Den gefesselten Kranken soll man durch Ein- drücke, die auf das Gefühl und die Sinne wirken, den, der noch einigen Gebrauch des Verstandes hat, durch moralische Mittel zum Gehorsam nöthigen. Die sinnlichen Eindrücke müssen bloss rührend, z. B. donnernde Töne seyn, wenn der Kranke sinnlos ist; sie müssen schmerzhaft seyn, wenn er Energie und Widerstand äussert; sie müssen endlich in der Form von Strafen ange- wandt werden, wenn er hartnäckig und boshaft ist. Bey Narren, sagt Lichtenberg, helfen die Stockschläge oft mehr als alle andere Mittel. Durch sie wird die Seele genöthiget, sich wieder an diejenige Welt anzuschliessen, aus der die Prügel kommen. Oft ist es schon genug, zu drohen oder der Phantasie Bilder vorzuhalten, die schrecken. In solchen Fällen, sagt Langer- mann, soll man nach Wintringham's *) Rath, die Drohungen nicht geradezu an die Kranken richten, sondern sie lieber mit den Umstehenden verabreden. Sie hören doch darauf, argwöhnen keine leere Drohung und thun was man wünscht. Langermann**) hatte eine unfolgsame und rasende Kranke, die keine Arzney nehmen wollte. Er wandte sich an die Umstehenden, erklärte de- nen, dass er genöthiget sey, die Marter des
*) Samml. auserl. Abhandl. für pr. Aerzte. 8 B. 282 S.
**) d. c. 62 S.
Den gefeſſelten Kranken ſoll man durch Ein- drücke, die auf das Gefühl und die Sinne wirken, den, der noch einigen Gebrauch des Verſtandes hat, durch moraliſche Mittel zum Gehorſam nöthigen. Die ſinnlichen Eindrücke müſſen bloſs rührend, z. B. donnernde Töne ſeyn, wenn der Kranke ſinnlos iſt; ſie müſſen ſchmerzhaft ſeyn, wenn er Energie und Widerſtand äuſsert; ſie müſſen endlich in der Form von Strafen ange- wandt werden, wenn er hartnäckig und boshaft iſt. Bey Narren, ſagt Lichtenberg, helfen die Stockſchläge oft mehr als alle andere Mittel. Durch ſie wird die Seele genöthiget, ſich wieder an diejenige Welt anzuſchlieſsen, aus der die Prügel kommen. Oft iſt es ſchon genug, zu drohen oder der Phantaſie Bilder vorzuhalten, die ſchrecken. In ſolchen Fällen, ſagt Langer- mann, ſoll man nach Wintringham’s *) Rath, die Drohungen nicht geradezu an die Kranken richten, ſondern ſie lieber mit den Umſtehenden verabreden. Sie hören doch darauf, argwöhnen keine leere Drohung und thun was man wünſcht. Langermann**) hatte eine unfolgſame und raſende Kranke, die keine Arzney nehmen wollte. Er wandte ſich an die Umſtehenden, erklärte de- nen, daſs er genöthiget ſey, die Marter des
*) Samml. auserl. Abhandl. für pr. Aerzte. 8 B. 282 S.
**) d. c. 62 S.
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Den gefeſſelten Kranken ſoll man durch Ein-
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hat, durch moraliſche Mittel zum Gehorſam
nöthigen. Die ſinnlichen Eindrücke müſſen bloſs
rührend, z. B. donnernde Töne ſeyn, wenn der
Kranke ſinnlos iſt; ſie müſſen ſchmerzhaft ſeyn,
wenn er Energie und Widerſtand äuſsert; ſie
müſſen endlich in der Form von Strafen ange-
wandt werden, wenn er hartnäckig und boshaft
iſt. Bey Narren, ſagt Lichtenberg, helfen
die Stockſchläge oft mehr als alle andere Mittel.
Durch ſie wird die Seele genöthiget, ſich wieder
an diejenige Welt anzuſchlieſsen, aus der die
Prügel kommen. Oft iſt es ſchon genug, zu
drohen oder der Phantaſie Bilder vorzuhalten,
die ſchrecken. In ſolchen Fällen, ſagt Langer-
mann, ſoll man nach Wintringham’s *) Rath,
die Drohungen nicht geradezu an die Kranken
richten, ſondern ſie lieber mit den Umſtehenden
verabreden. Sie hören doch darauf, argwöhnen
keine leere Drohung und thun was man wünſcht.
Langermann **) hatte eine unfolgſame und
raſende Kranke, die keine Arzney nehmen wollte.
Er wandte ſich an die Umſtehenden, erklärte de-
nen, daſs er genöthiget ſey, die Marter des
*) Samml. auserl. Abhandl. für pr. Aerzte. 8 B.
282 S.
**) d. c. 62 S.
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Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/234>, abgerufen am 09.11.2024.
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