denden Augenblicke die Erbitterung zwischen beiden größer war als je.
Paul III fürchtete nichts mehr als die Übermacht eines neu emporkommenden Kaiserthums. So auffallend es auf allgemeinem Standpunct aussieht, daß er im Frühjahr 1547 dem Vorfechter des Protestantismus eher den Sieg wünschte, so gewiß ist es doch: mit Freuden vernahm er die Nach- richt von jenem Rochlitzer Ereigniß; der Hof gab zu erken- nen, wie sehr er wünschte den Kaiser in Ungelegenheiten ver- wickelt zu sehen. Dem König Franz ließ man von Rom aus noch wissen, er könne nichts Nützlicheres thun, als Die- jenigen unterstützen, von denen dem Kaiser Widerstand ge- leistet werde; mit dem Nachfolger desselben, Heinrich II, trat der alte Papst sofort in die engste Verbindung: er brachte die Vermählung seines Enkels Horatio mit einer natürlichen Tochter des neuen Königs zu Stande. Hierauf war von einer dem Kaiser entgegenzusetzenden Ligue zwischen Frankreich, Ve- nedig und dem Papst unaufhörlich die Rede. Alle Gegner des Kaisers und seiner Partei sahen in dem Papst und sei- nem Hause ihre natürlichen Häupter. Pier Luigi Farnese, der Sohn des Papstes, hatte an allen Bewegungen gegen den Kaiser einen mehr oder minder zu Tage liegenden Antheil.
Welch ein Schlag ohne Gleichen war es da, daß eben dieser Pier Luigi am 10ten September 1547 in Piacenza ermordet ward.
Er hatte daselbst im Sinne der italienischen Tyrannen alter Schule regiert, die Vorrechte der Edelleute aufgeho- ben, die Bauern diesen zwar gleichgestellt, aber dann mit harten Frohnden belastet, eine Menge Gesetze gegeben, die
Neuntes Buch. Erſtes Capitel.
denden Augenblicke die Erbitterung zwiſchen beiden größer war als je.
Paul III fürchtete nichts mehr als die Übermacht eines neu emporkommenden Kaiſerthums. So auffallend es auf allgemeinem Standpunct ausſieht, daß er im Frühjahr 1547 dem Vorfechter des Proteſtantismus eher den Sieg wünſchte, ſo gewiß iſt es doch: mit Freuden vernahm er die Nach- richt von jenem Rochlitzer Ereigniß; der Hof gab zu erken- nen, wie ſehr er wünſchte den Kaiſer in Ungelegenheiten ver- wickelt zu ſehen. Dem König Franz ließ man von Rom aus noch wiſſen, er könne nichts Nützlicheres thun, als Die- jenigen unterſtützen, von denen dem Kaiſer Widerſtand ge- leiſtet werde; mit dem Nachfolger deſſelben, Heinrich II, trat der alte Papſt ſofort in die engſte Verbindung: er brachte die Vermählung ſeines Enkels Horatio mit einer natürlichen Tochter des neuen Königs zu Stande. Hierauf war von einer dem Kaiſer entgegenzuſetzenden Ligue zwiſchen Frankreich, Ve- nedig und dem Papſt unaufhörlich die Rede. Alle Gegner des Kaiſers und ſeiner Partei ſahen in dem Papſt und ſei- nem Hauſe ihre natürlichen Häupter. Pier Luigi Farneſe, der Sohn des Papſtes, hatte an allen Bewegungen gegen den Kaiſer einen mehr oder minder zu Tage liegenden Antheil.
Welch ein Schlag ohne Gleichen war es da, daß eben dieſer Pier Luigi am 10ten September 1547 in Piacenza ermordet ward.
Er hatte daſelbſt im Sinne der italieniſchen Tyrannen alter Schule regiert, die Vorrechte der Edelleute aufgeho- ben, die Bauern dieſen zwar gleichgeſtellt, aber dann mit harten Frohnden belaſtet, eine Menge Geſetze gegeben, die
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Neuntes Buch. Erſtes Capitel.
denden Augenblicke die Erbitterung zwiſchen beiden größer
war als je.
Paul III fürchtete nichts mehr als die Übermacht eines
neu emporkommenden Kaiſerthums. So auffallend es auf
allgemeinem Standpunct ausſieht, daß er im Frühjahr 1547
dem Vorfechter des Proteſtantismus eher den Sieg wünſchte,
ſo gewiß iſt es doch: mit Freuden vernahm er die Nach-
richt von jenem Rochlitzer Ereigniß; der Hof gab zu erken-
nen, wie ſehr er wünſchte den Kaiſer in Ungelegenheiten ver-
wickelt zu ſehen. Dem König Franz ließ man von Rom
aus noch wiſſen, er könne nichts Nützlicheres thun, als Die-
jenigen unterſtützen, von denen dem Kaiſer Widerſtand ge-
leiſtet werde; mit dem Nachfolger deſſelben, Heinrich II, trat
der alte Papſt ſofort in die engſte Verbindung: er brachte
die Vermählung ſeines Enkels Horatio mit einer natürlichen
Tochter des neuen Königs zu Stande. Hierauf war von einer
dem Kaiſer entgegenzuſetzenden Ligue zwiſchen Frankreich, Ve-
nedig und dem Papſt unaufhörlich die Rede. Alle Gegner
des Kaiſers und ſeiner Partei ſahen in dem Papſt und ſei-
nem Hauſe ihre natürlichen Häupter. Pier Luigi Farneſe,
der Sohn des Papſtes, hatte an allen Bewegungen gegen
den Kaiſer einen mehr oder minder zu Tage liegenden Antheil.
Welch ein Schlag ohne Gleichen war es da, daß eben
dieſer Pier Luigi am 10ten September 1547 in Piacenza
ermordet ward.
Er hatte daſelbſt im Sinne der italieniſchen Tyrannen
alter Schule regiert, die Vorrechte der Edelleute aufgeho-
ben, die Bauern dieſen zwar gleichgeſtellt, aber dann mit
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/22>, abgerufen am 21.11.2024.
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