Reich, Moses Josef: Mammon im Gebirge. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–45. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Gasse hinter sich gelassen! Huste, huste! drinnen ächzt deine Lene! An einem schwülen Sommertage, da die Sterne auf der Klause Grund sichtbar wurden und die Blumen auf dem Felde matt ihre Köpfchen sinken ließen, da die Heumähder den Schatten der Bäume suchten, während der würzige Duft des Klee's ihre trüben Sinne einschläferte, die Luft vor Wollust zitterte, der Schäferhund mit lang heraushängender Zunge sich zum stockenden Bache schleppte, um mit heißer Gier das Wasser zu schlucken -- da trat Sommer Hans aus dem Hofe, um nach seinen Leuten zu sehen, sie zur Arbeit anzutreiben; an der Schwelle des Hofthores wäre sein nackter Fuß beinahe über ein Mädchen gestrauchelt, das, in Lumpen gehüllt, das runde Gesichtchen dunkelgebräunt von Luft und Sonne, das Köpfchen auf den Arm gelehnt, im kargen Schatten des Thores schlummerte; Sommer Hans blickte zuerst unwillig drein, dann immer milder und milder, als sich sein Auge in das Antlitz der Schlummernden vertiefte, bis ein Anflug von Seele in seinem Angesichte aufging, wie der Mond über Ruinen gleitet -- mit verschränkten Armen stand er selbstvergessen da und konnte sich nicht satt sehen an dem Bilde der Unschuld im Gewande tiefster Dürftigkeit -- er bückte sich zu ihr und sah, daß ihre Schürze etwas verhüllte, ihr Athem wehte in sein Gesicht, er neigte sich tiefer und küßte sie auf den Mund, wobei er zu knieen kam; hierauf sah er in die Schürze -- es waren einige Stücke weißen Gasse hinter sich gelassen! Huste, huste! drinnen ächzt deine Lene! An einem schwülen Sommertage, da die Sterne auf der Klause Grund sichtbar wurden und die Blumen auf dem Felde matt ihre Köpfchen sinken ließen, da die Heumähder den Schatten der Bäume suchten, während der würzige Duft des Klee's ihre trüben Sinne einschläferte, die Luft vor Wollust zitterte, der Schäferhund mit lang heraushängender Zunge sich zum stockenden Bache schleppte, um mit heißer Gier das Wasser zu schlucken — da trat Sommer Hans aus dem Hofe, um nach seinen Leuten zu sehen, sie zur Arbeit anzutreiben; an der Schwelle des Hofthores wäre sein nackter Fuß beinahe über ein Mädchen gestrauchelt, das, in Lumpen gehüllt, das runde Gesichtchen dunkelgebräunt von Luft und Sonne, das Köpfchen auf den Arm gelehnt, im kargen Schatten des Thores schlummerte; Sommer Hans blickte zuerst unwillig drein, dann immer milder und milder, als sich sein Auge in das Antlitz der Schlummernden vertiefte, bis ein Anflug von Seele in seinem Angesichte aufging, wie der Mond über Ruinen gleitet — mit verschränkten Armen stand er selbstvergessen da und konnte sich nicht satt sehen an dem Bilde der Unschuld im Gewande tiefster Dürftigkeit — er bückte sich zu ihr und sah, daß ihre Schürze etwas verhüllte, ihr Athem wehte in sein Gesicht, er neigte sich tiefer und küßte sie auf den Mund, wobei er zu knieen kam; hierauf sah er in die Schürze — es waren einige Stücke weißen <TEI> <text> <body> <div n="0"> <p><pb facs="#f0014"/> Gasse hinter sich gelassen! Huste, huste! drinnen ächzt deine Lene!</p><lb/> <p>An einem schwülen Sommertage, da die Sterne auf der Klause Grund sichtbar wurden und die Blumen auf dem Felde matt ihre Köpfchen sinken ließen, da die Heumähder den Schatten der Bäume suchten, während der würzige Duft des Klee's ihre trüben Sinne einschläferte, die Luft vor Wollust zitterte, der Schäferhund mit lang heraushängender Zunge sich zum stockenden Bache schleppte, um mit heißer Gier das Wasser zu schlucken — da trat Sommer Hans aus dem Hofe, um nach seinen Leuten zu sehen, sie zur Arbeit anzutreiben; an der Schwelle des Hofthores wäre sein nackter Fuß beinahe über ein Mädchen gestrauchelt, das, in Lumpen gehüllt, das runde Gesichtchen dunkelgebräunt von Luft und Sonne, das Köpfchen auf den Arm gelehnt, im kargen Schatten des Thores schlummerte; Sommer Hans blickte zuerst unwillig drein, dann immer milder und milder, als sich sein Auge in das Antlitz der Schlummernden vertiefte, bis ein Anflug von Seele in seinem Angesichte aufging, wie der Mond über Ruinen gleitet — mit verschränkten Armen stand er selbstvergessen da und konnte sich nicht satt sehen an dem Bilde der Unschuld im Gewande tiefster Dürftigkeit — er bückte sich zu ihr und sah, daß ihre Schürze etwas verhüllte, ihr Athem wehte in sein Gesicht, er neigte sich tiefer und küßte sie auf den Mund, wobei er zu knieen kam; hierauf sah er in die Schürze — es waren einige Stücke weißen<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0014]
Gasse hinter sich gelassen! Huste, huste! drinnen ächzt deine Lene!
An einem schwülen Sommertage, da die Sterne auf der Klause Grund sichtbar wurden und die Blumen auf dem Felde matt ihre Köpfchen sinken ließen, da die Heumähder den Schatten der Bäume suchten, während der würzige Duft des Klee's ihre trüben Sinne einschläferte, die Luft vor Wollust zitterte, der Schäferhund mit lang heraushängender Zunge sich zum stockenden Bache schleppte, um mit heißer Gier das Wasser zu schlucken — da trat Sommer Hans aus dem Hofe, um nach seinen Leuten zu sehen, sie zur Arbeit anzutreiben; an der Schwelle des Hofthores wäre sein nackter Fuß beinahe über ein Mädchen gestrauchelt, das, in Lumpen gehüllt, das runde Gesichtchen dunkelgebräunt von Luft und Sonne, das Köpfchen auf den Arm gelehnt, im kargen Schatten des Thores schlummerte; Sommer Hans blickte zuerst unwillig drein, dann immer milder und milder, als sich sein Auge in das Antlitz der Schlummernden vertiefte, bis ein Anflug von Seele in seinem Angesichte aufging, wie der Mond über Ruinen gleitet — mit verschränkten Armen stand er selbstvergessen da und konnte sich nicht satt sehen an dem Bilde der Unschuld im Gewande tiefster Dürftigkeit — er bückte sich zu ihr und sah, daß ihre Schürze etwas verhüllte, ihr Athem wehte in sein Gesicht, er neigte sich tiefer und küßte sie auf den Mund, wobei er zu knieen kam; hierauf sah er in die Schürze — es waren einige Stücke weißen
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