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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

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Medicin. (Paracelsus.)
auf den deutschen Universitäten gelehrt; der Canon des Avi-
cenna, der Commentar des Johann d'Arcoli über eine Schrift
Arrasi's waren die geschätztesten Lehrbücher, die man z. B.
noch in den zwanziger Jahren des sechszehnten Jahrhunderts
in Wittenberg brauchte. 1 Es leuchtet ein, daß auf diesem
Grunde die Kunst nicht gedeihen konnte, zumal da sich ihr
eine große Anzahl mittelmäßiger Köpfe widmete, die man
ohne Schwierigkeit zu Doctoren erhob.

Man muß sich diesen Zustand vergegenwärtigen, um die
Opposition des Paracelsus dagegen zu begreifen. Im ho-
hen Gebirg aufgewachsen, wo sich mancherlei sonst verschwun-
dene Kenntnisse erhalten hatten, im Umgang mit Geistlichen
von geheimnißvoller Erfahrung, mit Freunden chymischer
Versuche, wie Siegmund Fugger zu Schwatz, in stetem Ver-
kehr mit Bergleuten, Hüttenarbeitern, dem gemeinen Mann
überhaupt, hatte Paracelsus nicht allein Mittel kennen gelernt
und durch glückliche Curen erprobt, sondern sich auch Welt-
ansichten gebildet, die allem widersprachen was auf den ho-
hen Schulen galt. Als er 1527 zu Basel auftrat, erklärte
er zuvörderst, daß er nichts auf fremde Autorität lehren werde.
Er spottete über den Proceß der ererbten Recepte; den Ca-
non des Avicenna hat er einst in ein Johannisfeuer ge-
worfen; er wollte von nichts als von der Natur hören. 2
Denn nur die Bücher seyen wahrhaft und ohne Falsch
welche Gott geschrieben: die Elemente müsse man studiren,

1 Adami Vitae Medicorum p. 38. Praelegebantur Avicenna,
qui princeps totius artis habebatur, Rasis deinde, etc.
2 So Christus spricht: perscrutamini scripturas, warum sollt
ich nicht auch sagen: perscrutamini naturas rerum? Die erst De-
fension Opp. III, 163.

Medicin. (Paracelſus.)
auf den deutſchen Univerſitäten gelehrt; der Canon des Avi-
cenna, der Commentar des Johann d’Arcoli über eine Schrift
Arraſi’s waren die geſchätzteſten Lehrbücher, die man z. B.
noch in den zwanziger Jahren des ſechszehnten Jahrhunderts
in Wittenberg brauchte. 1 Es leuchtet ein, daß auf dieſem
Grunde die Kunſt nicht gedeihen konnte, zumal da ſich ihr
eine große Anzahl mittelmäßiger Köpfe widmete, die man
ohne Schwierigkeit zu Doctoren erhob.

Man muß ſich dieſen Zuſtand vergegenwärtigen, um die
Oppoſition des Paracelſus dagegen zu begreifen. Im ho-
hen Gebirg aufgewachſen, wo ſich mancherlei ſonſt verſchwun-
dene Kenntniſſe erhalten hatten, im Umgang mit Geiſtlichen
von geheimnißvoller Erfahrung, mit Freunden chymiſcher
Verſuche, wie Siegmund Fugger zu Schwatz, in ſtetem Ver-
kehr mit Bergleuten, Hüttenarbeitern, dem gemeinen Mann
überhaupt, hatte Paracelſus nicht allein Mittel kennen gelernt
und durch glückliche Curen erprobt, ſondern ſich auch Welt-
anſichten gebildet, die allem widerſprachen was auf den ho-
hen Schulen galt. Als er 1527 zu Baſel auftrat, erklärte
er zuvörderſt, daß er nichts auf fremde Autorität lehren werde.
Er ſpottete über den Proceß der ererbten Recepte; den Ca-
non des Avicenna hat er einſt in ein Johannisfeuer ge-
worfen; er wollte von nichts als von der Natur hören. 2
Denn nur die Bücher ſeyen wahrhaft und ohne Falſch
welche Gott geſchrieben: die Elemente müſſe man ſtudiren,

1 Adami Vitae Medicorum p. 38. Praelegebantur Avicenna,
qui princeps totius artis habebatur, Rasis deinde, etc.
2 So Chriſtus ſpricht: perscrutamini scripturas, warum ſollt
ich nicht auch ſagen: perscrutamini naturas rerum? Die erſt De-
fenſion Opp. III, 163.
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[475/0487] Medicin. (Paracelſus.) auf den deutſchen Univerſitäten gelehrt; der Canon des Avi- cenna, der Commentar des Johann d’Arcoli über eine Schrift Arraſi’s waren die geſchätzteſten Lehrbücher, die man z. B. noch in den zwanziger Jahren des ſechszehnten Jahrhunderts in Wittenberg brauchte. 1 Es leuchtet ein, daß auf dieſem Grunde die Kunſt nicht gedeihen konnte, zumal da ſich ihr eine große Anzahl mittelmäßiger Köpfe widmete, die man ohne Schwierigkeit zu Doctoren erhob. Man muß ſich dieſen Zuſtand vergegenwärtigen, um die Oppoſition des Paracelſus dagegen zu begreifen. Im ho- hen Gebirg aufgewachſen, wo ſich mancherlei ſonſt verſchwun- dene Kenntniſſe erhalten hatten, im Umgang mit Geiſtlichen von geheimnißvoller Erfahrung, mit Freunden chymiſcher Verſuche, wie Siegmund Fugger zu Schwatz, in ſtetem Ver- kehr mit Bergleuten, Hüttenarbeitern, dem gemeinen Mann überhaupt, hatte Paracelſus nicht allein Mittel kennen gelernt und durch glückliche Curen erprobt, ſondern ſich auch Welt- anſichten gebildet, die allem widerſprachen was auf den ho- hen Schulen galt. Als er 1527 zu Baſel auftrat, erklärte er zuvörderſt, daß er nichts auf fremde Autorität lehren werde. Er ſpottete über den Proceß der ererbten Recepte; den Ca- non des Avicenna hat er einſt in ein Johannisfeuer ge- worfen; er wollte von nichts als von der Natur hören. 2 Denn nur die Bücher ſeyen wahrhaft und ohne Falſch welche Gott geſchrieben: die Elemente müſſe man ſtudiren, 1 Adami Vitae Medicorum p. 38. Praelegebantur Avicenna, qui princeps totius artis habebatur, Rasis deinde, etc. 2 So Chriſtus ſpricht: perscrutamini scripturas, warum ſollt ich nicht auch ſagen: perscrutamini naturas rerum? Die erſt De- fenſion Opp. III, 163.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 475. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/487>, abgerufen am 22.11.2024.