Gelegenheit, wenn der Kaiser über Meer gehe, oder wenn sich ihm diesseit ein neuer Krieg erhebe.
Auf diese letzte Wahrscheinlichkeit hatte vielleicht von allen Deutschen zuerst Markgraf Albrecht von Culmbach bei einer Anwesenheit in Weißenfels schon im Frühjahr 1550 die Aufmerksamkeit gelenkt. Er sagte, der eine von diesen Fürsten habe den Wahlspruch: Mehr, weiter! der andre zum Zeichen den zunehmenden Mond mit dem Worte "bis er voll wird": jeder wolle größer werden; aber der eine werde abnehmen, der andre, der die Welt noch nicht so gut ge- witzigt habe, fortschreiten und wachsen; Heinrich II könne dem Kaiser wohl einen Schlag beibringen, so schlimm, als sein Vater jemals von diesem erlitten.
Seit dem Frieden Heinrichs II mit England konnte sich Niemand verbergen, daß ein Wiederausbruch des Krieges zwischen den beiden großen Mächten bevorstehe.
Wie aber wenn alsdann der König von Frankreich die Oberhand behielt? Er machte kein Hehl daraus, daß er sich der verjagten Fürsten und Kriegsmänner annehmen und sie zurückführen werde. Ein Vorhaben, voll Gefahr für Alle welche den schmalkaldischen Bund zerstören helfen und die Partei des Kaisers gehalten. Moritz ward erinnert, wie schlechte Nachbarn er an den wiederhergestellten Grafen von Mansfeld oder dem eignen Vetter haben werden. 1
Schon früh, im Sommer des Jahres 1550, finden sich Spuren einer Annäherung des Churfürsten an den Kö- nig von Frankreich, der seine Augen auf jede mögliche Op-
1 Schreiben des Markgrafen an Albrecht 22 März 1550 aus dem Dresdener Archiv (im Anhang).
Neuntes Buch. Fuͤnftes Capitel.
Gelegenheit, wenn der Kaiſer über Meer gehe, oder wenn ſich ihm dieſſeit ein neuer Krieg erhebe.
Auf dieſe letzte Wahrſcheinlichkeit hatte vielleicht von allen Deutſchen zuerſt Markgraf Albrecht von Culmbach bei einer Anweſenheit in Weißenfels ſchon im Frühjahr 1550 die Aufmerkſamkeit gelenkt. Er ſagte, der eine von dieſen Fürſten habe den Wahlſpruch: Mehr, weiter! der andre zum Zeichen den zunehmenden Mond mit dem Worte „bis er voll wird“: jeder wolle größer werden; aber der eine werde abnehmen, der andre, der die Welt noch nicht ſo gut ge- witzigt habe, fortſchreiten und wachſen; Heinrich II könne dem Kaiſer wohl einen Schlag beibringen, ſo ſchlimm, als ſein Vater jemals von dieſem erlitten.
Seit dem Frieden Heinrichs II mit England konnte ſich Niemand verbergen, daß ein Wiederausbruch des Krieges zwiſchen den beiden großen Mächten bevorſtehe.
Wie aber wenn alsdann der König von Frankreich die Oberhand behielt? Er machte kein Hehl daraus, daß er ſich der verjagten Fürſten und Kriegsmänner annehmen und ſie zurückführen werde. Ein Vorhaben, voll Gefahr für Alle welche den ſchmalkaldiſchen Bund zerſtören helfen und die Partei des Kaiſers gehalten. Moritz ward erinnert, wie ſchlechte Nachbarn er an den wiederhergeſtellten Grafen von Mansfeld oder dem eignen Vetter haben werden. 1
Schon früh, im Sommer des Jahres 1550, finden ſich Spuren einer Annäherung des Churfürſten an den Kö- nig von Frankreich, der ſeine Augen auf jede mögliche Op-
