Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803.

Bild:
<< vorherige Seite

er einen Rumor hin- und herlaufender Menschen
auf der Strasse hörte, und beim Nachfragen er-
fuhr, dass das Haus des Nachbarn brenne *).

Ich erinnere mich irgendwo von einem
Katzenclavier gelesen zu haben. Die Thiere
waren nach der Tonleiter ausgesucht, in eine
Reihe mit rückwärts gekehrten Schwänzen ge-
ordnet, auf dieselben fiel eine mit scharfen Nägeln
versehene Tastatur. Die getroffene Katze gab ihren
Ton. Eine Fuge auf diesem Instrumente, zu-
mal wenn der Kranke so gestellt wird, dass er
die Physiognomie und das Geberden- Spiel dieser
Thiere nicht verliert, müsste selbst Loths Weib
von ihrer Starrsucht zur Besonnenheit gebracht
haben. Noch herzbrechender ist die Stimme des
Langohrs. Schade, dass er bey seinen geringen
Talenten doch Künstler-Caprice hat. Allein,
da es der Kunst zum Behuf der Jägerey gelungen
ist, in den Lockpfeifen die Stimmen so vieler
Thiere nachzuahmen, warum sollte es ihr nicht
auch möglich seyn, für diese und andere einschnei-
dende voces brutorum eigne Instrumente zu erfin-
den, die dann, neben der jüngst empfohlnen
Drehorgel, in dem Apparat der Tollhäuser ihren
Platz finden würden.

Vorzüglich erwähne ich an diesem Orte der
Musik, die schon den Juden und Heiden **) als

*) v. Swieten T. II. 334 S.
**) 1 Sam. C. XVI. Caelius Aurelianus
L. I. morb. chr. c. 5. art. med. princ.

er einen Rumor hin- und herlaufender Menſchen
auf der Straſse hörte, und beim Nachfragen er-
fuhr, daſs das Haus des Nachbarn brenne *).

Ich erinnere mich irgendwo von einem
Katzenclavier geleſen zu haben. Die Thiere
waren nach der Tonleiter ausgeſucht, in eine
Reihe mit rückwärts gekehrten Schwänzen ge-
ordnet, auf dieſelben fiel eine mit ſcharfen Nägeln
verſehene Taſtatur. Die getroffene Katze gab ihren
Ton. Eine Fuge auf dieſem Inſtrumente, zu-
mal wenn der Kranke ſo geſtellt wird, daſs er
die Phyſiognomie und das Geberden- Spiel dieſer
Thiere nicht verliert, müſste ſelbſt Loths Weib
von ihrer Starrſucht zur Beſonnenheit gebracht
haben. Noch herzbrechender iſt die Stimme des
Langohrs. Schade, daſs er bey ſeinen geringen
Talenten doch Künſtler-Caprice hat. Allein,
da es der Kunſt zum Behuf der Jägerey gelungen
iſt, in den Lockpfeifen die Stimmen ſo vieler
Thiere nachzuahmen, warum ſollte es ihr nicht
auch möglich ſeyn, für dieſe und andere einſchnei-
dende voces brutorum eigne Inſtrumente zu erfin-
den, die dann, neben der jüngſt empfohlnen
Drehorgel, in dem Apparat der Tollhäuſer ihren
Platz finden würden.

Vorzüglich erwähne ich an dieſem Orte der
Muſik, die ſchon den Juden und Heiden **) als

