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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

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Neuntes Buch. Erstes Capitel.
weil darin eine Abweichung von den Satzungen der Concilien
liegen würde. Bestimmungen über die Lehre, die doch dem
Concilium heimgestellt worden, seyen aber vollends unstatthaft:
man wisse recht gut, was in der gemeinen christlichen Kirche
zu glauben, und bedürfe dazu keiner Ordnung des Kaisers.
Die Fürsten gaben dem Kaiser zu verstehn, er überschreite
seine Befugnisse, nicht alle seine Sätze möchten sich als gut
katholisch bewähren: lieber möge er die Protestanten vermö-
gen von der augsburgischen Confession abzustehn. 1

Der Kaiser antwortete mit großer Lebhaftigkeit. Man sage
ihm, die Lehre sey dem Concilium heimgestellt: aber solle er
wohl bis dahin einen Jeden in seinem selbstgeschöpften Glau-
ben und bei unwidersprechlichen Mißbräuchen lassen? Man
fordere, er solle die Protestanten bewegen von der augsbur-
gischen Confession förmlich abzustehn: das heiße, unmögliche
Dinge verlangen. Er wisse jedoch, daß man damit nur die
Eintracht deutscher Nation verhindern wolle; er kenne die
Leute wohl, deren verbittertes Gemüth ihn allenthalben ver-
haßt zu machen strebe. 2

Und so weit gab der Kaiser dieß Mal wirklich nicht
nach, daß er sich eine so anzügliche Ansprache hätte gefallen
lassen: er ließ sie dem Fürstenrathe zurückstellen, als so be-
schaffen daß er sie nicht annehmen könne.


1 Der Fürsten und verordenten Stend Bedenken auf das In-
terim, bei Sastrow II, 327, jedoch unvollständig.
2 Bucholtz VI, 236. Daniel zum Jungen an Frankfurt 23
April: "Ks. Mt ist solch ires Bedenkens ganz ubel zufrieden gewest,
und sie weidlich erputzet, mit Vermeldung daß J. Mt inen die Ar-
tikel nit haben zustellen lassen daß sie ir Gutbedunken darüber an-
zeigen solten, sondern daß sie es inen wie es gestellt, gefallen lassen
sollten."

Neuntes Buch. Erſtes Capitel.
weil darin eine Abweichung von den Satzungen der Concilien
liegen würde. Beſtimmungen über die Lehre, die doch dem
Concilium heimgeſtellt worden, ſeyen aber vollends unſtatthaft:
man wiſſe recht gut, was in der gemeinen chriſtlichen Kirche
zu glauben, und bedürfe dazu keiner Ordnung des Kaiſers.
Die Fürſten gaben dem Kaiſer zu verſtehn, er überſchreite
ſeine Befugniſſe, nicht alle ſeine Sätze möchten ſich als gut
katholiſch bewähren: lieber möge er die Proteſtanten vermö-
gen von der augsburgiſchen Confeſſion abzuſtehn. 1

Der Kaiſer antwortete mit großer Lebhaftigkeit. Man ſage
ihm, die Lehre ſey dem Concilium heimgeſtellt: aber ſolle er
wohl bis dahin einen Jeden in ſeinem ſelbſtgeſchöpften Glau-
ben und bei unwiderſprechlichen Mißbräuchen laſſen? Man
fordere, er ſolle die Proteſtanten bewegen von der augsbur-
giſchen Confeſſion förmlich abzuſtehn: das heiße, unmögliche
Dinge verlangen. Er wiſſe jedoch, daß man damit nur die
Eintracht deutſcher Nation verhindern wolle; er kenne die
Leute wohl, deren verbittertes Gemüth ihn allenthalben ver-
haßt zu machen ſtrebe. 2

Und ſo weit gab der Kaiſer dieß Mal wirklich nicht
nach, daß er ſich eine ſo anzügliche Anſprache hätte gefallen
laſſen: er ließ ſie dem Fürſtenrathe zurückſtellen, als ſo be-
ſchaffen daß er ſie nicht annehmen könne.


1 Der Fuͤrſten und verordenten Stend Bedenken auf das In-
terim, bei Saſtrow II, 327, jedoch unvollſtaͤndig.
2 Bucholtz VI, 236. Daniel zum Jungen an Frankfurt 23
April: „Kſ. Mt iſt ſolch ires Bedenkens ganz ubel zufrieden geweſt,
und ſie weidlich erputzet, mit Vermeldung daß J. Mt inen die Ar-
tikel nit haben zuſtellen laſſen daß ſie ir Gutbedunken daruͤber an-
zeigen ſolten, ſondern daß ſie es inen wie es geſtellt, gefallen laſſen
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[50/0062] Neuntes Buch. Erſtes Capitel. weil darin eine Abweichung von den Satzungen der Concilien liegen würde. Beſtimmungen über die Lehre, die doch dem Concilium heimgeſtellt worden, ſeyen aber vollends unſtatthaft: man wiſſe recht gut, was in der gemeinen chriſtlichen Kirche zu glauben, und bedürfe dazu keiner Ordnung des Kaiſers. Die Fürſten gaben dem Kaiſer zu verſtehn, er überſchreite ſeine Befugniſſe, nicht alle ſeine Sätze möchten ſich als gut katholiſch bewähren: lieber möge er die Proteſtanten vermö- gen von der augsburgiſchen Confeſſion abzuſtehn. 1 Der Kaiſer antwortete mit großer Lebhaftigkeit. Man ſage ihm, die Lehre ſey dem Concilium heimgeſtellt: aber ſolle er wohl bis dahin einen Jeden in ſeinem ſelbſtgeſchöpften Glau- ben und bei unwiderſprechlichen Mißbräuchen laſſen? Man fordere, er ſolle die Proteſtanten bewegen von der augsbur- giſchen Confeſſion förmlich abzuſtehn: das heiße, unmögliche Dinge verlangen. Er wiſſe jedoch, daß man damit nur die Eintracht deutſcher Nation verhindern wolle; er kenne die Leute wohl, deren verbittertes Gemüth ihn allenthalben ver- haßt zu machen ſtrebe. 2 Und ſo weit gab der Kaiſer dieß Mal wirklich nicht nach, daß er ſich eine ſo anzügliche Anſprache hätte gefallen laſſen: er ließ ſie dem Fürſtenrathe zurückſtellen, als ſo be- ſchaffen daß er ſie nicht annehmen könne. 1 Der Fuͤrſten und verordenten Stend Bedenken auf das In- terim, bei Saſtrow II, 327, jedoch unvollſtaͤndig. 2 Bucholtz VI, 236. Daniel zum Jungen an Frankfurt 23 April: „Kſ. Mt iſt ſolch ires Bedenkens ganz ubel zufrieden geweſt, und ſie weidlich erputzet, mit Vermeldung daß J. Mt inen die Ar- tikel nit haben zuſtellen laſſen daß ſie ir Gutbedunken daruͤber an- zeigen ſolten, ſondern daß ſie es inen wie es geſtellt, gefallen laſſen ſollten.“

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/62>, abgerufen am 21.11.2024.