Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.Stellung und Politik Carls V. Die Macht die er besaß, war nichts Fertiges, Abgeschlosse-nes, sondern etwas noch immerfort Werdendes, Sich-ent- wickelndes: noch hatte er nach allen Seiten hin Ansprüche und Pläne, an die er große Gedanken anknüpfte. Die For- derung die er an seine Landschaften stellte war hauptsächlich, ihn bei Verfolgung derselben in seinen auswärtigen Ange- legenheiten zu unterstützen, mit Leuten, Waffen und Geld: besonders mit Geld, wofür alles andre leicht zu bekommen war: sie dazu zu stimmen, bildete einen vorzüglichen Gesichts- punct seiner Staatsverwaltung. Es leuchtet ein, daß die de- liberativen Versammlungen, die früher überall auf eine wenn gleich minder mächtige, aber doch unabhängige centrale Re- gierung Einfluß gehabt, dadurch nicht wenig verloren. Gar bald finden wir in Castilien zwar noch die Städte sich ver- sammeln, welche Bewilligungen machen, nicht aber die Gran- den und hohen Prälaten, die den Königen einst Gesetze ge- geben. Nicht mehr die großen Angelegenheiten, deren Ent- scheidung früher von Wirkung und Rückwirkung der entge- gengesetzten Parteien abhieng, sondern nur provincielle In- teressen kamen überall in den ständischen Versammlungen zur Sprache. Überhaupt muß man sagen daß die Regierung Carls V dem Prinzip ständischer, republicanischer oder muni- cipaler Freiheit nicht günstig war. In Italien wollte er auch da, wo er nicht seine Herrschaft, nur seinen Einfluß gegründet, keine freie Bewegung der Kräfte, die leicht zu einem ihm un- bequemen Umschwung hätte führen können. Er hat Florenz den Medici überliefert, in Genua alles gethan um das Über- gewicht der Doria zu befestigen. Der letzte Mann der die Herstellung der republikanischen Freiheiten in Italien in Sinn Stellung und Politik Carls V. Die Macht die er beſaß, war nichts Fertiges, Abgeſchloſſe-nes, ſondern etwas noch immerfort Werdendes, Sich-ent- wickelndes: noch hatte er nach allen Seiten hin Anſprüche und Pläne, an die er große Gedanken anknüpfte. Die For- derung die er an ſeine Landſchaften ſtellte war hauptſächlich, ihn bei Verfolgung derſelben in ſeinen auswärtigen Ange- legenheiten zu unterſtützen, mit Leuten, Waffen und Geld: beſonders mit Geld, wofür alles andre leicht zu bekommen war: ſie dazu zu ſtimmen, bildete einen vorzüglichen Geſichts- punct ſeiner Staatsverwaltung. Es leuchtet ein, daß die de- liberativen Verſammlungen, die früher überall auf eine wenn gleich minder mächtige, aber doch unabhängige centrale Re- gierung Einfluß gehabt, dadurch nicht wenig verloren. Gar bald finden wir in Caſtilien zwar noch die Städte ſich ver- ſammeln, welche Bewilligungen machen, nicht aber die Gran- den und hohen Prälaten, die den Königen einſt Geſetze ge- geben. Nicht mehr die großen Angelegenheiten, deren Ent- ſcheidung früher von Wirkung und Rückwirkung der entge- gengeſetzten Parteien abhieng, ſondern nur provincielle In- tereſſen kamen überall in den ſtändiſchen Verſammlungen zur Sprache. Überhaupt muß man ſagen daß die Regierung Carls V dem Prinzip ſtändiſcher, republicaniſcher oder muni- cipaler Freiheit nicht günſtig war. In Italien wollte er auch da, wo er nicht ſeine Herrſchaft, nur ſeinen Einfluß gegründet, keine freie Bewegung der Kräfte, die leicht zu einem ihm un- bequemen Umſchwung hätte führen können. Er hat Florenz den Medici überliefert, in Genua alles gethan um das Über- gewicht der Doria zu befeſtigen. 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Stellung und Politik Carls V.
Die Macht die er beſaß, war nichts Fertiges, Abgeſchloſſe-
nes, ſondern etwas noch immerfort Werdendes, Sich-ent-
wickelndes: noch hatte er nach allen Seiten hin Anſprüche
und Pläne, an die er große Gedanken anknüpfte. Die For-
derung die er an ſeine Landſchaften ſtellte war hauptſächlich,
ihn bei Verfolgung derſelben in ſeinen auswärtigen Ange-
legenheiten zu unterſtützen, mit Leuten, Waffen und Geld:
beſonders mit Geld, wofür alles andre leicht zu bekommen
war: ſie dazu zu ſtimmen, bildete einen vorzüglichen Geſichts-
punct ſeiner Staatsverwaltung. Es leuchtet ein, daß die de-
liberativen Verſammlungen, die früher überall auf eine wenn
gleich minder mächtige, aber doch unabhängige centrale Re-
gierung Einfluß gehabt, dadurch nicht wenig verloren. Gar
bald finden wir in Caſtilien zwar noch die Städte ſich ver-
ſammeln, welche Bewilligungen machen, nicht aber die Gran-
den und hohen Prälaten, die den Königen einſt Geſetze ge-
geben. Nicht mehr die großen Angelegenheiten, deren Ent-
ſcheidung früher von Wirkung und Rückwirkung der entge-
gengeſetzten Parteien abhieng, ſondern nur provincielle In-
tereſſen kamen überall in den ſtändiſchen Verſammlungen zur
Sprache. Überhaupt muß man ſagen daß die Regierung
Carls V dem Prinzip ſtändiſcher, republicaniſcher oder muni-
cipaler Freiheit nicht günſtig war. In Italien wollte er auch
da, wo er nicht ſeine Herrſchaft, nur ſeinen Einfluß gegründet,
keine freie Bewegung der Kräfte, die leicht zu einem ihm un-
bequemen Umſchwung hätte führen können. Er hat Florenz
den Medici überliefert, in Genua alles gethan um das Über-
gewicht der Doria zu befeſtigen. Der letzte Mann der die
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