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Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803.

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Zuvörderst gebe man der Anstalt den mil-
desten Namen, nenne sie eine Pensionsanstalt für
Nervenkranke, ein Hospital für die psychische
Kurmethode, und lasse nur solche Tollhäuser
übrig, die sich vermöge ihrer Verfassung dazu
qualificiren. Man verheimliche die Aufnahme der
Irrenden, nehme zuweilen auch andere Kranke
auf, die der psychischen Heilmethode bedürfen,
und scheide augenblicklich die Reconvalescenten
von den Kranken, damit jene in dem Spiegel ihrer
Gesellschaft ihre Krankheit nicht entdecken. Es
ist ein peinigender Gedanke, einmal ein Narr ge-
wesen zu seyn. Selten schöpft der Kranke ihn
aus sich selbst, denn das Bewusstseyn seiner Per-
sönlichkeit ist durch seine Krankheit unterbro-
chen. Er schöpft ihn vielmehr aus dem Geständ-
niss anderer, die ihn ins Tollhaus brachten.

Dann muss die Irrenanstalt als Heilanstalt
nur so gross seyn, dass die Kräfte der äusseren
und besonders der inneren Administration sie be-
streiten können. Schwerlich dürfen mehr als
zwanzig Kranke zu gleicher Zeit aufgenommen
werden. Nun könnte es zwar scheinen, als
wenn die deswegen nöthige Vervielfältigung der
Institute in einem narrenreichen Staat seine Kräfte
übersteigen möchte. Allein theils kosten kleine
Anstalten weniger als grosse, theils wird die
Zahl der heilbaren Irrenden im Verhältniss zu
den unheilbaren gering seyn, und ihr Aufenthalt
in der Anstalt nur auf die Dauer ihrer Krankheit,

Zuvörderſt gebe man der Anſtalt den mil-
deſten Namen, nenne ſie eine Penſionsanſtalt für
Nervenkranke, ein Hoſpital für die pſychiſche
Kurmethode, und laſſe nur ſolche Tollhäuſer
übrig, die ſich vermöge ihrer Verfaſſung dazu
qualificiren. Man verheimliche die Aufnahme der
Irrenden, nehme zuweilen auch andere Kranke
auf, die der pſychiſchen Heilmethode bedürfen,
und ſcheide augenblicklich die Reconvaleſcenten
von den Kranken, damit jene in dem Spiegel ihrer
Geſellſchaft ihre Krankheit nicht entdecken. Es
iſt ein peinigender Gedanke, einmal ein Narr ge-
weſen zu ſeyn. Selten ſchöpft der Kranke ihn
aus ſich ſelbſt, denn das Bewuſstſeyn ſeiner Per-
ſönlichkeit iſt durch ſeine Krankheit unterbro-
chen. Er ſchöpft ihn vielmehr aus dem Geſtänd-
niſs anderer, die ihn ins Tollhaus brachten.

Dann muſs die Irrenanſtalt als Heilanſtalt
nur ſo groſs ſeyn, daſs die Kräfte der äuſseren
und beſonders der inneren Adminiſtration ſie be-
ſtreiten können. Schwerlich dürfen mehr als
zwanzig Kranke zu gleicher Zeit aufgenommen
werden. Nun könnte es zwar ſcheinen, als
wenn die deswegen nöthige Vervielfältigung der
Inſtitute in einem narrenreichen Staat ſeine Kräfte
überſteigen möchte. Allein theils koſten kleine
Anſtalten weniger als groſse, theils wird die
Zahl der heilbaren Irrenden im Verhältniſs zu
den unheilbaren gering ſeyn, und ihr Aufenthalt
in der Anſtalt nur auf die Dauer ihrer Krankheit,

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[458/0463] Zuvörderſt gebe man der Anſtalt den mil- deſten Namen, nenne ſie eine Penſionsanſtalt für Nervenkranke, ein Hoſpital für die pſychiſche Kurmethode, und laſſe nur ſolche Tollhäuſer übrig, die ſich vermöge ihrer Verfaſſung dazu qualificiren. Man verheimliche die Aufnahme der Irrenden, nehme zuweilen auch andere Kranke auf, die der pſychiſchen Heilmethode bedürfen, und ſcheide augenblicklich die Reconvaleſcenten von den Kranken, damit jene in dem Spiegel ihrer Geſellſchaft ihre Krankheit nicht entdecken. Es iſt ein peinigender Gedanke, einmal ein Narr ge- weſen zu ſeyn. Selten ſchöpft der Kranke ihn aus ſich ſelbſt, denn das Bewuſstſeyn ſeiner Per- ſönlichkeit iſt durch ſeine Krankheit unterbro- chen. Er ſchöpft ihn vielmehr aus dem Geſtänd- niſs anderer, die ihn ins Tollhaus brachten. Dann muſs die Irrenanſtalt als Heilanſtalt nur ſo groſs ſeyn, daſs die Kräfte der äuſseren und beſonders der inneren Adminiſtration ſie be- ſtreiten können. Schwerlich dürfen mehr als zwanzig Kranke zu gleicher Zeit aufgenommen werden. Nun könnte es zwar ſcheinen, als wenn die deswegen nöthige Vervielfältigung der Inſtitute in einem narrenreichen Staat ſeine Kräfte überſteigen möchte. Allein theils koſten kleine Anſtalten weniger als groſse, theils wird die Zahl der heilbaren Irrenden im Verhältniſs zu den unheilbaren gering ſeyn, und ihr Aufenthalt in der Anſtalt nur auf die Dauer ihrer Krankheit,

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Zitationshilfe: Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 458. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/463>, abgerufen am 22.11.2024.