Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.Widerstand in Norddeutschland. stes wieder auf; es wolle "Uns Alle" um unsre Seligkeitbringen. 1 Und da die Stadt nicht allein unausgesöhnt, sondern in der kaiserlichen Acht war, da sie nichts weiter zu verlieren hatte, so ward sie plötzlich der Heerd einer leb- haften literarischen Opposition. Eine Fluth von Gegenschrif- ten in jeder Form, -- Satyre und Predigt, in Prosa und Versen, -- gab das Interim der Verachtung und dem öffent- lichen Hasse Preis; in abenteuerlichen Caricaturen ward es verspottet; man hat sogenannte Interimsthaler, auf denen ein dreiköpfiges Ungeheuer den Ursprung und Inhalt dieser Schrift versinnbildet. Da so viele Fürsten schwankten oder abfielen, wendeten sich alle Blicke auf Johann Friedrich, der, obwohl ein armer Gefangener und in der Gewalt des Kai- sers, doch jedes Ansinnen dem Interim beizutreten standhaft zurückwies. Denn wohl wisse er, daß es in vielen Artikeln dem Worte Gottes zuwider sey: würde er es billigen, so wäre es als ob er Gott droben in seiner Majestät und die weltliche Obrigkeit hienieden mit gefährlichen Worten betrü- gen wolle: er würde die Sünde gegen den heiligen Geist begehn, die nicht vergeben werde. Ruhig sah er zu, als man ihm seine Bibel und seine lutherischen Bücher weg- nahm: er werde schon behalten was er daraus gelernt. Seine Haltung flößte selbst den Feinden Hochachtung ein; in den Gleichgesinnten nährte sie den stillen und standhaf- ten Widerstand der gläubigen Gemüther. War Johann Friedrich früher als der Vertheidiger des reinen Glaubens geachtet und geliebt worden, so ward er jetzt als Held und 1 Der von Magdeburg Entschuldigung, bit und gemeine christ-
liche Erinnerung 1549. Widerſtand in Norddeutſchland. ſtes wieder auf; es wolle „Uns Alle“ um unſre Seligkeitbringen. 1 Und da die Stadt nicht allein unausgeſöhnt, ſondern in der kaiſerlichen Acht war, da ſie nichts weiter zu verlieren hatte, ſo ward ſie plötzlich der Heerd einer leb- haften literariſchen Oppoſition. Eine Fluth von Gegenſchrif- ten in jeder Form, — Satyre und Predigt, in Proſa und Verſen, — gab das Interim der Verachtung und dem öffent- lichen Haſſe Preis; in abenteuerlichen Caricaturen ward es verſpottet; man hat ſogenannte Interimsthaler, auf denen ein dreiköpfiges Ungeheuer den Urſprung und Inhalt dieſer Schrift verſinnbildet. Da ſo viele Fürſten ſchwankten oder abfielen, wendeten ſich alle Blicke auf Johann Friedrich, der, obwohl ein armer Gefangener und in der Gewalt des Kai- ſers, doch jedes Anſinnen dem Interim beizutreten ſtandhaft zurückwies. Denn wohl wiſſe er, daß es in vielen Artikeln dem Worte Gottes zuwider ſey: würde er es billigen, ſo wäre es als ob er Gott droben in ſeiner Majeſtät und die weltliche Obrigkeit hienieden mit gefährlichen Worten betrü- gen wolle: er würde die Sünde gegen den heiligen Geiſt begehn, die nicht vergeben werde. Ruhig ſah er zu, als man ihm ſeine Bibel und ſeine lutheriſchen Bücher weg- nahm: er werde ſchon behalten was er daraus gelernt. Seine Haltung flößte ſelbſt den Feinden Hochachtung ein; in den Gleichgeſinnten nährte ſie den ſtillen und ſtandhaf- ten Widerſtand der gläubigen Gemüther. War Johann Friedrich früher als der Vertheidiger des reinen Glaubens geachtet und geliebt worden, ſo ward er jetzt als Held und 1 Der von Magdeburg Entſchuldigung, bit und gemeine chriſt-
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Widerſtand in Norddeutſchland.
ſtes wieder auf; es wolle „Uns Alle“ um unſre Seligkeit
bringen. 1 Und da die Stadt nicht allein unausgeſöhnt,
ſondern in der kaiſerlichen Acht war, da ſie nichts weiter
zu verlieren hatte, ſo ward ſie plötzlich der Heerd einer leb-
haften literariſchen Oppoſition. Eine Fluth von Gegenſchrif-
ten in jeder Form, — Satyre und Predigt, in Proſa und
Verſen, — gab das Interim der Verachtung und dem öffent-
lichen Haſſe Preis; in abenteuerlichen Caricaturen ward es
verſpottet; man hat ſogenannte Interimsthaler, auf denen
ein dreiköpfiges Ungeheuer den Urſprung und Inhalt dieſer
Schrift verſinnbildet. Da ſo viele Fürſten ſchwankten oder
abfielen, wendeten ſich alle Blicke auf Johann Friedrich, der,
obwohl ein armer Gefangener und in der Gewalt des Kai-
ſers, doch jedes Anſinnen dem Interim beizutreten ſtandhaft
zurückwies. Denn wohl wiſſe er, daß es in vielen Artikeln
dem Worte Gottes zuwider ſey: würde er es billigen, ſo
wäre es als ob er Gott droben in ſeiner Majeſtät und die
weltliche Obrigkeit hienieden mit gefährlichen Worten betrü-
gen wolle: er würde die Sünde gegen den heiligen Geiſt
begehn, die nicht vergeben werde. Ruhig ſah er zu, als
man ihm ſeine Bibel und ſeine lutheriſchen Bücher weg-
nahm: er werde ſchon behalten was er daraus gelernt.
Seine Haltung flößte ſelbſt den Feinden Hochachtung ein;
in den Gleichgeſinnten nährte ſie den ſtillen und ſtandhaf-
ten Widerſtand der gläubigen Gemüther. War Johann
Friedrich früher als der Vertheidiger des reinen Glaubens
geachtet und geliebt worden, ſo ward er jetzt als Held und
1 Der von Magdeburg Entſchuldigung, bit und gemeine chriſt-
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