Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803.

Bild:
<< vorherige Seite

Interesse anziehn, Spiele, die zugleich den Kör-
per stärken, also Leibesübungen, oder scheinbare
Gefahren seyn, die den Kranken nöthigen, sie und
die Mittel zu beachten, die zu seiner Rettung
dienen. In der Wahl dieser Uebungen müssen
wir bloss ihren Hauptzweck, Weckung der Er-
regbarkeit des Gehirns, vor Augen haben, und
alle Nebenzwecke, z. B. Erweiterung der Kennt-
nisse bey Seite setzen, die uns mit einem unbe-
deutenden Vortheil in der Wahl der Mittel ein-
schränken würden. Gymnastische Uebungen
passen sehr gut. Die Aufmerksamkeit des
Kranken wird durch sie genöthiget, mit einer
gewissen Schnelligkeit von Moment zu Moment
fortzugehen, darf keinen Gegenstand übersprin-
gen, aber auch bey keinem zu lang verweilen.
In der Folge, wenn der Kranke erst in der Be-
achtung successiver Erscheinungen geübt ist, wählt
man andere Leibesübungen, bey welchen es vor-
züglich auf die Vertheilung der Aufmerksamkeit
auf mehrere Punkte zu gleicher Zeit ankömmt.

Nun geht man zu wissenschaftlichen Uebun-
gen fort. Zum Anfang dient die Mathematik, in
welcher es auf strenge Beweise und auf ein stäti-
ges Fortschreiten der Aufmerksamkeit von Punkt
zu Punkt ankömmt. Durch sie wird also die
raisonnirende Vernunft und das Vermögen der
Seele den gegebnen Gegenstand festzuhalten ge-
übt. In der Folge sucht man die Urtheilskraft
in dem Abwägen der Gründe und Gegengründe,

Intereſſe anziehn, Spiele, die zugleich den Kör-
per ſtärken, alſo Leibesübungen, oder ſcheinbare
Gefahren ſeyn, die den Kranken nöthigen, ſie und
die Mittel zu beachten, die zu ſeiner Rettung
dienen. In der Wahl dieſer Uebungen müſſen
wir bloſs ihren Hauptzweck, Weckung der Er-
regbarkeit des Gehirns, vor Augen haben, und
alle Nebenzwecke, z. B. Erweiterung der Kennt-
niſſe bey Seite ſetzen, die uns mit einem unbe-
deutenden Vortheil in der Wahl der Mittel ein-
ſchränken würden. Gymnaſtiſche Uebungen
paſſen ſehr gut. Die Aufmerkſamkeit des
Kranken wird durch ſie genöthiget, mit einer
gewiſſen Schnelligkeit von Moment zu Moment
fortzugehen, darf keinen Gegenſtand überſprin-
gen, aber auch bey keinem zu lang verweilen.
In der Folge, wenn der Kranke erſt in der Be-
achtung ſucceſſiver Erſcheinungen geübt iſt, wählt
man andere Leibesübungen, bey welchen es vor-
züglich auf die Vertheilung der Aufmerkſamkeit
auf mehrere Punkte zu gleicher Zeit ankömmt.