*) v. Swieten T. II. 334 S.
**) 1 Sam. C. XVI. Caelius Aurelianus
L. I. morb. chr. c. 5. art. med. princ.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0210" n="205"/>
er einen Rumor hin- und herlaufender Men&#x017F;chen<lb/>
auf der Stra&#x017F;se hörte, und beim Nachfragen er-<lb/>
fuhr, da&#x017F;s das Haus des Nachbarn brenne <note place="foot" n="*)">v. <hi rendition="#g">Swieten</hi> T. II. 334 S.</note>.</p><lb/>
          <p>Ich erinnere mich irgendwo von einem<lb/><hi rendition="#g">Katzenclavier</hi> gele&#x017F;en zu haben. Die Thiere<lb/>
waren nach der Tonleiter ausge&#x017F;ucht, in eine<lb/>
Reihe mit rückwärts gekehrten Schwänzen ge-<lb/>
ordnet, auf die&#x017F;elben fiel eine mit &#x017F;charfen Nägeln<lb/>
ver&#x017F;ehene Ta&#x017F;tatur. Die getroffene Katze gab ihren<lb/>
Ton. Eine Fuge auf die&#x017F;em In&#x017F;trumente, zu-<lb/>
mal wenn der Kranke &#x017F;o ge&#x017F;tellt wird, da&#x017F;s er<lb/>
die Phy&#x017F;iognomie und das Geberden- Spiel die&#x017F;er<lb/>
Thiere nicht verliert, mü&#x017F;ste &#x017F;elb&#x017F;t <hi rendition="#g">Loths</hi> Weib<lb/>
von ihrer Starr&#x017F;ucht zur Be&#x017F;onnenheit gebracht<lb/>
haben. Noch herzbrechender i&#x017F;t die Stimme des<lb/>
Langohrs. Schade, da&#x017F;s er bey &#x017F;einen geringen<lb/>
Talenten doch Kün&#x017F;tler-Caprice hat. Allein,<lb/>
da es der Kun&#x017F;t zum Behuf der Jägerey gelungen<lb/>
i&#x017F;t, in den Lockpfeifen die Stimmen &#x017F;o vieler<lb/>
Thiere nachzuahmen, warum &#x017F;ollte es ihr nicht<lb/>
auch möglich &#x017F;eyn, für die&#x017F;e und andere ein&#x017F;chnei-<lb/>
dende voces brutorum eigne In&#x017F;trumente zu erfin-<lb/>
den, die dann, neben der jüng&#x017F;t empfohlnen<lb/>
Drehorgel, in dem Apparat der Tollhäu&#x017F;er ihren<lb/>
Platz finden würden.</p><lb/>
          <p>Vorzüglich erwähne ich an die&#x017F;em Orte der<lb/><hi rendition="#g">Mu&#x017F;ik</hi>, die &#x017F;chon den Juden und Heiden <note place="foot" n="**)">1 Sam. C. XVI. <hi rendition="#g">Caelius Aurelianus</hi><lb/>
L. I. morb. chr. c. 5. art. med. princ.</note> als<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[205/0210] er einen Rumor hin- und herlaufender Menſchen auf der Straſse hörte, und beim Nachfragen er- fuhr, daſs das Haus des Nachbarn brenne *). Ich erinnere mich irgendwo von einem Katzenclavier geleſen zu haben. Die Thiere waren nach der Tonleiter ausgeſucht, in eine Reihe mit rückwärts gekehrten Schwänzen ge- ordnet, auf dieſelben fiel eine mit ſcharfen Nägeln verſehene Taſtatur. Die getroffene Katze gab ihren Ton. Eine Fuge auf dieſem Inſtrumente, zu- mal wenn der Kranke ſo geſtellt wird, daſs er die Phyſiognomie und das Geberden- Spiel dieſer Thiere nicht verliert, müſste ſelbſt Loths Weib von ihrer Starrſucht zur Beſonnenheit gebracht haben. Noch herzbrechender iſt die Stimme des Langohrs. Schade, daſs er bey ſeinen geringen Talenten doch Künſtler-Caprice hat. Allein, da es der Kunſt zum Behuf der Jägerey gelungen iſt, in den Lockpfeifen die Stimmen ſo vieler Thiere nachzuahmen, warum ſollte es ihr nicht auch möglich ſeyn, für dieſe und andere einſchnei- dende voces brutorum eigne Inſtrumente zu erfin- den, die dann, neben der jüngſt empfohlnen Drehorgel, in dem Apparat der Tollhäuſer ihren Platz finden würden. Vorzüglich erwähne ich an dieſem Orte der Muſik, die ſchon den Juden und Heiden **) als *) v. Swieten T. II. 334 S. **) 1 Sam. C. XVI. Caelius Aurelianus L. I. morb. chr. c. 5. art. med. princ.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/210
Zitationshilfe: Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/210>, abgerufen am 09.11.2024.