genwehr lasse man nicht gelten. Man halte ihnen keine Barbarey gegen diese Unglücklichen zu gute, sondern strafe und entlasse jeden, der sich derselben schuldig gemacht hat. Des Nachts müssen alle Behältnisse der Irrenden stündlich vi- sitirt werden.
Besuche neugieriger Fremden sind in jeder Heilanstalt unzulässig. Wozu ein Schauspiel, das die Phantasie der Kranken erregen, Raserey und Rückfälle veranlassen kann. Pinel*) führt Beispiele der Art an. Die Wärter pflegen gar die Kranken auf ihre fixen Ideen zu helfen, um die Zuschauer zu belustigen. Selbst Verwandte dürfen ohne Erlaubniss des Arztes keinen freien Zutritt haben. Oft ist vollkommne Sonderung von allen bekannten Gegenständen ein Hauptmo- ment in dem Kurplan. Nur dann kann man die Besuche der Verwandten gestatten, wenn sie zum psychischen Kurplan gehören, und dem Kranken Trost und Hoffnung gewähren. Wer an der Be- schau seiner eignen Narrheit nicht genug hat, mag sich an die Aufbewahrungsanstalten wenden, in welchen die erregten Exaltationen von wenigerem Nachtheil sind.
Welche Kranke sollen in die Heilanstalt auf- genommen werden? Heilbare Irrende, wie be- reits oben gesagt ist. Ausserdem könnte man vielleicht noch andere Nerven-Kranke, Hypo-
*) l. c. 236 S.
genwehr laſſe man nicht gelten. Man halte ihnen keine Barbarey gegen dieſe Unglücklichen zu gute, ſondern ſtrafe und entlaſſe jeden, der ſich derſelben ſchuldig gemacht hat. Des Nachts müſſen alle Behältniſſe der Irrenden ſtündlich vi- ſitirt werden.
Beſuche neugieriger Fremden ſind in jeder Heilanſtalt unzuläſſig. Wozu ein Schauſpiel, das die Phantaſie der Kranken erregen, Raſerey und Rückfälle veranlaſſen kann. Pinel*) führt Beiſpiele der Art an. Die Wärter pflegen gar die Kranken auf ihre fixen Ideen zu helfen, um die Zuſchauer zu beluſtigen. Selbſt Verwandte dürfen ohne Erlaubniſs des Arztes keinen freien Zutritt haben. Oft iſt vollkommne Sonderung von allen bekannten Gegenſtänden ein Hauptmo- ment in dem Kurplan. Nur dann kann man die Beſuche der Verwandten geſtatten, wenn ſie zum pſychiſchen Kurplan gehören, und dem Kranken Troſt und Hoffnung gewähren. Wer an der Be- ſchau ſeiner eignen Narrheit nicht genug hat, mag ſich an die Aufbewahrungsanſtalten wenden, in welchen die erregten Exaltationen von wenigerem Nachtheil ſind.
Welche Kranke ſollen in die Heilanſtalt auf- genommen werden? Heilbare Irrende, wie be- reits oben geſagt iſt. Auſserdem könnte man vielleicht noch andere Nerven-Kranke, Hypo-
*) l. c. 236 S.
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genwehr laſſe man nicht gelten. Man halte ihnen
keine Barbarey gegen dieſe Unglücklichen zu
gute, ſondern ſtrafe und entlaſſe jeden, der ſich
derſelben ſchuldig gemacht hat. Des Nachts
müſſen alle Behältniſſe der Irrenden ſtündlich vi-
ſitirt werden.
Beſuche neugieriger Fremden ſind in jeder
Heilanſtalt unzuläſſig. Wozu ein Schauſpiel, das
die Phantaſie der Kranken erregen, Raſerey und
Rückfälle veranlaſſen kann. Pinel *) führt
Beiſpiele der Art an. Die Wärter pflegen gar
die Kranken auf ihre fixen Ideen zu helfen, um
die Zuſchauer zu beluſtigen. Selbſt Verwandte
dürfen ohne Erlaubniſs des Arztes keinen freien
Zutritt haben. Oft iſt vollkommne Sonderung
von allen bekannten Gegenſtänden ein Hauptmo-
ment in dem Kurplan. Nur dann kann man die
Beſuche der Verwandten geſtatten, wenn ſie zum
pſychiſchen Kurplan gehören, und dem Kranken
Troſt und Hoffnung gewähren. Wer an der Be-
ſchau ſeiner eignen Narrheit nicht genug hat, mag
ſich an die Aufbewahrungsanſtalten wenden, in
welchen die erregten Exaltationen von wenigerem
Nachtheil ſind.
Welche Kranke ſollen in die Heilanſtalt auf-
genommen werden? Heilbare Irrende, wie be-
reits oben geſagt iſt. Auſserdem könnte man
vielleicht noch andere Nerven-Kranke, Hypo-
*) l. c. 236 S.
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Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 470. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/475>, abgerufen am 22.11.2024.
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