Reich, Moses Josef: Mammon im Gebirge. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–45. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.noch weit offen, es mußte etwas Außerordentliches vorgehen, es brannte eine Kerze auf dem Tische anstatt der Schleiße auf der Ofenbank. Als sie ins Vorhaus kam, stieß sie auf eine Laterne, bei deren Lichte sie den Pater aus dem Städtchen erkannte, der zu ihr sagte: Zu spät? zu spät! sie ist hin! -- Wer? ist die Schulzin todt? -- Ja, auch ich kam zu spät, sie ist unversöhnt gestorben. Gott geb' ihr die ewige Ruhe! -- Und der Pater ging aus dem Hofe. -- Ein Schauer kam über Truden, sie wollte dreimal in die Stube treten und immer trat sie wieder zurück, endlich lief sie in den Hof hinaus, aus dem Thore, wie gejagt, und schreckte Schuster Ignaz aus seinem Schlummer auf; er hatte eben geträumt, sein Martin sei als General, die Brust voll Orden und Sterne, nach Hause gekommen. Teufel! du siehst ja aus wie die Wand! Hat dich Packan gehetzt? -- Nein, Meister, die -- Schulzin -- ist -- gestorben! -- Crep -- Trude verhielt ihm den Mund, er konnte nicht ausreden; sie bat ihn, über die Nacht da bleiben zu dürfen, nach allerlei Späßen sagte er Ja. Früh wurden die Beiden aus dem Schlafe getrommelt, Schuster Ignaz eilte im Neglige ans kleine überlaufene Fensterchen und schob es zurück, denn es hatte keine Flügel zum Oeffnen. -- Sommer Hans steckte sein gelbes Gesicht herein und fragte: ob nicht Trude da wäre, sie sei nicht heimgekommen. Der Meister wies aus das Bett hin, wo sie nur halb entkleidet noch tief im Schlafe lag. Ich gratulire -- das heißt, ich bedaure sehr -- die noch weit offen, es mußte etwas Außerordentliches vorgehen, es brannte eine Kerze auf dem Tische anstatt der Schleiße auf der Ofenbank. Als sie ins Vorhaus kam, stieß sie auf eine Laterne, bei deren Lichte sie den Pater aus dem Städtchen erkannte, der zu ihr sagte: Zu spät? zu spät! sie ist hin! — Wer? ist die Schulzin todt? — Ja, auch ich kam zu spät, sie ist unversöhnt gestorben. Gott geb' ihr die ewige Ruhe! — Und der Pater ging aus dem Hofe. — Ein Schauer kam über Truden, sie wollte dreimal in die Stube treten und immer trat sie wieder zurück, endlich lief sie in den Hof hinaus, aus dem Thore, wie gejagt, und schreckte Schuster Ignaz aus seinem Schlummer auf; er hatte eben geträumt, sein Martin sei als General, die Brust voll Orden und Sterne, nach Hause gekommen. Teufel! du siehst ja aus wie die Wand! Hat dich Packan gehetzt? — Nein, Meister, die — Schulzin — ist — gestorben! — Crep — Trude verhielt ihm den Mund, er konnte nicht ausreden; sie bat ihn, über die Nacht da bleiben zu dürfen, nach allerlei Späßen sagte er Ja. Früh wurden die Beiden aus dem Schlafe getrommelt, Schuster Ignaz eilte im Negligé ans kleine überlaufene Fensterchen und schob es zurück, denn es hatte keine Flügel zum Oeffnen. — Sommer Hans steckte sein gelbes Gesicht herein und fragte: ob nicht Trude da wäre, sie sei nicht heimgekommen. Der Meister wies aus das Bett hin, wo sie nur halb entkleidet noch tief im Schlafe lag. Ich gratulire — das heißt, ich bedaure sehr — die <TEI> <text> <body> <div n="0"> <p><pb facs="#f0021"/> noch weit offen, es mußte etwas Außerordentliches vorgehen, es brannte eine Kerze auf dem Tische anstatt der Schleiße auf der Ofenbank. Als sie ins Vorhaus kam, stieß sie auf eine Laterne, bei deren Lichte sie den Pater aus dem Städtchen erkannte, der zu ihr sagte: Zu spät? zu spät! sie ist hin! — Wer? ist die Schulzin todt? — Ja, auch ich kam zu spät, sie ist unversöhnt gestorben. Gott geb' ihr die ewige Ruhe! — Und der Pater ging aus dem Hofe. — Ein Schauer kam über Truden, sie wollte dreimal in die Stube treten und immer trat sie wieder zurück, endlich lief sie in den Hof hinaus, aus dem Thore, wie gejagt, und schreckte Schuster Ignaz aus seinem Schlummer auf; er hatte eben geträumt, sein Martin sei als General, die Brust voll Orden und Sterne, nach Hause gekommen. Teufel! du siehst ja aus wie die Wand! Hat dich Packan gehetzt? — Nein, Meister, die — Schulzin — ist — gestorben! — Crep — Trude verhielt ihm den Mund, er konnte nicht ausreden; sie bat ihn, über die Nacht da bleiben zu dürfen, nach allerlei Späßen sagte er Ja. Früh wurden die Beiden aus dem Schlafe getrommelt, Schuster Ignaz eilte im Negligé ans kleine überlaufene Fensterchen und schob es zurück, denn es hatte keine Flügel zum Oeffnen. — Sommer Hans steckte sein gelbes Gesicht herein und fragte: ob nicht Trude da wäre, sie sei nicht heimgekommen. Der Meister wies aus das Bett hin, wo sie nur halb entkleidet noch tief im Schlafe lag. Ich gratulire — das heißt, ich bedaure sehr — die<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0021]
noch weit offen, es mußte etwas Außerordentliches vorgehen, es brannte eine Kerze auf dem Tische anstatt der Schleiße auf der Ofenbank. Als sie ins Vorhaus kam, stieß sie auf eine Laterne, bei deren Lichte sie den Pater aus dem Städtchen erkannte, der zu ihr sagte: Zu spät? zu spät! sie ist hin! — Wer? ist die Schulzin todt? — Ja, auch ich kam zu spät, sie ist unversöhnt gestorben. Gott geb' ihr die ewige Ruhe! — Und der Pater ging aus dem Hofe. — Ein Schauer kam über Truden, sie wollte dreimal in die Stube treten und immer trat sie wieder zurück, endlich lief sie in den Hof hinaus, aus dem Thore, wie gejagt, und schreckte Schuster Ignaz aus seinem Schlummer auf; er hatte eben geträumt, sein Martin sei als General, die Brust voll Orden und Sterne, nach Hause gekommen. Teufel! du siehst ja aus wie die Wand! Hat dich Packan gehetzt? — Nein, Meister, die — Schulzin — ist — gestorben! — Crep — Trude verhielt ihm den Mund, er konnte nicht ausreden; sie bat ihn, über die Nacht da bleiben zu dürfen, nach allerlei Späßen sagte er Ja. Früh wurden die Beiden aus dem Schlafe getrommelt, Schuster Ignaz eilte im Negligé ans kleine überlaufene Fensterchen und schob es zurück, denn es hatte keine Flügel zum Oeffnen. — Sommer Hans steckte sein gelbes Gesicht herein und fragte: ob nicht Trude da wäre, sie sei nicht heimgekommen. Der Meister wies aus das Bett hin, wo sie nur halb entkleidet noch tief im Schlafe lag. Ich gratulire — das heißt, ich bedaure sehr — die
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-16T10:03:58Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-16T10:03:58Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: nein; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |