heilen, ist nicht neu. D. Gregory*) erzählt, dass ein Pächter im nördlichen Schottland sich einen grossen Namen in der Kunst, Narren heilen zu können, erworben habe. Doch verstand er nichts von der Medicin, sondern war ein Mann von gesundem Verstande, brutal, und hatte den Körperbau eines Riesen. Seine Methode bestand darin, dass er die Kranken zum Ackerbau an- hielt. Einige dienten ihm als Domestiken, andere als Lastthiere. Er spannte sie vor die Egge und vor den Pflug, nachdem er sie vorher durch eine Tracht Schläge, mit denen er sie bey der ersten Widerspenstigkeit bediente, zum Gehorsam ge- bracht hatte. Auch in andern Gegenden Schott- lands soll diese Methode, die Irrenden zum Ackerbau anzuhalten, nur auf eine sanftere Art, von den Aerzten mit vielem Glück angewandt werden.
Von den körperlichen und mechanischen Arbeiten schreiten wir, in abgemessenen Verhält- nissen mit der Zunahme der Aufmerksamkeit und der Wiederkehr der Vernunft zu Uebungen des Kranken in Kunst- und Geistesarbeiten fort. Ei- nige derselben sind bereits bemerkt, andere sollen noch angezeigt werden. Diese Uebungen be- ziehn sich mehr oder weniger auf einzelne Seelenvermögen und dienen daher zu- gleich zur besonderen Cultur dersel-
*)Pinel l. c. 407 S.
heilen, iſt nicht neu. D. Gregory*) erzählt, daſs ein Pächter im nördlichen Schottland ſich einen groſsen Namen in der Kunſt, Narren heilen zu können, erworben habe. Doch verſtand er nichts von der Medicin, ſondern war ein Mann von geſundem Verſtande, brutal, und hatte den Körperbau eines Rieſen. Seine Methode beſtand darin, daſs er die Kranken zum Ackerbau an- hielt. Einige dienten ihm als Domeſtiken, andere als Laſtthiere. Er ſpannte ſie vor die Egge und vor den Pflug, nachdem er ſie vorher durch eine Tracht Schläge, mit denen er ſie bey der erſten Widerſpenſtigkeit bediente, zum Gehorſam ge- bracht hatte. Auch in andern Gegenden Schott- lands ſoll dieſe Methode, die Irrenden zum Ackerbau anzuhalten, nur auf eine ſanftere Art, von den Aerzten mit vielem Glück angewandt werden.
Von den körperlichen und mechaniſchen Arbeiten ſchreiten wir, in abgemeſſenen Verhält- niſſen mit der Zunahme der Aufmerkſamkeit und der Wiederkehr der Vernunft zu Uebungen des Kranken in Kunſt- und Geiſtesarbeiten fort. Ei- nige derſelben ſind bereits bemerkt, andere ſollen noch angezeigt werden. Dieſe Uebungen be- ziehn ſich mehr oder weniger auf einzelne Seelenvermögen und dienen daher zu- gleich zur beſonderen Cultur derſel-
*)Pinel l. c. 407 S.
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heilen, iſt nicht neu. D. Gregory *) erzählt,
daſs ein Pächter im nördlichen Schottland ſich
einen groſsen Namen in der Kunſt, Narren heilen
zu können, erworben habe. Doch verſtand er
nichts von der Medicin, ſondern war ein Mann
von geſundem Verſtande, brutal, und hatte den
Körperbau eines Rieſen. Seine Methode beſtand
darin, daſs er die Kranken zum Ackerbau an-
hielt. Einige dienten ihm als Domeſtiken, andere
als Laſtthiere. Er ſpannte ſie vor die Egge und
vor den Pflug, nachdem er ſie vorher durch eine
Tracht Schläge, mit denen er ſie bey der erſten
Widerſpenſtigkeit bediente, zum Gehorſam ge-
bracht hatte. Auch in andern Gegenden Schott-
lands ſoll dieſe Methode, die Irrenden zum
Ackerbau anzuhalten, nur auf eine ſanftere Art,
von den Aerzten mit vielem Glück angewandt
werden.
Von den körperlichen und mechaniſchen
Arbeiten ſchreiten wir, in abgemeſſenen Verhält-
niſſen mit der Zunahme der Aufmerkſamkeit und
der Wiederkehr der Vernunft zu Uebungen des
Kranken in Kunſt- und Geiſtesarbeiten fort. Ei-
nige derſelben ſind bereits bemerkt, andere ſollen
noch angezeigt werden. Dieſe Uebungen be-
ziehn ſich mehr oder weniger auf einzelne
Seelenvermögen und dienen daher zu-
gleich zur beſonderen Cultur derſel-
*) Pinel l. c. 407 S.
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Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/249>, abgerufen am 09.11.2024.
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