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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

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Medicin. (Cornarus.)

Merkwürdigerweise war es ein Landsmann Haloanders,
Johann Cornarus, der die Bahn hiezu brach. In Witten-
berg auf die Nothwendigkeit sich vor allem des Hippokra-
tes wieder zu bemächtigen aufmerksam gemacht, unternahm
er hiezu eine Reise nach Italien, aber schon in Basel kam
ihm so zu sagen sein Autor selber entgegen: im Jahr 1526
war der griechische Text von Aldus, wiewohl sehr uncor-
rect, gedruckt worden, und vor kurzem angelangt. Bei dem
ersten Studium durchdrang sich Cornarus noch mehr mit der
Überzeugung, daß die Griechen die einzigen wahren Meister
der Heilkunde seyen, die man nur zuvörderst wieder bekannt
machen müsse. Mit Hülfe einiger Handschriften die Froben
herbeischaffte, stellte er einen bei weitem richtigern Text auf,
und konnte es dann wagen auch eine Übersetzung zu ver-
suchen: 1 ein Werk, von dem sein Lebensbeschreiber rühmt,
es werde seit zwei Jahrtausenden in der lateinischen Sprache
vermißt: so ganz fühlte man sich diesseit noch als wesentlichen
Bestandtheil der alten lateinischen Culturwelt. Hierauf er-
scheinen an den Universitäten Vorlesungen über Hippokrates
und den ächten Galen, dem Cornarus einen ähnlichen Fleiß
zuwandte; bei der Prüfung der Doctoranden legte man wohl
eine Stelle aus den Aphorismen, oder eine Definition Ga-
lens zur Erklärung vor. Es begann eine allgemeine Re-
action gegen die Araber. Leonhard Fuchs, ein glücklicher
Nebenbuhler des Cornarus, sah ihre Wissenschaft fast aus
dem Standpunct einer nationalen Feindseligkeit an: als eine
solche, durch die, wenn sie länger bestünde, der Untergang

1 Er fand alle frühern Versuche unbrauchbar, "tribus aut
quatuor ad summum libellis exceptis."
Medicin. (Cornarus.)

Merkwürdigerweiſe war es ein Landsmann Haloanders,
Johann Cornarus, der die Bahn hiezu brach. In Witten-
berg auf die Nothwendigkeit ſich vor allem des Hippokra-
tes wieder zu bemächtigen aufmerkſam gemacht, unternahm
er hiezu eine Reiſe nach Italien, aber ſchon in Baſel kam
ihm ſo zu ſagen ſein Autor ſelber entgegen: im Jahr 1526
war der griechiſche Text von Aldus, wiewohl ſehr uncor-
rect, gedruckt worden, und vor kurzem angelangt. Bei dem
erſten Studium durchdrang ſich Cornarus noch mehr mit der
Überzeugung, daß die Griechen die einzigen wahren Meiſter
der Heilkunde ſeyen, die man nur zuvörderſt wieder bekannt
machen müſſe. Mit Hülfe einiger Handſchriften die Froben
herbeiſchaffte, ſtellte er einen bei weitem richtigern Text auf,
und konnte es dann wagen auch eine Überſetzung zu ver-
ſuchen: 1 ein Werk, von dem ſein Lebensbeſchreiber rühmt,
es werde ſeit zwei Jahrtauſenden in der lateiniſchen Sprache
vermißt: ſo ganz fühlte man ſich dieſſeit noch als weſentlichen
Beſtandtheil der alten lateiniſchen Culturwelt. Hierauf er-
ſcheinen an den Univerſitäten Vorleſungen über Hippokrates
und den ächten Galen, dem Cornarus einen ähnlichen Fleiß
zuwandte; bei der Prüfung der Doctoranden legte man wohl
eine Stelle aus den Aphorismen, oder eine Definition Ga-
lens zur Erklärung vor. Es begann eine allgemeine Re-
action gegen die Araber. Leonhard Fuchs, ein glücklicher
Nebenbuhler des Cornarus, ſah ihre Wiſſenſchaft faſt aus
dem Standpunct einer nationalen Feindſeligkeit an: als eine
ſolche, durch die, wenn ſie länger beſtünde, der Untergang

1 Er fand alle fruͤhern Verſuche unbrauchbar, „tribus aut
quatuor ad summum libellis exceptis.“
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[477/0489] Medicin. (Cornarus.) Merkwürdigerweiſe war es ein Landsmann Haloanders, Johann Cornarus, der die Bahn hiezu brach. In Witten- berg auf die Nothwendigkeit ſich vor allem des Hippokra- tes wieder zu bemächtigen aufmerkſam gemacht, unternahm er hiezu eine Reiſe nach Italien, aber ſchon in Baſel kam ihm ſo zu ſagen ſein Autor ſelber entgegen: im Jahr 1526 war der griechiſche Text von Aldus, wiewohl ſehr uncor- rect, gedruckt worden, und vor kurzem angelangt. Bei dem erſten Studium durchdrang ſich Cornarus noch mehr mit der Überzeugung, daß die Griechen die einzigen wahren Meiſter der Heilkunde ſeyen, die man nur zuvörderſt wieder bekannt machen müſſe. Mit Hülfe einiger Handſchriften die Froben herbeiſchaffte, ſtellte er einen bei weitem richtigern Text auf, und konnte es dann wagen auch eine Überſetzung zu ver- ſuchen: 1 ein Werk, von dem ſein Lebensbeſchreiber rühmt, es werde ſeit zwei Jahrtauſenden in der lateiniſchen Sprache vermißt: ſo ganz fühlte man ſich dieſſeit noch als weſentlichen Beſtandtheil der alten lateiniſchen Culturwelt. Hierauf er- ſcheinen an den Univerſitäten Vorleſungen über Hippokrates und den ächten Galen, dem Cornarus einen ähnlichen Fleiß zuwandte; bei der Prüfung der Doctoranden legte man wohl eine Stelle aus den Aphorismen, oder eine Definition Ga- lens zur Erklärung vor. Es begann eine allgemeine Re- action gegen die Araber. Leonhard Fuchs, ein glücklicher Nebenbuhler des Cornarus, ſah ihre Wiſſenſchaft faſt aus dem Standpunct einer nationalen Feindſeligkeit an: als eine ſolche, durch die, wenn ſie länger beſtünde, der Untergang 1 Er fand alle fruͤhern Verſuche unbrauchbar, „tribus aut quatuor ad summum libellis exceptis.“

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 477. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/489>, abgerufen am 22.11.2024.