1 Schreiben des Markgrafen an Albrecht 22 Maͤrz 1550 aus dem Dresdener Archiv (im Anhang).
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0218"n="206"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Neuntes Buch. Fuͤnftes Capitel</hi>.</fw><lb/>
Gelegenheit, wenn der Kaiſer über Meer gehe, oder wenn<lb/>ſich ihm dieſſeit ein neuer Krieg erhebe.</p><lb/><p>Auf dieſe letzte Wahrſcheinlichkeit hatte vielleicht von<lb/>
allen Deutſchen zuerſt Markgraf Albrecht von Culmbach bei<lb/>
einer Anweſenheit in Weißenfels ſchon im Frühjahr 1550<lb/>
die Aufmerkſamkeit gelenkt. Er ſagte, der eine von dieſen<lb/>
Fürſten habe den Wahlſpruch: Mehr, weiter! der andre zum<lb/>
Zeichen den zunehmenden Mond mit dem Worte „bis er<lb/>
voll wird“: jeder wolle größer werden; aber der eine werde<lb/>
abnehmen, der andre, der die Welt noch nicht ſo gut ge-<lb/>
witzigt habe, fortſchreiten und wachſen; Heinrich <hirendition="#aq">II</hi> könne<lb/>
dem Kaiſer wohl einen Schlag beibringen, ſo ſchlimm, als<lb/>ſein Vater jemals von dieſem erlitten.</p><lb/><p>Seit dem Frieden Heinrichs <hirendition="#aq">II</hi> mit England konnte ſich<lb/>
Niemand verbergen, daß ein Wiederausbruch des Krieges<lb/>
zwiſchen den beiden großen Mächten bevorſtehe.</p><lb/><p>Wie aber wenn alsdann der König von Frankreich die<lb/>
Oberhand behielt? Er machte kein Hehl daraus, daß er<lb/>ſich der verjagten Fürſten und Kriegsmänner annehmen und<lb/>ſie zurückführen werde. Ein Vorhaben, voll Gefahr für Alle<lb/>
welche den ſchmalkaldiſchen Bund zerſtören helfen und die<lb/>
Partei des Kaiſers gehalten. Moritz ward erinnert, wie<lb/>ſchlechte Nachbarn er an den wiederhergeſtellten Grafen von<lb/>
Mansfeld oder dem eignen Vetter haben werden. <noteplace="foot"n="1">Schreiben des Markgrafen an Albrecht 22 Maͤrz 1550 aus<lb/>
dem Dresdener Archiv (im Anhang).</note></p><lb/><p>Schon früh, im Sommer des Jahres 1550, finden<lb/>ſich Spuren einer Annäherung des Churfürſten an den Kö-<lb/>
nig von Frankreich, der ſeine Augen auf jede mögliche Op-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[206/0218]
Neuntes Buch. Fuͤnftes Capitel.
Gelegenheit, wenn der Kaiſer über Meer gehe, oder wenn
ſich ihm dieſſeit ein neuer Krieg erhebe.
Auf dieſe letzte Wahrſcheinlichkeit hatte vielleicht von
allen Deutſchen zuerſt Markgraf Albrecht von Culmbach bei
einer Anweſenheit in Weißenfels ſchon im Frühjahr 1550
die Aufmerkſamkeit gelenkt. Er ſagte, der eine von dieſen
Fürſten habe den Wahlſpruch: Mehr, weiter! der andre zum
Zeichen den zunehmenden Mond mit dem Worte „bis er
voll wird“: jeder wolle größer werden; aber der eine werde
abnehmen, der andre, der die Welt noch nicht ſo gut ge-
witzigt habe, fortſchreiten und wachſen; Heinrich II könne
dem Kaiſer wohl einen Schlag beibringen, ſo ſchlimm, als
ſein Vater jemals von dieſem erlitten.
Seit dem Frieden Heinrichs II mit England konnte ſich
Niemand verbergen, daß ein Wiederausbruch des Krieges
zwiſchen den beiden großen Mächten bevorſtehe.
Wie aber wenn alsdann der König von Frankreich die
Oberhand behielt? Er machte kein Hehl daraus, daß er
ſich der verjagten Fürſten und Kriegsmänner annehmen und
ſie zurückführen werde. Ein Vorhaben, voll Gefahr für Alle
welche den ſchmalkaldiſchen Bund zerſtören helfen und die
Partei des Kaiſers gehalten. Moritz ward erinnert, wie
ſchlechte Nachbarn er an den wiederhergeſtellten Grafen von
Mansfeld oder dem eignen Vetter haben werden. 1
Schon früh, im Sommer des Jahres 1550, finden
ſich Spuren einer Annäherung des Churfürſten an den Kö-
nig von Frankreich, der ſeine Augen auf jede mögliche Op-
1 Schreiben des Markgrafen an Albrecht 22 Maͤrz 1550 aus
dem Dresdener Archiv (im Anhang).
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/218>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.