Gefühle als Preise aufzustellen, die der Kranke durch sein Wohlverhalten gewinnen kann, werde ich unten noch besonders sprechen. Absichtlich erregte schmerzhafte Gefühle, die wir mit den Untugenden des Kranken in eine solche Verknü- pfung bringen, dass diese jene nach sich ziehn, nennen wir Strafen, wenn der Kranke von ihrem Zweck unterrichtet und denselben zu be- greifen im Stande ist. Dazu wird also erfordert, dass der Kranke Unarten habe, betrügerisch, boshaft, ungehorsam, widerspenstig sey, diese Eigenschaften selbst für Unarten anerkenne, und von dem Zusammenhange der ihm zugefügten schmerzhaften Gefühle mit ihrem Zweck einen klaren Begriff habe. Es giebt Verrückte, die ein boshaftes Herz haben, absichtlich andere Menschen zu plagen suchen und dem widerstreben, was zu ihrer Genesung angeordnet wird. Diese können durch eine zweckmässige Züchtigung ge- bessert werden. Andere kann man dadurch von Unreinlichkeit, Lärmen, Zank und anderen Un- arten abhalten. So erzählt Pinel*) von An- stalten in Frankreich und Schottland, in welchen die Verrückten durch zweckmässige Züchtigungen bey der geringsten Widerspenstigkeit zum Gehor- sam angehalten werden. Ihnen wird, wenn sie in ihren Behältnissen Lärm machen, sich des Nachts nicht niederlegen, nicht essen wollen, für
*) l. c. 66 S.
Gefühle als Preiſe aufzuſtellen, die der Kranke durch ſein Wohlverhalten gewinnen kann, werde ich unten noch beſonders ſprechen. Abſichtlich erregte ſchmerzhafte Gefühle, die wir mit den Untugenden des Kranken in eine ſolche Verknü- pfung bringen, daſs dieſe jene nach ſich ziehn, nennen wir Strafen, wenn der Kranke von ihrem Zweck unterrichtet und denſelben zu be- greifen im Stande iſt. Dazu wird alſo erfordert, daſs der Kranke Unarten habe, betrügeriſch, boshaft, ungehorſam, widerſpenſtig ſey, dieſe Eigenſchaften ſelbſt für Unarten anerkenne, und von dem Zuſammenhange der ihm zugefügten ſchmerzhaften Gefühle mit ihrem Zweck einen klaren Begriff habe. Es giebt Verrückte, die ein boshaftes Herz haben, abſichtlich andere Menſchen zu plagen ſuchen und dem widerſtreben, was zu ihrer Geneſung angeordnet wird. Dieſe können durch eine zweckmäſsige Züchtigung ge- beſſert werden. Andere kann man dadurch von Unreinlichkeit, Lärmen, Zank und anderen Un- arten abhalten. So erzählt Pinel*) von An- ſtalten in Frankreich und Schottland, in welchen die Verrückten durch zweckmäſsige Züchtigungen bey der geringſten Widerſpenſtigkeit zum Gehor- ſam angehalten werden. Ihnen wird, wenn ſie in ihren Behältniſſen Lärm machen, ſich des Nachts nicht niederlegen, nicht eſſen wollen, für
*) l. c. 66 S.
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Gefühle als Preiſe aufzuſtellen, die der Kranke
durch ſein Wohlverhalten gewinnen kann, werde
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erregte ſchmerzhafte Gefühle, die wir mit den
Untugenden des Kranken in eine ſolche Verknü-
pfung bringen, daſs dieſe jene nach ſich ziehn,
nennen wir Strafen, wenn der Kranke von
ihrem Zweck unterrichtet und denſelben zu be-
greifen im Stande iſt. Dazu wird alſo erfordert,
daſs der Kranke Unarten habe, betrügeriſch,
boshaft, ungehorſam, widerſpenſtig ſey, dieſe
Eigenſchaften ſelbſt für Unarten anerkenne, und
von dem Zuſammenhange der ihm zugefügten
ſchmerzhaften Gefühle mit ihrem Zweck einen
klaren Begriff habe. Es giebt Verrückte, die
ein boshaftes Herz haben, abſichtlich andere
Menſchen zu plagen ſuchen und dem widerſtreben,
was zu ihrer Geneſung angeordnet wird. Dieſe
können durch eine zweckmäſsige Züchtigung ge-
beſſert werden. Andere kann man dadurch von
Unreinlichkeit, Lärmen, Zank und anderen Un-
arten abhalten. So erzählt Pinel *) von An-
ſtalten in Frankreich und Schottland, in welchen
die Verrückten durch zweckmäſsige Züchtigungen
bey der geringſten Widerſpenſtigkeit zum Gehor-
ſam angehalten werden. Ihnen wird, wenn ſie
in ihren Behältniſſen Lärm machen, ſich des
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*) l. c. 66 S.
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Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/201>, abgerufen am 22.11.2024.
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