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Reichardt, Christian: Land- u. Garten-Schatzes. Bd. 3. Erfurt, 1753.

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unter den Kohl-Gewächsen.

Zum Beweis wil ich nur ein einziges Exem-
pel anführen. Man probire es nur mit der klei-
nesten Sorte von den weissen frühzeitigen Kopf-
Kohl oder weissem Kraute, und erwähle einige
Jahre nach einander zur Herbst-Zeit von demsel-
ben die allergrösten Köpfe zum Samen-Ziehen,
so wird man gewiß finden, daß dieselben von Jah-
ren zu Jahren gröser, und endlich so groß werden,
als unser ordentliches groses Cappus-Kraut. Hin-
gegen, wenn man bey der kleinen und frühzeitigen
Art bleiben wil, so müssen alle Jahre die allerklein-
sten Häupter, deren Blätter sich fein Creutzweise
über einander geschlossen haben, zum Samen-Ziehen
erwählet werden, alsdenn wird man gewiß die ein-
mal überkommenen Sorten behalten. Gleiche
Bewandnis hat es auch mit andern Kohl-Gewäch-
sen in Erziehung derer Samen.

Ein gewisser Gelehrter hat ohnlängst die Ausar-
tung der Gewächse *) dergestalt bestritten, daß ihm
auch die blosen Worte Ausartung und ausarten miß-
fallen. Er hält nicht nur die Veränderung eines ganz
unterschiedenen Geschlechtes oder generis der Ge-
wächse in das andere für unmöglich, welches auch
meine Meinung ist, sondern er wil dieses auch nicht
einmal von den Sorten oder speciebus der Gewäch-
se zugeben, und meinet, daß alle Veränderung der
Gewächse nur darauf ankomme, daß sie entweder grös-
ser ansehnlicher und volkommener, oder aber geringer,
elender und ansehulicher würden, welches alles von
der Natur der Gewächse, von dem Climate, von

dem
*) S. Oeconomische Physicalische Abhandlung p. 251.
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unter den Kohl-Gewaͤchſen.

Zum Beweis wil ich nur ein einziges Exem-
pel anfuͤhren. Man probire es nur mit der klei-
neſten Sorte von den weiſſen fruͤhzeitigen Kopf-
Kohl oder weiſſem Kraute, und erwaͤhle einige
Jahre nach einander zur Herbſt-Zeit von demſel-
ben die allergroͤſten Koͤpfe zum Samen-Ziehen,
ſo wird man gewiß finden, daß dieſelben von Jah-
ren zu Jahren groͤſer, und endlich ſo groß werden,
als unſer ordentliches groſes Cappus-Kraut. Hin-
gegen, wenn man bey der kleinen und fruͤhzeitigen
Art bleiben wil, ſo muͤſſen alle Jahre die allerklein-
ſten Haͤupter, deren Blaͤtter ſich fein Creutzweiſe
uͤber einander geſchloſſen haben, zum Samen-Ziehen
erwaͤhlet werden, alsdenn wird man gewiß die ein-
mal uͤberkommenen Sorten behalten. Gleiche
Bewandnis hat es auch mit andern Kohl-Gewaͤch-
ſen in Erziehung derer Samen.

Ein gewiſſer Gelehrter hat ohnlaͤngſt die Ausar-
tung der Gewaͤchſe *) dergeſtalt beſtritten, daß ihm
auch die bloſen Worte Ausartung und ausarten miß-
fallen. Er haͤlt nicht nur die Veraͤnderung eines ganz
unterſchiedenen Geſchlechtes oder generis der Ge-
waͤchſe in das andere fuͤr unmoͤglich, welches auch
meine Meinung iſt, ſondern er wil dieſes auch nicht
einmal von den Sorten oder ſpeciebus der Gewaͤch-
ſe zugeben, und meinet, daß alle Veraͤnderung der
Gewaͤchſe nur darauf ankom̃e, daß ſie entweder groͤſ-
ſer anſehnlicher und volkom̃ener, oder aber geringer,
elender und anſehulicher wuͤrden, welches alles von
der Natur der Gewaͤchſe, von dem Climate, von

dem
*) S. Oeconomiſche Phyſicaliſche Abhandlung p. 251.
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[83/0089] unter den Kohl-Gewaͤchſen. Zum Beweis wil ich nur ein einziges Exem- pel anfuͤhren. Man probire es nur mit der klei- neſten Sorte von den weiſſen fruͤhzeitigen Kopf- Kohl oder weiſſem Kraute, und erwaͤhle einige Jahre nach einander zur Herbſt-Zeit von demſel- ben die allergroͤſten Koͤpfe zum Samen-Ziehen, ſo wird man gewiß finden, daß dieſelben von Jah- ren zu Jahren groͤſer, und endlich ſo groß werden, als unſer ordentliches groſes Cappus-Kraut. Hin- gegen, wenn man bey der kleinen und fruͤhzeitigen Art bleiben wil, ſo muͤſſen alle Jahre die allerklein- ſten Haͤupter, deren Blaͤtter ſich fein Creutzweiſe uͤber einander geſchloſſen haben, zum Samen-Ziehen erwaͤhlet werden, alsdenn wird man gewiß die ein- mal uͤberkommenen Sorten behalten. Gleiche Bewandnis hat es auch mit andern Kohl-Gewaͤch- ſen in Erziehung derer Samen. Ein gewiſſer Gelehrter hat ohnlaͤngſt die Ausar- tung der Gewaͤchſe *) dergeſtalt beſtritten, daß ihm auch die bloſen Worte Ausartung und ausarten miß- fallen. Er haͤlt nicht nur die Veraͤnderung eines ganz unterſchiedenen Geſchlechtes oder generis der Ge- waͤchſe in das andere fuͤr unmoͤglich, welches auch meine Meinung iſt, ſondern er wil dieſes auch nicht einmal von den Sorten oder ſpeciebus der Gewaͤch- ſe zugeben, und meinet, daß alle Veraͤnderung der Gewaͤchſe nur darauf ankom̃e, daß ſie entweder groͤſ- ſer anſehnlicher und volkom̃ener, oder aber geringer, elender und anſehulicher wuͤrden, welches alles von der Natur der Gewaͤchſe, von dem Climate, von dem *) S. Oeconomiſche Phyſicaliſche Abhandlung p. 251. F 2

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Zitationshilfe: Reichardt, Christian: Land- u. Garten-Schatzes. Bd. 3. Erfurt, 1753, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reichart_landschatz03_1753/89>, abgerufen am 24.11.2024.