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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

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Das Interim.
würden wohl einsehen, daß es nicht in seiner Macht stehe
etwas abzuändern was alle andern Fürsten und Stände ge-
willigt. 1 Der Kaiser schien das nur für eine eigenthüm-
liche Form vollkommener Einwilligung zu halten; wenig-
stens gegen Andre drückte er sich so aus, als sey an sol-
cher kein Zweifel.

Leicht waren die jungen kriegslustigen Fürsten gewon-
nen, Albrecht von Brandenburg, Erich von Braunschweig,
die bisher überhaupt noch keine entschiedene protestantische Mei-
nung kund gegeben. Dagegen gab es auch unter den eifrig-
sten Anhängern des Kaisers einige andre, wie Pfalzgraf Wolf-
gang, besonders Markgraf Johann von Cüstrin, die sich wi-
dersetzten. Beim ersten Überlesen der Formel faßte Johann
-- dem es besonders nicht zu Sinne wollte, daß man die
Heiligen anrufen solle, da doch Christus der einige Mittler
sey, -- einen heftigen Widerwillen dagegen.

Viel zu schwach waren jedoch diese Fürsten, als daß
sich der Kaiser um sie gekümmert hätte. Es war ihm ge-
nug daß er sich der mächtigsten versichert halten durfte. Die
ganze weitere Frage lag für ihn darin, was nun die alt-

1 "Ist endlich dahin gehandelt, dieweil sich mein gnädigster
Herr ane s. ch. G. Landschaft Rat nicht hat entschließen können, wue
gemeine Stende durchaus das gestelte Interim annhemen worden,
das im Reichsrathe m. gn. Herre keine zerruttung machen, Sondern
vor sein Suffragium sagen mochte, es were s. ch. Gn. nicht zu thuen
sich seiner unterthanen zu mechtigen, s. ch. Gn. aber konnten wol er-
achten, was alle andern Chff. FF. und Stende schlössen, das s. ch.
Gn. dasselbige weder endern noch wenden konten. Das ist also der
kays. Mt durch die kön. Mt angezeigt, die seint dorann zu frieden ge-
west." Protocoll im Dresdner Archiv über die Verhandlungen mit
den beiden Churfürsten am 17, 19, 20, und mit dem Kaiser am
Palmabend, 24 März.

Das Interim.
würden wohl einſehen, daß es nicht in ſeiner Macht ſtehe
etwas abzuändern was alle andern Fürſten und Stände ge-
willigt. 1 Der Kaiſer ſchien das nur für eine eigenthüm-
liche Form vollkommener Einwilligung zu halten; wenig-
ſtens gegen Andre drückte er ſich ſo aus, als ſey an ſol-
cher kein Zweifel.

Leicht waren die jungen kriegsluſtigen Fürſten gewon-
nen, Albrecht von Brandenburg, Erich von Braunſchweig,
die bisher überhaupt noch keine entſchiedene proteſtantiſche Mei-
nung kund gegeben. Dagegen gab es auch unter den eifrig-
ſten Anhängern des Kaiſers einige andre, wie Pfalzgraf Wolf-
gang, beſonders Markgraf Johann von Cüſtrin, die ſich wi-
derſetzten. Beim erſten Überleſen der Formel faßte Johann
— dem es beſonders nicht zu Sinne wollte, daß man die
Heiligen anrufen ſolle, da doch Chriſtus der einige Mittler
ſey, — einen heftigen Widerwillen dagegen.

Viel zu ſchwach waren jedoch dieſe Fürſten, als daß
ſich der Kaiſer um ſie gekümmert hätte. Es war ihm ge-
nug daß er ſich der mächtigſten verſichert halten durfte. Die
ganze weitere Frage lag für ihn darin, was nun die alt-

1 „Iſt endlich dahin gehandelt, dieweil ſich mein gnaͤdigſter
Herr ane ſ. ch. G. Landſchaft Rat nicht hat entſchließen koͤnnen, wue
gemeine Stende durchaus das geſtelte Interim annhemen worden,
das im Reichsrathe m. gn. Herre keine zerruttung machen, Sondern
vor ſein Suffragium ſagen mochte, es were ſ. ch. Gn. nicht zu thuen
ſich ſeiner unterthanen zu mechtigen, ſ. ch. Gn. aber konnten wol er-
achten, was alle andern Chff. FF. und Stende ſchloͤſſen, das ſ. ch.
Gn. daſſelbige weder endern noch wenden konten. Das iſt alſo der
kayſ. Mt durch die koͤn. Mt angezeigt, die ſeint dorann zu frieden ge-
weſt.“ Protocoll im Dresdner Archiv uͤber die Verhandlungen mit
den beiden Churfuͤrſten am 17, 19, 20, und mit dem Kaiſer am
Palmabend, 24 Maͤrz.
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[47/0059] Das Interim. würden wohl einſehen, daß es nicht in ſeiner Macht ſtehe etwas abzuändern was alle andern Fürſten und Stände ge- willigt. 1 Der Kaiſer ſchien das nur für eine eigenthüm- liche Form vollkommener Einwilligung zu halten; wenig- ſtens gegen Andre drückte er ſich ſo aus, als ſey an ſol- cher kein Zweifel. Leicht waren die jungen kriegsluſtigen Fürſten gewon- nen, Albrecht von Brandenburg, Erich von Braunſchweig, die bisher überhaupt noch keine entſchiedene proteſtantiſche Mei- nung kund gegeben. Dagegen gab es auch unter den eifrig- ſten Anhängern des Kaiſers einige andre, wie Pfalzgraf Wolf- gang, beſonders Markgraf Johann von Cüſtrin, die ſich wi- derſetzten. Beim erſten Überleſen der Formel faßte Johann — dem es beſonders nicht zu Sinne wollte, daß man die Heiligen anrufen ſolle, da doch Chriſtus der einige Mittler ſey, — einen heftigen Widerwillen dagegen. Viel zu ſchwach waren jedoch dieſe Fürſten, als daß ſich der Kaiſer um ſie gekümmert hätte. Es war ihm ge- nug daß er ſich der mächtigſten verſichert halten durfte. Die ganze weitere Frage lag für ihn darin, was nun die alt- 1 „Iſt endlich dahin gehandelt, dieweil ſich mein gnaͤdigſter Herr ane ſ. ch. G. Landſchaft Rat nicht hat entſchließen koͤnnen, wue gemeine Stende durchaus das geſtelte Interim annhemen worden, das im Reichsrathe m. gn. Herre keine zerruttung machen, Sondern vor ſein Suffragium ſagen mochte, es were ſ. ch. Gn. nicht zu thuen ſich ſeiner unterthanen zu mechtigen, ſ. ch. Gn. aber konnten wol er- achten, was alle andern Chff. FF. und Stende ſchloͤſſen, das ſ. ch. Gn. daſſelbige weder endern noch wenden konten. Das iſt alſo der kayſ. Mt durch die koͤn. Mt angezeigt, die ſeint dorann zu frieden ge- weſt.“ Protocoll im Dresdner Archiv uͤber die Verhandlungen mit den beiden Churfuͤrſten am 17, 19, 20, und mit dem Kaiſer am Palmabend, 24 Maͤrz.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/59>, abgerufen am 24.11.2024.