Nun geht man zu wiſſenſchaftlichen Uebun-
gen fort. Zum Anfang dient die Mathematik, in
welcher es auf ſtrenge Beweiſe und auf ein ſtäti-
ges Fortſchreiten der Aufmerkſamkeit von Punkt
zu Punkt ankömmt. Durch ſie wird alſo die
raiſonnirende Vernunft und das Vermögen der
Seele den gegebnen Gegenſtand feſtzuhalten ge-
übt. In der Folge ſucht man die Urtheilskraft
in dem Abwägen der Gründe und Gegengründe,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0442" n="437"/>
Intere&#x017F;&#x017F;e anziehn, Spiele, die zugleich den Kör-<lb/>
per &#x017F;tärken, al&#x017F;o Leibesübungen, oder &#x017F;cheinbare<lb/>
Gefahren &#x017F;eyn, die den Kranken nöthigen, &#x017F;ie und<lb/>
die Mittel zu beachten, die zu &#x017F;einer Rettung<lb/>
dienen. In der Wahl die&#x017F;er Uebungen mü&#x017F;&#x017F;en<lb/>
wir blo&#x017F;s ihren Hauptzweck, Weckung der Er-<lb/>
regbarkeit des Gehirns, vor Augen haben, und<lb/>
alle Nebenzwecke, z. B. Erweiterung der Kennt-<lb/>
ni&#x017F;&#x017F;e bey Seite &#x017F;etzen, die uns mit einem unbe-<lb/>
deutenden Vortheil in der Wahl der Mittel ein-<lb/>
&#x017F;chränken würden. Gymna&#x017F;ti&#x017F;che Uebungen<lb/>
pa&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ehr gut. Die Aufmerk&#x017F;amkeit des<lb/>
Kranken wird durch &#x017F;ie genöthiget, mit einer<lb/>
gewi&#x017F;&#x017F;en Schnelligkeit von Moment zu Moment<lb/>
fortzugehen, darf keinen Gegen&#x017F;tand über&#x017F;prin-<lb/>
gen, aber auch bey keinem zu lang verweilen.<lb/>
In der Folge, wenn der Kranke er&#x017F;t in der Be-<lb/>
achtung &#x017F;ucce&#x017F;&#x017F;iver Er&#x017F;cheinungen geübt i&#x017F;t, wählt<lb/>
man andere Leibesübungen, bey welchen es vor-<lb/>
züglich auf die Vertheilung der Aufmerk&#x017F;amkeit<lb/>
auf mehrere Punkte zu gleicher Zeit ankömmt.</p><lb/>
            <p>Nun geht man zu wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftlichen Uebun-<lb/>
gen fort. Zum Anfang dient die Mathematik, in<lb/>
welcher es auf &#x017F;trenge Bewei&#x017F;e und auf ein &#x017F;täti-<lb/>
ges Fort&#x017F;chreiten der Aufmerk&#x017F;amkeit von Punkt<lb/>
zu Punkt ankömmt. Durch &#x017F;ie wird al&#x017F;o die<lb/>
rai&#x017F;onnirende Vernunft und das Vermögen der<lb/>
Seele den gegebnen Gegen&#x017F;tand fe&#x017F;tzuhalten ge-<lb/>
übt. In der Folge &#x017F;ucht man die Urtheilskraft<lb/>
in dem Abwägen der Gründe und Gegengründe,<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[437/0442] Intereſſe anziehn, Spiele, die zugleich den Kör- per ſtärken, alſo Leibesübungen, oder ſcheinbare Gefahren ſeyn, die den Kranken nöthigen, ſie und die Mittel zu beachten, die zu ſeiner Rettung dienen. In der Wahl dieſer Uebungen müſſen wir bloſs ihren Hauptzweck, Weckung der Er- regbarkeit des Gehirns, vor Augen haben, und alle Nebenzwecke, z. B. Erweiterung der Kennt- niſſe bey Seite ſetzen, die uns mit einem unbe- deutenden Vortheil in der Wahl der Mittel ein- ſchränken würden. Gymnaſtiſche Uebungen paſſen ſehr gut. Die Aufmerkſamkeit des Kranken wird durch ſie genöthiget, mit einer gewiſſen Schnelligkeit von Moment zu Moment fortzugehen, darf keinen Gegenſtand überſprin- gen, aber auch bey keinem zu lang verweilen. In der Folge, wenn der Kranke erſt in der Be- achtung ſucceſſiver Erſcheinungen geübt iſt, wählt man andere Leibesübungen, bey welchen es vor- züglich auf die Vertheilung der Aufmerkſamkeit auf mehrere Punkte zu gleicher Zeit ankömmt. Nun geht man zu wiſſenſchaftlichen Uebun- gen fort. Zum Anfang dient die Mathematik, in welcher es auf ſtrenge Beweiſe und auf ein ſtäti- ges Fortſchreiten der Aufmerkſamkeit von Punkt zu Punkt ankömmt. Durch ſie wird alſo die raiſonnirende Vernunft und das Vermögen der Seele den gegebnen Gegenſtand feſtzuhalten ge- übt. In der Folge ſucht man die Urtheilskraft in dem Abwägen der Gründe und Gegengründe,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/442
Zitationshilfe: Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 437. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/442>, abgerufen am 22.11.2024.