und moralischen Mitteln, die zur Heilung der Kranken erfordert werden. Welcher Kopf ist im Stande, ein Krankenhaus und zugleich ein Narrenhaus mit nöthiger Schärfe zu beachten! Irrende, die noch einige Besonnenheit haben, müs- sen vollends rasend werden über die Unvernunft ihrer Nebenmenschen, die sie mit Dieben und Mördern in eine Klasse zusammenstellen. Die Zuchtknechte, Stockmeister und Diebeswärter sind meistens rohe Menschen, bey denen Barba- rey an der Tagesordnung steht, und welche oben- drein diese Unglücklichen als eine lästige Bür- de ihrer Amtspflichten betrachten, die sie, um sie auf die kürzeste Art zu besorgen, in feuchte Gewölbe, Gefängnisse und in die Kellergeschosse ihrer Anstalten einsperren. Das nächtliche Ge- brüll der Rasenden und das Geklirre der Ketten hallt Tag und Nacht in den langen Gassen wie- der, in welchen Käfig an Käfig stösst, und bringt jeden neuen Ankömmling bald um das Bischen Verstand, das ihm etwan noch übrig ist.
Und doch sind Irrenhäuser, wie bereits oben bemerkt ist, in der Regel nothwendige Er- fordernisse zur Kur der Irrenden. In keinem Privathause kann der Umfang psychischer und physischer Mittel zu ihrer Heilung in der Voll- kommenheit geschafft werden, als in einem Ir- renhause. Die Kranken werden entfernt von den Gegenständen, die sie immer von neuem an ihre fixen Ideen erinnern. Sie sind umringt von
und moraliſchen Mitteln, die zur Heilung der Kranken erfordert werden. Welcher Kopf iſt im Stande, ein Krankenhaus und zugleich ein Narrenhaus mit nöthiger Schärfe zu beachten! Irrende, die noch einige Beſonnenheit haben, müſ- ſen vollends raſend werden über die Unvernunft ihrer Nebenmenſchen, die ſie mit Dieben und Mördern in eine Klaſſe zuſammenſtellen. Die Zuchtknechte, Stockmeiſter und Diebeswärter ſind meiſtens rohe Menſchen, bey denen Barba- rey an der Tagesordnung ſteht, und welche oben- drein dieſe Unglücklichen als eine läſtige Bür- de ihrer Amtspflichten betrachten, die ſie, um ſie auf die kürzeſte Art zu beſorgen, in feuchte Gewölbe, Gefängniſſe und in die Kellergeſchoſſe ihrer Anſtalten einſperren. Das nächtliche Ge- brüll der Raſenden und das Geklirre der Ketten hallt Tag und Nacht in den langen Gaſſen wie- der, in welchen Käfig an Käfig ſtöſst, und bringt jeden neuen Ankömmling bald um das Bischen Verſtand, das ihm etwan noch übrig iſt.
Und doch ſind Irrenhäuſer, wie bereits oben bemerkt iſt, in der Regel nothwendige Er- forderniſſe zur Kur der Irrenden. In keinem Privathauſe kann der Umfang pſychiſcher und phyſiſcher Mittel zu ihrer Heilung in der Voll- kommenheit geſchafft werden, als in einem Ir- renhauſe. Die Kranken werden entfernt von den Gegenſtänden, die ſie immer von neuem an ihre fixen Ideen erinnern. Sie ſind umringt von
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und moraliſchen Mitteln, die zur Heilung der
Kranken erfordert werden. Welcher Kopf iſt
im Stande, ein Krankenhaus und zugleich ein
Narrenhaus mit nöthiger Schärfe zu beachten!
Irrende, die noch einige Beſonnenheit haben, müſ-
ſen vollends raſend werden über die Unvernunft
ihrer Nebenmenſchen, die ſie mit Dieben und
Mördern in eine Klaſſe zuſammenſtellen. Die
Zuchtknechte, Stockmeiſter und Diebeswärter
ſind meiſtens rohe Menſchen, bey denen Barba-
rey an der Tagesordnung ſteht, und welche oben-
drein dieſe Unglücklichen als eine läſtige Bür-
de ihrer Amtspflichten betrachten, die ſie, um
ſie auf die kürzeſte Art zu beſorgen, in feuchte
Gewölbe, Gefängniſſe und in die Kellergeſchoſſe
ihrer Anſtalten einſperren. Das nächtliche Ge-
brüll der Raſenden und das Geklirre der Ketten
hallt Tag und Nacht in den langen Gaſſen wie-
der, in welchen Käfig an Käfig ſtöſst, und bringt
jeden neuen Ankömmling bald um das Bischen
Verſtand, das ihm etwan noch übrig iſt.
Und doch ſind Irrenhäuſer, wie bereits
oben bemerkt iſt, in der Regel nothwendige Er-
forderniſſe zur Kur der Irrenden. In keinem
Privathauſe kann der Umfang pſychiſcher und
phyſiſcher Mittel zu ihrer Heilung in der Voll-
kommenheit geſchafft werden, als in einem Ir-
renhauſe. Die Kranken werden entfernt von
den Gegenſtänden, die ſie immer von neuem an
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Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 455. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/460>, abgerufen am 22.11.2024.
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