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Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803.

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ersten besten, der ihm unter die Augen kommen
würde, zu vergiessen. Seiner Aussage nach hatte
er einen beständigen inneren Kampf zwischen dem
grausamen Triebe des auf Zerstörung gerichteten
Instincts und zwischen dem tiefen Abscheu, wel-
chen ihm die Vorstellung eines solchen Verbre-
chens einflösste, zu bestehen. Es war bey ihm
kein Zeichen einer Verletzung des Gedächtnisses,
der Imagination oder der Urtheilskraft vorhan-
den. Auch gestand er, dass sein Hang zum
Morden unwillkührlich sey, dass eines Tages
sein Weib, die er zärtlich liebte, beinahe ein
Schlachtopfer desselben geworden wäre, und er
kaum so viel Zeit gehabt hätte, sie an eine schleu-
nige Flucht zu erinnern. Welche Ursachen sollte
ich haben, sagte er einstens, den Aufseher unse-
res Hospitals zu morden, der uns mit so vieler
Menschlichkeit behandelt? Demohngeachtet treibt
es mich an, in dem Augenblick meiner Wuth
über ihn so, wie über jeden andern, herzufallen,
und ihm einen Dolch ins Herz zu stossen. Dieser
unglückselige Hang bringt mich zur Verzweif-
lung, und bestimmt mich, mir lieber selbst das
Leben zu nehmen, als dies Verbrechen an anderen
und unschuldigen zu begehn. Wirklich hatte er
auch einige Versuche gemacht, sich selbst zu
tödten. Als die Mörder, sagt Pinel *), von der
in den Gefängnissen verübten Metzeley zurück-

*) l. c. 164 S.

erſten beſten, der ihm unter die Augen kommen
würde, zu vergieſsen. Seiner Ausſage nach hatte
er einen beſtändigen inneren Kampf zwiſchen dem
grauſamen Triebe des auf Zerſtörung gerichteten
Inſtincts und zwiſchen dem tiefen Abſcheu, wel-
chen ihm die Vorſtellung eines ſolchen Verbre-
chens einflöſste, zu beſtehen. Es war bey ihm
kein Zeichen einer Verletzung des Gedächtniſſes,
der Imagination oder der Urtheilskraft vorhan-
den. Auch geſtand er, daſs ſein Hang zum
Morden unwillkührlich ſey, daſs eines Tages
ſein Weib, die er zärtlich liebte, beinahe ein
Schlachtopfer deſſelben geworden wäre, und er
kaum ſo viel Zeit gehabt hätte, ſie an eine ſchleu-
nige Flucht zu erinnern. Welche Urſachen ſollte
ich haben, ſagte er einſtens, den Aufſeher unſe-
res Hoſpitals zu morden, der uns mit ſo vieler
Menſchlichkeit behandelt? Demohngeachtet treibt
es mich an, in dem Augenblick meiner Wuth
über ihn ſo, wie über jeden andern, herzufallen,
und ihm einen Dolch ins Herz zu ſtoſsen. Dieſer
unglückſelige Hang bringt mich zur Verzweif-
lung, und beſtimmt mich, mir lieber ſelbſt das
Leben zu nehmen, als dies Verbrechen an anderen
und unſchuldigen zu begehn. Wirklich hatte er
auch einige Verſuche gemacht, ſich ſelbſt zu
tödten. Als die Mörder, ſagt Pinel *), von der
in den Gefängniſſen verübten Metzeley zurück-

*) l. c. 164 S.
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[392/0397] erſten beſten, der ihm unter die Augen kommen würde, zu vergieſsen. Seiner Ausſage nach hatte er einen beſtändigen inneren Kampf zwiſchen dem grauſamen Triebe des auf Zerſtörung gerichteten Inſtincts und zwiſchen dem tiefen Abſcheu, wel- chen ihm die Vorſtellung eines ſolchen Verbre- chens einflöſste, zu beſtehen. Es war bey ihm kein Zeichen einer Verletzung des Gedächtniſſes, der Imagination oder der Urtheilskraft vorhan- den. Auch geſtand er, daſs ſein Hang zum Morden unwillkührlich ſey, daſs eines Tages ſein Weib, die er zärtlich liebte, beinahe ein Schlachtopfer deſſelben geworden wäre, und er kaum ſo viel Zeit gehabt hätte, ſie an eine ſchleu- nige Flucht zu erinnern. Welche Urſachen ſollte ich haben, ſagte er einſtens, den Aufſeher unſe- res Hoſpitals zu morden, der uns mit ſo vieler Menſchlichkeit behandelt? Demohngeachtet treibt es mich an, in dem Augenblick meiner Wuth über ihn ſo, wie über jeden andern, herzufallen, und ihm einen Dolch ins Herz zu ſtoſsen. Dieſer unglückſelige Hang bringt mich zur Verzweif- lung, und beſtimmt mich, mir lieber ſelbſt das Leben zu nehmen, als dies Verbrechen an anderen und unſchuldigen zu begehn. Wirklich hatte er auch einige Verſuche gemacht, ſich ſelbſt zu tödten. Als die Mörder, ſagt Pinel *), von der in den Gefängniſſen verübten Metzeley zurück- *) l. c. 164 S.

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Zitationshilfe: Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 392. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/397>, abgerufen am 23.11.2024.