriſti um-
faßt, konnte auf ihn wenig wirken. Die Sache ſelbſt erhellt dann
noch aus der Articulorum concordiae declaratio quam habuit Bu-
cerus
. Corp. Ref. III, p.
80.
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[84/0096] Siebentes Buch. Zweites Capitel. faſſung; 1 hätte man hartnäckig ſeyn wollen, ſo würde an dem Einen Wort noch alles haben ſcheitern können. Luther hatte von dem Churfürſten die ausdrückliche Anweiſung, von der erkann- ten Wahrheit nicht abzuweichen. Was aber Melanchthon be- merkt, daß man durch den Streit mit den Gegnern auch dieſſeit vieles gelernt habe, davon zeigte Luther durch die That daß es auch an ihm wahr ſey. Er ſah wohl ein, daß wenn er ſeinen Ausdruck mit voller Strenge feſtgehalten hätte, auch Türken und Juden Theilnahme an dem Myſterium zugeſchrieben, der Begriff der Impanation, den er ſelber verwarf, hergeſtellt wor- den wäre. „Nur der Gottloſen halben“, ſagte Luther end- lich, „ſtoßt ihr euch: darüber wollen wir nicht zanken: wir erkennen euch und nehmen euch an als unſere lieben Brü- 1 Die Verſicherung Butzers, daß er in Wittenberg den Unter- ſchied zwiſchen Gottloſen und Unwuͤrdigen hervorgehoben, hat man in Zweifel geſtellt, ja ganz verworfen. Planck (III, 380) meint, der Umſtand wuͤrde der ganzen Concordie eine andre Geſtalt geben, doch ſey in den uͤbrigen Nachrichten nichts davon zu finden, und wahr- ſcheinlich habe Butzer einen Unterſchied den er ſpaͤter machte, antici- pirt und in jene Zeit geſetzt. Nun findet ſich aber in einer authen- tiſchen Relation: Handelung und Vergleichung der Theologen zu Wit- tenberg (in Luthers W. Altenb. VI, 1045) die Sache doch eben ſo. Da erklaͤrt Butzer: „Das haͤtte in ihren Kirchen zu viel grob lau- ten wollen, daß ſie ſolten gelehret haben (man hatte es ohne Zwei- fel von ihnen verlangt) daß auch die Gottloſen den Leib Chriſti em- pfiengen.“ Er faͤhrt dann fort: „Dagegen wolten ſie dem nicht zu wider ſeyn, daß nach dem Spruche Pauli die Unwuͤrdigen auch den Leib und das Blut Chriſti empfiengen.“ Luther ſagt: „Wir haben gehoͤrt daß ihr glaͤubet, — ſtoſſet euch allein der Gottloſen halben, bekennet aber doch, daß die Unwuͤrdigen den Leib des Herrn nicht ver- kehren werden.“ In der Relation des Myconius ſcheint impius in der Bedeutung von unfromm genommen zu werden; Butzer verſtand aber ohne Zweifel unter impius einen Unglaͤubigen, und das Argu- ment, auch Judas habe doch im Garten den wahren Leib Chriſti um- faßt, konnte auf ihn wenig wirken. Die Sache ſelbſt erhellt dann noch aus der Articulorum concordiae declaratio quam habuit Bu- cerus. Corp. Ref. III, p. 80.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/96>, abgerufen am 18.05.2024.