stens ausser dem Anfall dessen nicht bewusst, was in demselben mit ihnen vorging; erinnern sich aber der Begebenheiten der vorigen Anfälle in dem folgenden. Sie wissen es im Anfall nicht, dass sie auch noch zu einer andern Zeit, im In- tervall existiren. Die Veränderungen der An- fälle reihen sich an eine; und die Erscheinungen der Intervalle an eine andere Person auf. Jede Epoche in der Succession des nemlichen Indivi- duums wird in ein besonderes Bewusstseyn aufge- fasst. Der Zuschauer sieht nur eine, das Indi- viduum unterscheidet in sich zwey Personen. Be- sonders auffallend ist diese Duplicität der Persön- lichkeit in der magnetischen Somnambüle. In der Crise hat sie die klarste Vorstellung ihres körperlichen Zustandes, ein bestimmteres Gefühl ihrer Krankheit und ist dadurch im Stande, ein richtigeres Urtheil über den Eindruck der Aussen- dinge auf dieselbe zu fällen. Sie weiss ausser der Crise von allen dem nichts, was sie in derselben gethan und gesprochen hat. Allein in dem fol- genden Paroxismus tritt die Rückerinnerung al- ler vorigen Anfälle während des ganzen Laufs der Krankheit wieder ein. Somnambülen, die in einen Doppelschlaf fallen, haben gar in der zweiten Periode des Anfalls keine Rückerinne- rung dessen, was in der ersten geschah *). Die
*)Heineken Ideen und Beobachtungen, den thierischen Magnetismus und dessen Anwendung betreffend. Bremen 1800, S. 59.
ſtens auſser dem Anfall deſſen nicht bewuſst, was in demſelben mit ihnen vorging; erinnern ſich aber der Begebenheiten der vorigen Anfälle in dem folgenden. Sie wiſſen es im Anfall nicht, daſs ſie auch noch zu einer andern Zeit, im In- tervall exiſtiren. Die Veränderungen der An- fälle reihen ſich an eine; und die Erſcheinungen der Intervalle an eine andere Perſon auf. Jede Epoche in der Succeſſion des nemlichen Indivi- duums wird in ein beſonderes Bewuſstſeyn aufge- faſst. Der Zuſchauer ſieht nur eine, das Indi- viduum unterſcheidet in ſich zwey Perſonen. Be- ſonders auffallend iſt dieſe Duplicität der Perſön- lichkeit in der magnetiſchen Somnambüle. In der Criſe hat ſie die klarſte Vorſtellung ihres körperlichen Zuſtandes, ein beſtimmteres Gefühl ihrer Krankheit und iſt dadurch im Stande, ein richtigeres Urtheil über den Eindruck der Auſsen- dinge auf dieſelbe zu fällen. Sie weiſs auſser der Criſe von allen dem nichts, was ſie in derſelben gethan und geſprochen hat. Allein in dem fol- genden Paroxismus tritt die Rückerinnerung al- ler vorigen Anfälle während des ganzen Laufs der Krankheit wieder ein. Somnambülen, die in einen Doppelſchlaf fallen, haben gar in der zweiten Periode des Anfalls keine Rückerinne- rung deſſen, was in der erſten geſchah *). Die
*)Heineken Ideen und Beobachtungen, den thieriſchen Magnetismus und deſſen Anwendung betreffend. Bremen 1800, S. 59.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0087"n="82"/>ſtens auſser dem Anfall deſſen nicht bewuſst, was<lb/>
in demſelben mit ihnen vorging; erinnern ſich<lb/>
aber der Begebenheiten der vorigen Anfälle in<lb/>
dem folgenden. Sie wiſſen es im Anfall nicht,<lb/>
daſs ſie auch noch zu einer andern Zeit, im In-<lb/>
tervall exiſtiren. Die Veränderungen der An-<lb/>
fälle reihen ſich an eine; und die Erſcheinungen<lb/>
der Intervalle an eine andere Perſon auf. Jede<lb/>
Epoche in der Succeſſion des nemlichen Indivi-<lb/>
duums wird in ein beſonderes Bewuſstſeyn aufge-<lb/>
faſst. Der Zuſchauer ſieht nur eine, das Indi-<lb/>
viduum unterſcheidet in ſich zwey Perſonen. Be-<lb/>ſonders auffallend iſt dieſe Duplicität der Perſön-<lb/>
lichkeit in der magnetiſchen Somnambüle. In<lb/>
der Criſe hat ſie die klarſte Vorſtellung ihres<lb/>
körperlichen Zuſtandes, ein beſtimmteres Gefühl<lb/>
ihrer Krankheit und iſt dadurch im Stande, ein<lb/>
richtigeres Urtheil über den Eindruck der Auſsen-<lb/>
dinge auf dieſelbe zu fällen. Sie weiſs auſser der<lb/>
Criſe von allen dem nichts, was ſie in derſelben<lb/>
gethan und geſprochen hat. Allein in dem fol-<lb/>
genden Paroxismus tritt die Rückerinnerung al-<lb/>
ler vorigen Anfälle während des ganzen Laufs<lb/>
der Krankheit wieder ein. Somnambülen, die in<lb/>
einen Doppelſchlaf fallen, haben gar in der<lb/>
zweiten Periode des Anfalls keine Rückerinne-<lb/>
rung deſſen, was in der erſten geſchah <noteplace="foot"n="*)"><hirendition="#g">Heineken</hi> Ideen und Beobachtungen, den<lb/>
thieriſchen Magnetismus und deſſen Anwendung<lb/>
betreffend. Bremen 1800, S. 59.</note>. Die<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[82/0087]
ſtens auſser dem Anfall deſſen nicht bewuſst, was
in demſelben mit ihnen vorging; erinnern ſich
aber der Begebenheiten der vorigen Anfälle in
dem folgenden. Sie wiſſen es im Anfall nicht,
daſs ſie auch noch zu einer andern Zeit, im In-
tervall exiſtiren. Die Veränderungen der An-
fälle reihen ſich an eine; und die Erſcheinungen
der Intervalle an eine andere Perſon auf. Jede
Epoche in der Succeſſion des nemlichen Indivi-
duums wird in ein beſonderes Bewuſstſeyn aufge-
faſst. Der Zuſchauer ſieht nur eine, das Indi-
viduum unterſcheidet in ſich zwey Perſonen. Be-
ſonders auffallend iſt dieſe Duplicität der Perſön-
lichkeit in der magnetiſchen Somnambüle. In
der Criſe hat ſie die klarſte Vorſtellung ihres
körperlichen Zuſtandes, ein beſtimmteres Gefühl
ihrer Krankheit und iſt dadurch im Stande, ein
richtigeres Urtheil über den Eindruck der Auſsen-
dinge auf dieſelbe zu fällen. Sie weiſs auſser der
Criſe von allen dem nichts, was ſie in derſelben
gethan und geſprochen hat. Allein in dem fol-
genden Paroxismus tritt die Rückerinnerung al-
ler vorigen Anfälle während des ganzen Laufs
der Krankheit wieder ein. Somnambülen, die in
einen Doppelſchlaf fallen, haben gar in der
zweiten Periode des Anfalls keine Rückerinne-
rung deſſen, was in der erſten geſchah *). Die
*) Heineken Ideen und Beobachtungen, den
thieriſchen Magnetismus und deſſen Anwendung
betreffend. Bremen 1800, S. 59.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/87>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.