Erregungen beschränkt ist. Die Seele pflanzt den angefangenen Zug nach ihrer eigenthümlichen Stimmung fort; die ursprüngliche Erregung eines Seelenvermögens springt schnell auf ein anderes über; der letzte Effect ist der vorwaltende, der ursprüngliche Kaum bemerkbar. Die unvermu- thete Ansicht einer geliebten Person schlüpft schnell durchs Vorstellungsvermögen zu den hef- tigsten Gefühlen über. Die geistigen Gefühle ge- hören zum Gefühlsvermögen; aber sie entstehn durch Mittel, die die Einbildungskraft und den Verstand erregen. Wohin sollen diese kommen? Noch schwieriger ist es, sie nach ihrem absoluten Gehalt zu ordnen. Symbole an sich sind leere Begriffe, die erst durch ihre Beziehung Realität bekommen. Ich habe es daher versucht, den Inbegriff aller psychischen Mittel gleichsam nach ihren vorwaltenden Bestandtheilen zusammenzustellen; d. h. ich habe sie theils mit Rücksicht auf ihre Natur an sich, theils mit Rück- sicht ihres nächsten und direkten Effects auf die Seele in bestimmte Classen abzutheilen gesucht. Nach dieser Idee sind sie unter drey verschiedne Ansichten geordnet und bey jedem einzelnen Mit- tel muss dann die Bedingtheit seiner Wirksamkeit angezeigt werden. Die erste Classe enthält Mittel, die an sich materieller Natur sind, un- mittelbar mit dem Körper des Kranken in Gemein- schaft gebracht werden, und dies in der Absicht, damit derselbe durch sie auf eine bestimmte Art
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Erregungen beſchränkt iſt. Die Seele pflanzt den angefangenen Zug nach ihrer eigenthümlichen Stimmung fort; die urſprüngliche Erregung eines Seelenvermögens ſpringt ſchnell auf ein anderes über; der letzte Effect iſt der vorwaltende, der urſprüngliche Kaum bemerkbar. Die unvermu- thete Anſicht einer geliebten Perſon ſchlüpft ſchnell durchs Vorſtellungsvermögen zu den hef- tigſten Gefühlen über. Die geiſtigen Gefühle ge- hören zum Gefühlsvermögen; aber ſie entſtehn durch Mittel, die die Einbildungskraft und den Verſtand erregen. Wohin ſollen dieſe kommen? Noch ſchwieriger iſt es, ſie nach ihrem abſoluten Gehalt zu ordnen. Symbole an ſich ſind leere Begriffe, die erſt durch ihre Beziehung Realität bekommen. Ich habe es daher verſucht, den Inbegriff aller pſychiſchen Mittel gleichſam nach ihren vorwaltenden Beſtandtheilen zuſammenzuſtellen; d. h. ich habe ſie theils mit Rückſicht auf ihre Natur an ſich, theils mit Rück- ſicht ihres nächſten und direkten Effects auf die Seele in beſtimmte Claſſen abzutheilen geſucht. Nach dieſer Idee ſind ſie unter drey verſchiedne Anſichten geordnet und bey jedem einzelnen Mit- tel muſs dann die Bedingtheit ſeiner Wirkſamkeit angezeigt werden. Die erſte Claſſe enthält Mittel, die an ſich materieller Natur ſind, un- mittelbar mit dem Körper des Kranken in Gemein- ſchaft gebracht werden, und dies in der Abſicht, damit derſelbe durch ſie auf eine beſtimmte Art
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Erregungen beſchränkt iſt. Die Seele pflanzt den
angefangenen Zug nach ihrer eigenthümlichen
Stimmung fort; die urſprüngliche Erregung eines
Seelenvermögens ſpringt ſchnell auf ein anderes
über; der letzte Effect iſt der vorwaltende, der
urſprüngliche Kaum bemerkbar. Die unvermu-
thete Anſicht einer geliebten Perſon ſchlüpft
ſchnell durchs Vorſtellungsvermögen zu den hef-
tigſten Gefühlen über. Die geiſtigen Gefühle ge-
hören zum Gefühlsvermögen; aber ſie entſtehn
durch Mittel, die die Einbildungskraft und den
Verſtand erregen. Wohin ſollen dieſe kommen?
Noch ſchwieriger iſt es, ſie nach ihrem abſoluten
Gehalt zu ordnen. Symbole an ſich ſind leere
Begriffe, die erſt durch ihre Beziehung Realität
bekommen. Ich habe es daher verſucht, den
Inbegriff aller pſychiſchen Mittel gleichſam nach
ihren vorwaltenden Beſtandtheilen
zuſammenzuſtellen; d. h. ich habe ſie theils mit
Rückſicht auf ihre Natur an ſich, theils mit Rück-
ſicht ihres nächſten und direkten Effects auf die
Seele in beſtimmte Claſſen abzutheilen geſucht.
Nach dieſer Idee ſind ſie unter drey verſchiedne
Anſichten geordnet und bey jedem einzelnen Mit-
tel muſs dann die Bedingtheit ſeiner Wirkſamkeit
angezeigt werden. Die erſte Claſſe enthält
Mittel, die an ſich materieller Natur ſind, un-
mittelbar mit dem Körper des Kranken in Gemein-
ſchaft gebracht werden, und dies in der Abſicht,
damit derſelbe durch ſie auf eine beſtimmte Art
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Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/184>, abgerufen am 15.05.2024.
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