methode geheilt werden müsse. Vielleicht könnte es gar diesem, wenigstens an frechen Thrasonen ärmlichen Völckchen gelingen, dies Fach mit dem meisten Glück zu bearbeiten, wenn sie mit ihren Nachbaren einerley günstige Hülfsmittel hätten.
§. 5.
Die psychische Curmethode hat noch mit mancherley kleinen und grossen, relativen und absoluten Schwierigkeiten zu kämpfen. Wer sich daher ihrer bedienen will, scheint ein vorzügli- ches Talent, grossen Scharfblick, mehr Kennt- nisse und Fertigkeiten nöthig zu haben als jeder andere Heilkünstler, der direct auf den Körper wirkt. Der psychische Arzt hat die verwickelt- sten Verhältnisse zu berechnen. Er kann die ab- solute Kraft seiner Instrumente, nicht wie die Kraft eines Tourniquets oder wie die Grösse eines Rhabarberpulvers, in Zahlen fassen, oder durch Maass und Gewicht bestimmen. Meistens muss er die Eindrücke auf das Vorstellungs- und Be- gehrungsvermögen des Kranken extemporiren, wie es der Zufall heischt und sein Genie zu star- ken und überraschenden Inpromptü's aufgelegt ist. Noch mehr Spielraum hat der relative Effect der psychischen Mittel. Sie wirken auf das Seelenorgan, also auf einen Theil des Orga- nismus, der unter allen die zartesten Kräfte und diese von so beweglicher Temperatur hat, dass
sie
methode geheilt werden müſſe. Vielleicht könnte es gar dieſem, wenigſtens an frechen Thraſonen ärmlichen Völckchen gelingen, dies Fach mit dem meiſten Glück zu bearbeiten, wenn ſie mit ihren Nachbaren einerley günſtige Hülfsmittel hätten.
§. 5.
Die pſychiſche Curmethode hat noch mit mancherley kleinen und groſsen, relativen und abſoluten Schwierigkeiten zu kämpfen. Wer ſich daher ihrer bedienen will, ſcheint ein vorzügli- ches Talent, groſsen Scharfblick, mehr Kennt- niſſe und Fertigkeiten nöthig zu haben als jeder andere Heilkünſtler, der direct auf den Körper wirkt. Der pſychiſche Arzt hat die verwickelt- ſten Verhältniſſe zu berechnen. Er kann die ab- ſolute Kraft ſeiner Inſtrumente, nicht wie die Kraft eines Tourniquets oder wie die Gröſse eines Rhabarberpulvers, in Zahlen faſſen, oder durch Maaſs und Gewicht beſtimmen. Meiſtens muſs er die Eindrücke auf das Vorſtellungs- und Be- gehrungsvermögen des Kranken extemporiren, wie es der Zufall heiſcht und ſein Genie zu ſtar- ken und überraſchenden Inpromptü’s aufgelegt iſt. Noch mehr Spielraum hat der relative Effect der pſychiſchen Mittel. Sie wirken auf das Seelenorgan, alſo auf einen Theil des Orga- nismus, der unter allen die zarteſten Kräfte und dieſe von ſo beweglicher Temperatur hat, daſs
ſie
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0037"n="32"/>
methode geheilt werden müſſe. Vielleicht könnte<lb/>
es gar dieſem, wenigſtens an frechen Thraſonen<lb/>
ärmlichen Völckchen gelingen, dies Fach mit<lb/>
dem meiſten Glück zu bearbeiten, wenn ſie mit<lb/>
ihren Nachbaren einerley günſtige Hülfsmittel<lb/>
hätten.</p></div><lb/><divn="2"><head>§. 5.</head><lb/><p>Die pſychiſche Curmethode hat noch mit<lb/>
mancherley kleinen und groſsen, relativen und<lb/>
abſoluten Schwierigkeiten zu kämpfen. Wer ſich<lb/>
daher ihrer bedienen will, ſcheint ein vorzügli-<lb/>
ches Talent, groſsen Scharfblick, mehr Kennt-<lb/>
niſſe und Fertigkeiten nöthig zu haben als jeder<lb/>
andere Heilkünſtler, der direct auf den Körper<lb/>
wirkt. Der pſychiſche Arzt hat die verwickelt-<lb/>ſten Verhältniſſe zu berechnen. Er kann die <hirendition="#g">ab-<lb/>ſolute</hi> Kraft ſeiner Inſtrumente, nicht wie die<lb/>
Kraft eines Tourniquets oder wie die Gröſse eines<lb/>
Rhabarberpulvers, in Zahlen faſſen, oder durch<lb/>
Maaſs und Gewicht beſtimmen. Meiſtens muſs<lb/>
er die Eindrücke auf das Vorſtellungs- und Be-<lb/>
gehrungsvermögen des Kranken extemporiren,<lb/>
wie es der Zufall heiſcht und ſein Genie zu ſtar-<lb/>
ken und überraſchenden Inpromptü’s aufgelegt<lb/>
iſt. Noch mehr Spielraum hat der <hirendition="#g">relative</hi><lb/>
Effect der pſychiſchen Mittel. Sie wirken auf<lb/>
das Seelenorgan, alſo auf einen Theil des Orga-<lb/>
nismus, der unter allen die zarteſten Kräfte und<lb/>
dieſe von ſo beweglicher Temperatur hat, <hirendition="#g">daſs</hi><lb/><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#g">ſie</hi></fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[32/0037]
methode geheilt werden müſſe. Vielleicht könnte
es gar dieſem, wenigſtens an frechen Thraſonen
ärmlichen Völckchen gelingen, dies Fach mit
dem meiſten Glück zu bearbeiten, wenn ſie mit
ihren Nachbaren einerley günſtige Hülfsmittel
hätten.
§. 5.
Die pſychiſche Curmethode hat noch mit
mancherley kleinen und groſsen, relativen und
abſoluten Schwierigkeiten zu kämpfen. Wer ſich
daher ihrer bedienen will, ſcheint ein vorzügli-
ches Talent, groſsen Scharfblick, mehr Kennt-
niſſe und Fertigkeiten nöthig zu haben als jeder
andere Heilkünſtler, der direct auf den Körper
wirkt. Der pſychiſche Arzt hat die verwickelt-
ſten Verhältniſſe zu berechnen. Er kann die ab-
ſolute Kraft ſeiner Inſtrumente, nicht wie die
Kraft eines Tourniquets oder wie die Gröſse eines
Rhabarberpulvers, in Zahlen faſſen, oder durch
Maaſs und Gewicht beſtimmen. Meiſtens muſs
er die Eindrücke auf das Vorſtellungs- und Be-
gehrungsvermögen des Kranken extemporiren,
wie es der Zufall heiſcht und ſein Genie zu ſtar-
ken und überraſchenden Inpromptü’s aufgelegt
iſt. Noch mehr Spielraum hat der relative
Effect der pſychiſchen Mittel. Sie wirken auf
das Seelenorgan, alſo auf einen Theil des Orga-
nismus, der unter allen die zarteſten Kräfte und
dieſe von ſo beweglicher Temperatur hat, daſs
ſie
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/37>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.