ihn gegenwärtig fesselt. Beide fassen daher die Eindrücke nicht auf, die sie nach ihrer gegenwär- tigen Lage auffassen sollten. Doch kann der Mensch beides zugleich, zerstreut und vertieft seyn. Er ist eingeschränkt auf einen gewissen Be- zirk von Gegenständen, fasst aber innerhalb des- selben nirgends festen Fuss. Zuletzt veranlasst ihn dieser Zustand, in dem er seines Zwecks ver- fehlt, über die Grenze zu treten, und führt als- denn zur unbegrenzten Zerstreuung.
§. 11.
Aufmerksamkeit ist das Vermö- gen der Seele, ihre Kraft willkühr- lich an den Gegenstand zu fesseln, der durch die Besonnenheit angemerkt und aus der Menge zum klaren Be- wusstseyn ausgehoben ist. Die Beson- nenheit lässt den Gegenstand wieder fahren, wenn er ohne Werth ist. Erst durch die Aufmerksam- keit, die die Kraft der Seele auf einen festen Punkt anheftet, wird sie consolidirt. Dies ge- schicht nach einem freien Entschluss, der sich entweder auf Genuss der Lust, oder auf die Er- reichung eines moralischen Zwecks gründet. Je- ner zieht sanft an, diese fesselt uns, auch wenn es uns Mühe macht. Die Lust wirkt stärker, und am stärksten in der Jugend. Das Alter ist schwach an Verstand und liebt die Ruhe. Daher beherrschen wir unsere Aufmerksamkeit in den
ihn gegenwärtig feſſelt. Beide faſſen daher die Eindrücke nicht auf, die ſie nach ihrer gegenwär- tigen Lage auffaſſen ſollten. Doch kann der Menſch beides zugleich, zerſtreut und vertieft ſeyn. Er iſt eingeſchränkt auf einen gewiſſen Be- zirk von Gegenſtänden, faſst aber innerhalb deſ- ſelben nirgends feſten Fuſs. Zuletzt veranlaſst ihn dieſer Zuſtand, in dem er ſeines Zwecks ver- fehlt, über die Grenze zu treten, und führt als- denn zur unbegrenzten Zerſtreuung.
§. 11.
Aufmerkſamkeit iſt das Vermö- gen der Seele, ihre Kraft willkühr- lich an den Gegenſtand zu feſſeln, der durch die Beſonnenheit angemerkt und aus der Menge zum klaren Be- wuſstſeyn ausgehoben iſt. Die Beſon- nenheit läſst den Gegenſtand wieder fahren, wenn er ohne Werth iſt. Erſt durch die Aufmerkſam- keit, die die Kraft der Seele auf einen feſten Punkt anheftet, wird ſie conſolidirt. Dies ge- ſchicht nach einem freien Entſchluſs, der ſich entweder auf Genuſs der Luſt, oder auf die Er- reichung eines moraliſchen Zwecks gründet. Je- ner zieht ſanft an, dieſe feſſelt uns, auch wenn es uns Mühe macht. Die Luſt wirkt ſtärker, und am ſtärkſten in der Jugend. Das Alter iſt ſchwach an Verſtand und liebt die Ruhe. Daher beherrſchen wir unſere Aufmerkſamkeit in den
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ihn gegenwärtig feſſelt. Beide faſſen daher die
Eindrücke nicht auf, die ſie nach ihrer gegenwär-
tigen Lage auffaſſen ſollten. Doch kann der
Menſch beides zugleich, zerſtreut und vertieft
ſeyn. Er iſt eingeſchränkt auf einen gewiſſen Be-
zirk von Gegenſtänden, faſst aber innerhalb deſ-
ſelben nirgends feſten Fuſs. Zuletzt veranlaſst
ihn dieſer Zuſtand, in dem er ſeines Zwecks ver-
fehlt, über die Grenze zu treten, und führt als-
denn zur unbegrenzten Zerſtreuung.
§. 11.
Aufmerkſamkeit iſt das Vermö-
gen der Seele, ihre Kraft willkühr-
lich an den Gegenſtand zu feſſeln, der
durch die Beſonnenheit angemerkt
und aus der Menge zum klaren Be-
wuſstſeyn ausgehoben iſt. Die Beſon-
nenheit läſst den Gegenſtand wieder fahren, wenn
er ohne Werth iſt. Erſt durch die Aufmerkſam-
keit, die die Kraft der Seele auf einen feſten
Punkt anheftet, wird ſie conſolidirt. Dies ge-
ſchicht nach einem freien Entſchluſs, der ſich
entweder auf Genuſs der Luſt, oder auf die Er-
reichung eines moraliſchen Zwecks gründet. Je-
ner zieht ſanft an, dieſe feſſelt uns, auch wenn
es uns Mühe macht. Die Luſt wirkt ſtärker,
und am ſtärkſten in der Jugend. Das Alter iſt
ſchwach an Verſtand und liebt die Ruhe. Daher
beherrſchen wir unſere Aufmerkſamkeit in den
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Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/115>, abgerufen am 23.11.2024.
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