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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

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Die Protestanten in Trient.

Zum ersten Mal berührte das protestantische Prinzip
die conciliaren Bestrebungen unmittelbar; die Rede rührt ohne
Zweifel von Melanchthon her; sie hatte an dem Concil den
größten Erfolg.

"In voller Sitzung", ruft der Bischof von Orense
freudig aus, "haben sie ausgesprochen, was wir uns nicht
zu sagen getrauen." Er urtheilt, in den Reden der Prote-
stanten finde sich neben Schlechtem doch auch vieles Gute;
sehr weislich habe der Legat dafür gesorgt, daß sie nicht von
einer größern Anzahl gehört worden seyen. 1

"Das Schlachtfeld ist eröffnet," sagt Vargas: "Me-
lanchthon und seine Gefährten können nun nicht mehr ver-
weigern zu erscheinen: aber es ist nothwendig daß sie eilen."
Er bemerkt, der Papst und seine Minister seyen in hohem
Grade erschrocken: es scheine ihnen, als gehe die Absicht
des Kaisers auf eine durchgreifende Reformation.

Daß dem wirklich so war, ergiebt sich unter andern
auch aus einem Schreiben Malvendas. So lebhaft er sonst
die Protestanten bekämpft hat, so ist er doch mit ihren Re-
formtendenzen höchlich zufrieden. Er findet, da nun einmal
die Sache so öffentlich zur Sprache gekommen, so könne
S. Majestät nun auch den Papst erinnern, ja bei Pflicht
und Ehre und Gewissen auffordern, die alten Mißbräuche
zu heben.

Schon glaubte sich der Legat so ernstlich gefährdet, daß
er mit einem Schreiben des Kaisers hervortrat, worin die-
ser versprach, die Opposition seiner Bischöfe gegen die päpst-
liche Gewalt zu verhindern. Doch machte er damit nur

1 24 Januar. Bei Levassor p. 472.
Die Proteſtanten in Trient.

Zum erſten Mal berührte das proteſtantiſche Prinzip
die conciliaren Beſtrebungen unmittelbar; die Rede rührt ohne
Zweifel von Melanchthon her; ſie hatte an dem Concil den
größten Erfolg.

„In voller Sitzung“, ruft der Biſchof von Orenſe
freudig aus, „haben ſie ausgeſprochen, was wir uns nicht
zu ſagen getrauen.“ Er urtheilt, in den Reden der Prote-
ſtanten finde ſich neben Schlechtem doch auch vieles Gute;
ſehr weislich habe der Legat dafür geſorgt, daß ſie nicht von
einer größern Anzahl gehört worden ſeyen. 1

„Das Schlachtfeld iſt eröffnet,“ ſagt Vargas: „Me-
lanchthon und ſeine Gefährten können nun nicht mehr ver-
weigern zu erſcheinen: aber es iſt nothwendig daß ſie eilen.“
Er bemerkt, der Papſt und ſeine Miniſter ſeyen in hohem
Grade erſchrocken: es ſcheine ihnen, als gehe die Abſicht
des Kaiſers auf eine durchgreifende Reformation.

Daß dem wirklich ſo war, ergiebt ſich unter andern
auch aus einem Schreiben Malvendas. So lebhaft er ſonſt
die Proteſtanten bekämpft hat, ſo iſt er doch mit ihren Re-
formtendenzen höchlich zufrieden. Er findet, da nun einmal
die Sache ſo öffentlich zur Sprache gekommen, ſo könne
S. Majeſtät nun auch den Papſt erinnern, ja bei Pflicht
und Ehre und Gewiſſen auffordern, die alten Mißbräuche
zu heben.

Schon glaubte ſich der Legat ſo ernſtlich gefährdet, daß
er mit einem Schreiben des Kaiſers hervortrat, worin die-
ſer verſprach, die Oppoſition ſeiner Biſchöfe gegen die päpſt-
liche Gewalt zu verhindern. Doch machte er damit nur

1 24 Januar. Bei Levaſſor p. 472.
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[137/0149] Die Proteſtanten in Trient. Zum erſten Mal berührte das proteſtantiſche Prinzip die conciliaren Beſtrebungen unmittelbar; die Rede rührt ohne Zweifel von Melanchthon her; ſie hatte an dem Concil den größten Erfolg. „In voller Sitzung“, ruft der Biſchof von Orenſe freudig aus, „haben ſie ausgeſprochen, was wir uns nicht zu ſagen getrauen.“ Er urtheilt, in den Reden der Prote- ſtanten finde ſich neben Schlechtem doch auch vieles Gute; ſehr weislich habe der Legat dafür geſorgt, daß ſie nicht von einer größern Anzahl gehört worden ſeyen. 1 „Das Schlachtfeld iſt eröffnet,“ ſagt Vargas: „Me- lanchthon und ſeine Gefährten können nun nicht mehr ver- weigern zu erſcheinen: aber es iſt nothwendig daß ſie eilen.“ Er bemerkt, der Papſt und ſeine Miniſter ſeyen in hohem Grade erſchrocken: es ſcheine ihnen, als gehe die Abſicht des Kaiſers auf eine durchgreifende Reformation. Daß dem wirklich ſo war, ergiebt ſich unter andern auch aus einem Schreiben Malvendas. So lebhaft er ſonſt die Proteſtanten bekämpft hat, ſo iſt er doch mit ihren Re- formtendenzen höchlich zufrieden. Er findet, da nun einmal die Sache ſo öffentlich zur Sprache gekommen, ſo könne S. Majeſtät nun auch den Papſt erinnern, ja bei Pflicht und Ehre und Gewiſſen auffordern, die alten Mißbräuche zu heben. Schon glaubte ſich der Legat ſo ernſtlich gefährdet, daß er mit einem Schreiben des Kaiſers hervortrat, worin die- ſer verſprach, die Oppoſition ſeiner Biſchöfe gegen die päpſt- liche Gewalt zu verhindern. Doch machte er damit nur 1 24 Januar. Bei Levaſſor p. 472.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/149>, abgerufen am 24.11.2024.