Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.Neuntes Buch. Drittes Capitel. Gegenwart, mit sich allein, in der Ruhe des Cabinets, er-wog der Herr -- denn mit diesem und keinem andern Na- men wird er in seinem Hause bezeichnet -- die aufgestell- ten Fragen, und entschied sie mit Ja oder Nein, Worte die er an den Rand des Blattes schrieb, zuweilen mit ein paar näheren Bestimmungen. Alle Morgen trug der Kammer- diener Adrian, eine wichtige Person an diesem Hofe, da er die Stimmung des Augenblickes kannte, -- man sagt, es sey ihm zu Statten gekommen daß er weder lesen noch schreiben konnte -- die Papiere hin und her. 1 Conferen- zen folgten, doch waren sie nicht so häufig, wie man glau- ben sollte: in schriftlichem Verfahren wurden die Beschlüsse eingeleitet und gereift. Überhaupt gieng es am Hofe des Kaisers sehr still 1 Dieser Adriano della camera spielt in den Berichten der Gesandten, z. B. der florentinischen, immer eine Rolle. 2 Cose da generar humori, wie Badoero sagt. Er klagte
einst gegen Monfalcourt, daß die Speisen unschmackhaft bereitet wür- den; dieser drohte ihm: di far fare una nuova vivanda di polaggi et horologi. Badoero wiederholt freilich nur den Ruf des Hofes, aber er sagt unumwunden: e stato nei piaceri venerei di non tem- perata volonta. Neuntes Buch. Drittes Capitel. Gegenwart, mit ſich allein, in der Ruhe des Cabinets, er-wog der Herr — denn mit dieſem und keinem andern Na- men wird er in ſeinem Hauſe bezeichnet — die aufgeſtell- ten Fragen, und entſchied ſie mit Ja oder Nein, Worte die er an den Rand des Blattes ſchrieb, zuweilen mit ein paar näheren Beſtimmungen. Alle Morgen trug der Kammer- diener Adrian, eine wichtige Perſon an dieſem Hofe, da er die Stimmung des Augenblickes kannte, — man ſagt, es ſey ihm zu Statten gekommen daß er weder leſen noch ſchreiben konnte — die Papiere hin und her. 1 Conferen- zen folgten, doch waren ſie nicht ſo häufig, wie man glau- ben ſollte: in ſchriftlichem Verfahren wurden die Beſchlüſſe eingeleitet und gereift. Überhaupt gieng es am Hofe des Kaiſers ſehr ſtill 1 Dieſer Adriano della camera ſpielt in den Berichten der Geſandten, z. B. der florentiniſchen, immer eine Rolle. 2 Cose da generar humori, wie Badoero ſagt. Er klagte
einſt gegen Monfalcourt, daß die Speiſen unſchmackhaft bereitet wuͤr- den; dieſer drohte ihm: di far fare una nuova vivanda di polaggi et horologi. Badoero wiederholt freilich nur den Ruf des Hofes, aber er ſagt unumwunden: è stato nei piaceri venerei di non tem- perata volontà. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0118" n="106"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Neuntes Buch. Drittes Capitel</hi>.</fw><lb/> Gegenwart, mit ſich allein, in der Ruhe des Cabinets, er-<lb/> wog der Herr — denn mit dieſem und keinem andern Na-<lb/> men wird er in ſeinem Hauſe bezeichnet — die aufgeſtell-<lb/> ten Fragen, und entſchied ſie mit Ja oder Nein, Worte die<lb/> er an den Rand des Blattes ſchrieb, zuweilen mit ein paar<lb/> näheren Beſtimmungen. Alle Morgen trug der Kammer-<lb/> diener Adrian, eine wichtige Perſon an dieſem Hofe, da er<lb/> die Stimmung des Augenblickes kannte, — man ſagt, es<lb/> ſey ihm zu Statten gekommen daß er weder leſen noch<lb/> ſchreiben konnte — die Papiere hin und her. <note place="foot" n="1">Dieſer <hi rendition="#aq">Adriano della camera</hi> ſpielt in den Berichten der<lb/> Geſandten, z. B. der florentiniſchen, immer eine Rolle.