Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.Zehntes Buch. Siebentes Capitel. sich der Widerspruch von einer andern Seite her in tumul-tuarischer Aufwallung. In einer ähnlichen Stellung wie damals die Zwinglia- 1 Scito quosdam praecipue odio mei eam disputationem movere, ut habeant plausibilem causam ad me opprimendum. An Calvin 14 Oct. 1554. Corp. Ref. VIII, 362. 2 Calvin bezeigt in der Defensio ad Westphalum, Opp. VIII,
785, sein Erstaunen darüber. Mihine, qui piae sacraeque concilia- tioni semper dedi operam, haec merces nunc referenda est? Eben dieß Mißverständniß der Gegner gab ihm aber die Überlegenheit, die in jener Streitschrift unverkennbar ist. Zehntes Buch. Siebentes Capitel. ſich der Widerſpruch von einer andern Seite her in tumul-tuariſcher Aufwallung. In einer ähnlichen Stellung wie damals die Zwinglia- 1 Scito quosdam praecipue odio mei eam disputationem movere, ut habeant plausibilem causam ad me opprimendum. An Calvin 14 Oct. 1554. Corp. Ref. VIII, 362. 2 Calvin bezeigt in der Defensio ad Westphalum, Opp. VIII,
785, ſein Erſtaunen daruͤber. Mihine, qui piae sacraeque concilia- tioni semper dedi operam, haec merces nunc referenda est? Eben dieß Mißverſtaͤndniß der Gegner gab ihm aber die Uͤberlegenheit, die in jener Streitſchrift unverkennbar iſt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0470" n="458"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zehntes Buch. Siebentes Capitel</hi>.</fw><lb/> ſich der Widerſpruch von einer andern Seite her in tumul-<lb/> tuariſcher Aufwallung.</p><lb/> <p>In einer ähnlichen Stellung wie damals die Zwinglia-<lb/> ner in Bern, welche die lutheriſchen Meinungen verdrängt<lb/> hatten, waren die Lutheraner in den niederdeutſchen Städten:<lb/> ihre Herrſchaft gründete ſich auf eine Unterdrückung zwinglia-<lb/> niſirender Meinungen, die hier einmal ſehr ſtark geweſen, und<lb/> jetzt, ſobald nur eine Annäherung dazu in Bremen hervor-<lb/> tauchte, ſich plötzlich wieder lebhaft regten. Dafür, daß Cal-<lb/> vin eine vermittelnde Richtung verfolgt, der dieſſeitigen Auf-<lb/> faſſung in ihrem Weſen bei den alten Gegnern Raum ge-<lb/> macht, hatten die Niederdeutſchen keine Augen. Sie bemerk-<lb/> ten nur die Hinneigungen nach der Zwingliſchen Seite, ſie<lb/> faßten einige anzügliche Ausdrücke auf, durch welche ihnen<lb/> das Gedächtniß Luthers verunglimpft zu ſeyn ſchien, das<lb/> vielleicht auch mehr hätte geſchont werden können: mit hef-<lb/> tiger Leidenſchaft begannen ſie den Krieg. Die frühern,<lb/> ſchon in Gang geſetzten Streitigkeiten ſtrömten bald mit die-<lb/> ſer zuſammen: Melanchthon meinte von Anfang, er ſey<lb/> es hauptſächlich, dem auch dieſer Angriff gelte. <note place="foot" n="1"><hi rendition="#aq">Scito quosdam praecipue odio mei eam disputationem<lb/> movere, ut habeant plausibilem causam ad me opprimendum.</hi> An<lb/> Calvin 14 Oct. 1554. <hi rendition="#aq">Corp. Ref. VIII,</hi> 362.</note> Mochte<lb/> denn nun auch Calvin ſie auf den wahren Stand der Dinge<lb/> aufmerkſam machen, <note place="foot" n="2">Calvin bezeigt in der <hi rendition="#aq">Defensio ad Westphalum, Opp. VIII,</hi><lb/> 785, ſein Erſtaunen daruͤber. <hi rendition="#aq">Mihine, qui piae sacraeque concilia-<lb/> tioni semper dedi operam, haec merces nunc referenda est?</hi> Eben<lb/> dieß Mißverſtaͤndniß der Gegner gab ihm aber die Uͤberlegenheit, die<lb/> in jener Streitſchrift unverkennbar iſt.</note> ſo blieben ſie dabei, ihn mit Zwingli<lb/> gleich zu achten. Sie ihrerſeits forderten jetzt die ſchrofferen<lb/> Ausdrücke der ungeänderten augsburgiſchen Confeſſion zu-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [458/0470]
Zehntes Buch. Siebentes Capitel.
ſich der Widerſpruch von einer andern Seite her in tumul-
tuariſcher Aufwallung.
In einer ähnlichen Stellung wie damals die Zwinglia-
ner in Bern, welche die lutheriſchen Meinungen verdrängt
hatten, waren die Lutheraner in den niederdeutſchen Städten:
ihre Herrſchaft gründete ſich auf eine Unterdrückung zwinglia-
niſirender Meinungen, die hier einmal ſehr ſtark geweſen, und
jetzt, ſobald nur eine Annäherung dazu in Bremen hervor-
tauchte, ſich plötzlich wieder lebhaft regten. Dafür, daß Cal-
vin eine vermittelnde Richtung verfolgt, der dieſſeitigen Auf-
faſſung in ihrem Weſen bei den alten Gegnern Raum ge-
macht, hatten die Niederdeutſchen keine Augen. Sie bemerk-
ten nur die Hinneigungen nach der Zwingliſchen Seite, ſie
faßten einige anzügliche Ausdrücke auf, durch welche ihnen
das Gedächtniß Luthers verunglimpft zu ſeyn ſchien, das
vielleicht auch mehr hätte geſchont werden können: mit hef-
tiger Leidenſchaft begannen ſie den Krieg. Die frühern,
ſchon in Gang geſetzten Streitigkeiten ſtrömten bald mit die-
ſer zuſammen: Melanchthon meinte von Anfang, er ſey
es hauptſächlich, dem auch dieſer Angriff gelte. 1 Mochte
denn nun auch Calvin ſie auf den wahren Stand der Dinge
aufmerkſam machen, 2 ſo blieben ſie dabei, ihn mit Zwingli
gleich zu achten. Sie ihrerſeits forderten jetzt die ſchrofferen
Ausdrücke der ungeänderten augsburgiſchen Confeſſion zu-
1 Scito quosdam praecipue odio mei eam disputationem
movere, ut habeant plausibilem causam ad me opprimendum. An
Calvin 14 Oct. 1554. Corp. Ref. VIII, 362.
2 Calvin bezeigt in der Defensio ad Westphalum, Opp. VIII,
785, ſein Erſtaunen daruͤber. Mihine, qui piae sacraeque concilia-
tioni semper dedi operam, haec merces nunc referenda est? Eben
dieß Mißverſtaͤndniß der Gegner gab ihm aber die Uͤberlegenheit, die
in jener Streitſchrift unverkennbar iſt.
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