und Geschmack rechnen, deren Erregungen wir schwerlich für etwas mehr als für reine Modifi- kationen unsers Ichs halten würden, wenn das Gesicht und das Gefühl uns nicht überzeugten, dass sie ein Object ausser uns hätten. Andere psychische Mittel sind reale Objekte oder Zeichen und Symbole von Objekten, Vorstellungen, Be- griffen und Urtheilen, die den Sinnen mittelbar durch Luft und Licht mitgetheilt werden. Diese wirken direct unbedeutend, aber desto mehr in- direct, durch Anschauungen, Imaginationen, Begriffe und Urtheile, die sie in dem Vorstel- lungsvermögen erregen. Die erregten Modifika- tionen des Vorstellungsvermögens bringen geistige Gefühle und Leidenschaften verschiedener Art hervor, und im Gefolge derselben entstehn eigene Begierden, die den Menschen bestimmen, nach aussen zu wirken.
Während dieses Vorgangs im Seelenorgan ereignet sich manches im Nervensystem, was ganz körperlich ist. Die unmittelbar aufs Gemeinge- fühl einwirkenden Reize, in deren Gefolge nichts weiter als körperliche Lust oder Schmerz ent- steht, die Erregungen in den Sinnesnerven von der Grenze bis zum Seelenorgan, die Oscillatio- nen der Fibern des Gehirns zur Zeit seiner Thä- tigkeit, die Reflexionen der Hirnwirkungen auf die Bewegungsnerven, sind, sofern wir von den gleichzeitigen Vorstellungen absehen, ganz kör- perlich, und gehören daher auch nicht eigentlich
und Geſchmack rechnen, deren Erregungen wir ſchwerlich für etwas mehr als für reine Modifi- kationen unſers Ichs halten würden, wenn das Geſicht und das Gefühl uns nicht überzeugten, daſs ſie ein Object auſser uns hätten. Andere pſychiſche Mittel ſind reale Objekte oder Zeichen und Symbole von Objekten, Vorſtellungen, Be- griffen und Urtheilen, die den Sinnen mittelbar durch Luft und Licht mitgetheilt werden. Dieſe wirken direct unbedeutend, aber deſto mehr in- direct, durch Anſchauungen, Imaginationen, Begriffe und Urtheile, die ſie in dem Vorſtel- lungsvermögen erregen. Die erregten Modifika- tionen des Vorſtellungsvermögens bringen geiſtige Gefühle und Leidenſchaften verſchiedener Art hervor, und im Gefolge derſelben entſtehn eigene Begierden, die den Menſchen beſtimmen, nach auſsen zu wirken.
Während dieſes Vorgangs im Seelenorgan ereignet ſich manches im Nervenſyſtem, was ganz körperlich iſt. Die unmittelbar aufs Gemeinge- fühl einwirkenden Reize, in deren Gefolge nichts weiter als körperliche Luſt oder Schmerz ent- ſteht, die Erregungen in den Sinnesnerven von der Grenze bis zum Seelenorgan, die Oscillatio- nen der Fibern des Gehirns zur Zeit ſeiner Thä- tigkeit, die Reflexionen der Hirnwirkungen auf die Bewegungsnerven, ſind, ſofern wir von den gleichzeitigen Vorſtellungen abſehen, ganz kör- perlich, und gehören daher auch nicht eigentlich
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und Geſchmack rechnen, deren Erregungen wir
ſchwerlich für etwas mehr als für reine Modifi-
kationen unſers Ichs halten würden, wenn das
Geſicht und das Gefühl uns nicht überzeugten,
daſs ſie ein Object auſser uns hätten. Andere
pſychiſche Mittel ſind reale Objekte oder Zeichen
und Symbole von Objekten, Vorſtellungen, Be-
griffen und Urtheilen, die den Sinnen mittelbar
durch Luft und Licht mitgetheilt werden. Dieſe
wirken direct unbedeutend, aber deſto mehr in-
direct, durch Anſchauungen, Imaginationen,
Begriffe und Urtheile, die ſie in dem Vorſtel-
lungsvermögen erregen. Die erregten Modifika-
tionen des Vorſtellungsvermögens bringen geiſtige
Gefühle und Leidenſchaften verſchiedener Art
hervor, und im Gefolge derſelben entſtehn eigene
Begierden, die den Menſchen beſtimmen, nach
auſsen zu wirken.
Während dieſes Vorgangs im Seelenorgan
ereignet ſich manches im Nervenſyſtem, was ganz
körperlich iſt. Die unmittelbar aufs Gemeinge-
fühl einwirkenden Reize, in deren Gefolge nichts
weiter als körperliche Luſt oder Schmerz ent-
ſteht, die Erregungen in den Sinnesnerven von
der Grenze bis zum Seelenorgan, die Oscillatio-
nen der Fibern des Gehirns zur Zeit ſeiner Thä-
tigkeit, die Reflexionen der Hirnwirkungen auf
die Bewegungsnerven, ſind, ſofern wir von den
gleichzeitigen Vorſtellungen abſehen, ganz kör-
perlich, und gehören daher auch nicht eigentlich
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Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/159>, abgerufen am 21.11.2024.
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