</note> Conferen-<lb/> zen folgten, doch waren ſie nicht ſo häufig, wie man glau-<lb/> ben ſollte: in ſchriftlichem Verfahren wurden die Beſchlüſſe<lb/> eingeleitet und gereift.</p><lb/> <p>Überhaupt gieng es am Hofe des Kaiſers ſehr ſtill<lb/> her. Er verſchmähte ſinnliche Genüſſe nicht, wie er denn<lb/> zu viel und zu gut aß: <note place="foot" n="2"><hi rendition="#aq">Cose da generar humori,</hi> wie Badoero ſagt. Er klagte<lb/> einſt gegen Monfalcourt, daß die Speiſen unſchmackhaft bereitet wuͤr-<lb/> den; dieſer drohte ihm: <hi rendition="#aq">di far fare una nuova vivanda di polaggi<lb/> et horologi.</hi> Badoero wiederholt freilich nur den Ruf des Hofes,<lb/> aber er ſagt unumwunden: <hi rendition="#aq">è stato nei piaceri venerei di non tem-<lb/> perata volontà.</hi></note> von andern Unordnungen möchte<lb/> er, wenigſtens während ſeines Witwerſtandes, nicht frei zu<lb/> ſprechen ſeyn; dagegen war an lärmende Vergnügungen,<lb/> Feſtlichkeiten, äußere Pracht bei ihm nicht zu denken: zu-<lb/> mal da die Krankheit ſein gewöhnlicher Zuſtand und Ge-<lb/> ſundheit die Ausnahme war. Schon im Februar 1549<lb/> wird er uns geſchildert, wie er mit gebücktem Rücken,<lb/> todtenbleich, mit farbloſer Lippe, in ſeinem Zimmer am<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [106/0118]
Neuntes Buch. Drittes Capitel.
Gegenwart, mit ſich allein, in der Ruhe des Cabinets, er-
wog der Herr — denn mit dieſem und keinem andern Na-
men wird er in ſeinem Hauſe bezeichnet — die aufgeſtell-
ten Fragen, und entſchied ſie mit Ja oder Nein, Worte die
er an den Rand des Blattes ſchrieb, zuweilen mit ein paar
näheren Beſtimmungen. Alle Morgen trug der Kammer-
diener Adrian, eine wichtige Perſon an dieſem Hofe, da er
die Stimmung des Augenblickes kannte, — man ſagt, es
ſey ihm zu Statten gekommen daß er weder leſen noch
ſchreiben konnte — die Papiere hin und her. 1 Conferen-
zen folgten, doch waren ſie nicht ſo häufig, wie man glau-
ben ſollte: in ſchriftlichem Verfahren wurden die Beſchlüſſe
eingeleitet und gereift.
Überhaupt gieng es am Hofe des Kaiſers ſehr ſtill
her. Er verſchmähte ſinnliche Genüſſe nicht, wie er denn
zu viel und zu gut aß: 2 von andern Unordnungen möchte
er, wenigſtens während ſeines Witwerſtandes, nicht frei zu
ſprechen ſeyn; dagegen war an lärmende Vergnügungen,
Feſtlichkeiten, äußere Pracht bei ihm nicht zu denken: zu-
mal da die Krankheit ſein gewöhnlicher Zuſtand und Ge-
ſundheit die Ausnahme war. Schon im Februar 1549
wird er uns geſchildert, wie er mit gebücktem Rücken,
todtenbleich, mit farbloſer Lippe, in ſeinem Zimmer am
1 Dieſer Adriano della camera ſpielt in den Berichten der
Geſandten, z. B. der florentiniſchen, immer eine Rolle.
2 Cose da generar humori, wie Badoero ſagt. Er klagte
einſt gegen Monfalcourt, daß die Speiſen unſchmackhaft bereitet wuͤr-
den; dieſer drohte ihm: di far fare una nuova vivanda di polaggi
et horologi. Badoero wiederholt freilich nur den Ruf des Hofes,
aber er ſagt unumwunden: è stato nei piaceri venerei di non tem-
perata volontà.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |