Erstes Capitel. Verhandlungen zu Linz und zu Passau.
Es mußte wohl so seyn, daß ein Fürst von der Her- kunft, Weltstellung und Gesinnung wie Carl V Absichten faßte wie er sie gefaßt hat, und bei den Kräften die er ein- setzen konnte, dem Talent das ihm eigen war, und den Feh- lern die seine Gegner begiengen, in ihrer Ausführung so weit vorschritt.
Die Nothwendigkeit der Dinge brachte aber doch mit sich, daß er damit nicht zu Ende kommen konnte.
Er verfocht Ideen der formellen Einheit der abendlän- dischen Christenheit, welche noch nicht aufgegeben, von den bestehenden Zuständen und den Meinungen der Menschen noch nicht ausgeschieden waren, aber doch auch weder die einen noch die andern mehr beherrschten.
Viel zu entwickelt, mächtig und voll Selbstgefühl wa- ren die andern europäischen Reiche, um sich ein Übergewicht des Kaiserthums gefallen zu lassen.
Und viel zu tief war der Widerwille gegen die vor- nehmste Repräsentation der geistlichen Einheit gewurzelt, der Widerspruch der wider sie erhoben ward, viel zu gut begrün-
Erſtes Capitel. Verhandlungen zu Linz und zu Paſſau.
Es mußte wohl ſo ſeyn, daß ein Fürſt von der Her- kunft, Weltſtellung und Geſinnung wie Carl V Abſichten faßte wie er ſie gefaßt hat, und bei den Kräften die er ein- ſetzen konnte, dem Talent das ihm eigen war, und den Feh- lern die ſeine Gegner begiengen, in ihrer Ausführung ſo weit vorſchritt.
Die Nothwendigkeit der Dinge brachte aber doch mit ſich, daß er damit nicht zu Ende kommen konnte.
Er verfocht Ideen der formellen Einheit der abendlän- diſchen Chriſtenheit, welche noch nicht aufgegeben, von den beſtehenden Zuſtänden und den Meinungen der Menſchen noch nicht ausgeſchieden waren, aber doch auch weder die einen noch die andern mehr beherrſchten.
Viel zu entwickelt, mächtig und voll Selbſtgefühl wa- ren die andern europäiſchen Reiche, um ſich ein Übergewicht des Kaiſerthums gefallen zu laſſen.
Und viel zu tief war der Widerwille gegen die vor- nehmſte Repräſentation der geiſtlichen Einheit gewurzelt, der Widerſpruch der wider ſie erhoben ward, viel zu gut begrün-
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Erſtes Capitel.
Verhandlungen zu Linz und zu Paſſau.
Es mußte wohl ſo ſeyn, daß ein Fürſt von der Her-
kunft, Weltſtellung und Geſinnung wie Carl V Abſichten
faßte wie er ſie gefaßt hat, und bei den Kräften die er ein-
ſetzen konnte, dem Talent das ihm eigen war, und den Feh-
lern die ſeine Gegner begiengen, in ihrer Ausführung ſo
weit vorſchritt.
Die Nothwendigkeit der Dinge brachte aber doch mit
ſich, daß er damit nicht zu Ende kommen konnte.
Er verfocht Ideen der formellen Einheit der abendlän-
diſchen Chriſtenheit, welche noch nicht aufgegeben, von den
beſtehenden Zuſtänden und den Meinungen der Menſchen
noch nicht ausgeſchieden waren, aber doch auch weder die
einen noch die andern mehr beherrſchten.
Viel zu entwickelt, mächtig und voll Selbſtgefühl wa-
ren die andern europäiſchen Reiche, um ſich ein Übergewicht
des Kaiſerthums gefallen zu laſſen.
Und viel zu tief war der Widerwille gegen die vor-
nehmſte Repräſentation der geiſtlichen Einheit gewurzelt, der
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. [253]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/265>, abgerufen am 24.11.2024.
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