Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.Aussichten. genoß, sollte ihm dienen, sie um sich zu sammeln. KöniginMaria rechnete auf die Anhänglichkeit von Nürnberg und Frankfurt. Ein Gedanke taucht von Zeit zu Zeit auf, der die weiteste Aussicht eröffnet hätte, nemlich der, sich mit dem in den meisten Territorien schwierigen Adel zu verbünden und ihn gegen die Landesherren aufzurufen. Johann Fried- rich meinte, der Kaiser müsse nur vor allem erklären, daß er das Wort Gottes nicht verfolgen wolle, und die freie Predigt erlauben, damit werde er die Zuneigung der deut- schen Nation wiedererwerben. Er rieth ihm den alten from- men Churfürsten von Cölln wiederherzustellen: dann wolle er, Johann Friedrich, die Heerführung selber übernehmen und das feindliche Heer gewiß aus einander sprengen. 1 Wir sehen: noch schien alles möglich. Verlieren wir uns jedoch nicht in das Allzuentlegene, 1 Les points et articles que le duc Jehann Frederic de
Saxe a faict par le secretaire Obernburger, 23 Mai. (Br. A.) Ausſichten. genoß, ſollte ihm dienen, ſie um ſich zu ſammeln. KöniginMaria rechnete auf die Anhänglichkeit von Nürnberg und Frankfurt. Ein Gedanke taucht von Zeit zu Zeit auf, der die weiteſte Ausſicht eröffnet hätte, nemlich der, ſich mit dem in den meiſten Territorien ſchwierigen Adel zu verbünden und ihn gegen die Landesherren aufzurufen. Johann Fried- rich meinte, der Kaiſer müſſe nur vor allem erklären, daß er das Wort Gottes nicht verfolgen wolle, und die freie Predigt erlauben, damit werde er die Zuneigung der deut- ſchen Nation wiedererwerben. Er rieth ihm den alten from- men Churfürſten von Cölln wiederherzuſtellen: dann wolle er, Johann Friedrich, die Heerführung ſelber übernehmen und das feindliche Heer gewiß aus einander ſprengen. 1 Wir ſehen: noch ſchien alles möglich. Verlieren wir uns jedoch nicht in das Allzuentlegene, 1 Les points et articles que le duc Jehann Frederic de
Saxe a faict par le secretaire Obernburger, 23 Mai. (Br. A.) <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0261" n="249"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Ausſichten</hi>.</fw><lb/> genoß, ſollte ihm dienen, ſie um ſich zu ſammeln. Königin<lb/> Maria rechnete auf die Anhänglichkeit von Nürnberg und<lb/> Frankfurt. Ein Gedanke taucht von Zeit zu Zeit auf, der<lb/> die weiteſte Ausſicht eröffnet hätte, nemlich der, ſich mit dem<lb/> in den meiſten Territorien ſchwierigen Adel zu verbünden<lb/> und ihn gegen die Landesherren aufzurufen. Johann Fried-<lb/> rich meinte, der Kaiſer müſſe nur vor allem erklären, daß<lb/> er das Wort Gottes nicht verfolgen wolle, und die freie<lb/> Predigt erlauben, damit werde er die Zuneigung der deut-<lb/> ſchen Nation wiedererwerben. Er rieth ihm den alten from-<lb/> men Churfürſten von Cölln wiederherzuſtellen: dann wolle<lb/> er, Johann Friedrich, die Heerführung ſelber übernehmen<lb/> und das feindliche Heer gewiß aus einander ſprengen. <note place="foot" n="1"><hi rendition="#aq">Les points et articles que le duc Jehann Frederic de<lb/> Saxe a faict par le secretaire Obernburger, 23 Mai.</hi> (Br. A.)</note></p><lb/> <p>Wir ſehen: noch ſchien alles möglich.</p><lb/> <p>Verlieren wir uns jedoch nicht in das Allzuentlegene,<lb/> ſo iſt die Hauptſache daß ein europäiſcher Krieg ausgebro-<lb/> chen war, der Deutſchland wieder in der Mitte zerſchnitt.<lb/> Es mußte ſich zeigen, ob in dem Kampfe der beiden großen<lb/> Mächte die Deutſchen vollends unter einander zerfallen, oder<lb/> ob ſie — denn auch dieſe Möglichkeit ſtellte ſich dar — zwi-<lb/> ſchen denſelben zu einer erneuten Selbſtändigkeit gelangen<lb/> würden.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </body> </text> </TEI> [249/0261]
Ausſichten.
genoß, ſollte ihm dienen, ſie um ſich zu ſammeln. Königin
Maria rechnete auf die Anhänglichkeit von Nürnberg und
Frankfurt. Ein Gedanke taucht von Zeit zu Zeit auf, der
die weiteſte Ausſicht eröffnet hätte, nemlich der, ſich mit dem
in den meiſten Territorien ſchwierigen Adel zu verbünden
und ihn gegen die Landesherren aufzurufen. Johann Fried-
rich meinte, der Kaiſer müſſe nur vor allem erklären, daß
er das Wort Gottes nicht verfolgen wolle, und die freie
Predigt erlauben, damit werde er die Zuneigung der deut-
ſchen Nation wiedererwerben. Er rieth ihm den alten from-
men Churfürſten von Cölln wiederherzuſtellen: dann wolle
er, Johann Friedrich, die Heerführung ſelber übernehmen
und das feindliche Heer gewiß aus einander ſprengen. 1
Wir ſehen: noch ſchien alles möglich.
Verlieren wir uns jedoch nicht in das Allzuentlegene,
ſo iſt die Hauptſache daß ein europäiſcher Krieg ausgebro-
chen war, der Deutſchland wieder in der Mitte zerſchnitt.
Es mußte ſich zeigen, ob in dem Kampfe der beiden großen
Mächte die Deutſchen vollends unter einander zerfallen, oder
ob ſie — denn auch dieſe Möglichkeit ſtellte ſich dar — zwi-
ſchen denſelben zu einer erneuten Selbſtändigkeit gelangen
würden.
1 Les points et articles que le duc Jehann Frederic de
Saxe a faict par le secretaire Obernburger, 23 Mai. (Br. A.)
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |