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Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803.

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Geschichte der Person überhaupt festhalten, aber
die Wahrheit in der Rückerinnerung einzelner
uns angehöriger Theile verlieren. Einer der
berühmtesten Uhrmacher in Paris, sagt Pinel *),
kam auf die Idee ein Perpetuum mobile zu er-
finden und wurde durch diese Anstrengung ver-
rückt. Die Hauptidee, um welche sich seine Ver-
kehrtheit drehte, bestand darin, dass er sich
einbildete, sein Kopf sey auf dem Blutgerüste ge-
fallen, und unter die Köpfe der übrigen Schlacht-
opfer gerathen. Nachher habe der Richter sein
Urtheil bereut, jedem seinen Kopf wieder gege-
ben, ihm sey aber aus Versehen der Kopf eines
seiner Unglücksgefährten auf den Rumpf gesetzt.
Dies beschäftigte ihn Tag und Nacht. Seht, sagte
er, meine Zähne! die meinigen waren sehr
schön, und diese sind faul; mein Mund war ge-
sund, und dieser ist unrein. Welcher Unter-
schied zwischen diesen Haaren und jenen, die ich
vor der Verwechselung meines Kopfs trug. Er
wurde endlich durch eine Beschäftigung mit Uhr-
machen und durch den Witz seines Gesellschaf-
ters geheilt, der das Gespräch auf das Wunder-
werck des heiligen Dionysius leitete, der sei-
nen Kopf in den Händen getragen und ihn doch
geküsst haben soll. Der Uhrmacher vertheidigte die
Möglichkeit. Sein Gesellschafter lachte laut auf
und antwortete ihm, in einem spottenden Ton,

*) l. c. 71.

Geſchichte der Perſon überhaupt feſthalten, aber
die Wahrheit in der Rückerinnerung einzelner
uns angehöriger Theile verlieren. Einer der
berühmteſten Uhrmacher in Paris, ſagt Pinel *),
kam auf die Idee ein Perpetuum mobile zu er-
finden und wurde durch dieſe Anſtrengung ver-
rückt. Die Hauptidee, um welche ſich ſeine Ver-
kehrtheit drehte, beſtand darin, daſs er ſich
einbildete, ſein Kopf ſey auf dem Blutgerüſte ge-
fallen, und unter die Köpfe der übrigen Schlacht-
opfer gerathen. Nachher habe der Richter ſein
Urtheil bereut, jedem ſeinen Kopf wieder gege-
ben, ihm ſey aber aus Verſehen der Kopf eines
ſeiner Unglücksgefährten auf den Rumpf geſetzt.
Dies beſchäftigte ihn Tag und Nacht. Seht, ſagte
er, meine Zähne! die meinigen waren ſehr
ſchön, und dieſe ſind faul; mein Mund war ge-
ſund, und dieſer iſt unrein. Welcher Unter-
ſchied zwiſchen dieſen Haaren und jenen, die ich
vor der Verwechſelung meines Kopfs trug. Er
wurde endlich durch eine Beſchäftigung mit Uhr-
machen und durch den Witz ſeines Geſellſchaf-
ters geheilt, der das Geſpräch auf das Wunder-
werck des heiligen Dionyſius leitete, der ſei-
nen Kopf in den Händen getragen und ihn doch
geküſst haben ſoll. Der Uhrmacher vertheidigte die
Möglichkeit. Sein Geſellſchafter lachte laut auf
und antwortete ihm, in einem ſpottenden Ton,

*) l. c. 71.
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[85/0090] Geſchichte der Perſon überhaupt feſthalten, aber die Wahrheit in der Rückerinnerung einzelner uns angehöriger Theile verlieren. Einer der berühmteſten Uhrmacher in Paris, ſagt Pinel *), kam auf die Idee ein Perpetuum mobile zu er- finden und wurde durch dieſe Anſtrengung ver- rückt. Die Hauptidee, um welche ſich ſeine Ver- kehrtheit drehte, beſtand darin, daſs er ſich einbildete, ſein Kopf ſey auf dem Blutgerüſte ge- fallen, und unter die Köpfe der übrigen Schlacht- opfer gerathen. Nachher habe der Richter ſein Urtheil bereut, jedem ſeinen Kopf wieder gege- ben, ihm ſey aber aus Verſehen der Kopf eines ſeiner Unglücksgefährten auf den Rumpf geſetzt. Dies beſchäftigte ihn Tag und Nacht. Seht, ſagte er, meine Zähne! die meinigen waren ſehr ſchön, und dieſe ſind faul; mein Mund war ge- ſund, und dieſer iſt unrein. Welcher Unter- ſchied zwiſchen dieſen Haaren und jenen, die ich vor der Verwechſelung meines Kopfs trug. Er wurde endlich durch eine Beſchäftigung mit Uhr- machen und durch den Witz ſeines Geſellſchaf- ters geheilt, der das Geſpräch auf das Wunder- werck des heiligen Dionyſius leitete, der ſei- nen Kopf in den Händen getragen und ihn doch geküſst haben ſoll. Der Uhrmacher vertheidigte die Möglichkeit. Sein Geſellſchafter lachte laut auf und antwortete ihm, in einem ſpottenden Ton, *) l. c. 71.

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Zitationshilfe: Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/90>, abgerufen am 24.11.2024.