Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Reimarus, Johann Albert Heinrich: Die Ursache des Einschlagens vom Blitze. Langensalza, 1769.

Bild:
<< vorherige Seite

nünftiges Nachdenken, und die Erforschung der
Ursachen bleiben indessen allemal in ihrem
Wehrte: auch Hypothesen, oder muthmaß-
lich angenommene Erklärungen, haben grossen
Nutzen. Sie können uns theils zu Beobach-
tungen leiten, theils zu Vergleichung der Wahr-
nehmungen, theils zu neuen Versuchen Anlaß
geben. Aber sie müssen nicht mehr gelten als
Muthmassungen, welche man untersuchen und
auf die Probe stellen sollte, so, wie sie verschie-
denen geschickten Männern auch bey den electri-
schen Versuchen gedienet haben. Alsdann
aber sind Hypothesen oder eingebildete Lehrge-
bäude schädlich gewesen, wenn sie, wie oft ge-
schehen, vielmehr gehindert haben, das zu se-

hen
des Blitzes, die Wolken würden vom Winde an
einandergeschlagen, daß es rasselte, und die
Funken davon sprüngen (Senec. Nat Qu. L. I. c. 1.
L. II c. 27. sqq.
). Nachdem das Schießpulver
entdecket war, zweifelte man nicht, daß Schwefel,
Salpeter und Kohlen in der Luft entzündet wur-
den, obgleich die Verschiedenheit der Würkung
einer solchen Entzündung und eines Blitzes leicht
hätten können eingesehen werden. -- Ich fürch-
te, daß wir itzt einen ähnlichen Fehler begehen,
wenn wir z E. das Erdbeben, oder andere Natur-
begebenheiten, welche doch ganz verschiedene Ei-
genschaften zeigen, bloß aus der Electricität er-
klären wollen. So sind auch das sogenannte
Sternschiessen und die Lufterscheinungen der
Feuerkugeln, wie auf der Erde die Irrlichter
und s w. von electrischen Funken wohl zu unter-
scheiden. Das Nordlicht aber kömmt mit dem
electrischen Glanze in verdünnter Luft überein.

nuͤnftiges Nachdenken, und die Erforſchung der
Urſachen bleiben indeſſen allemal in ihrem
Wehrte: auch Hypotheſen, oder muthmaß-
lich angenommene Erklaͤrungen, haben groſſen
Nutzen. Sie koͤnnen uns theils zu Beobach-
tungen leiten, theils zu Vergleichung der Wahr-
nehmungen, theils zu neuen Verſuchen Anlaß
geben. Aber ſie muͤſſen nicht mehr gelten als
Muthmaſſungen, welche man unterſuchen und
auf die Probe ſtellen ſollte, ſo, wie ſie verſchie-
denen geſchickten Maͤnnern auch bey den electri-
ſchen Verſuchen gedienet haben. Alsdann
aber ſind Hypotheſen oder eingebildete Lehrge-
baͤude ſchaͤdlich geweſen, wenn ſie, wie oft ge-
ſchehen, vielmehr gehindert haben, das zu ſe-

hen
des Blitzes, die Wolken wuͤrden vom Winde an
einandergeſchlagen, daß es raſſelte, und die
Funken davon ſpruͤngen (Senec. Nat Qu. L. I. c. 1.
L. II c. 27. ſqq.
). Nachdem das Schießpulver
entdecket war, zweifelte man nicht, daß Schwefel,
Salpeter und Kohlen in der Luft entzuͤndet wur-
den, obgleich die Verſchiedenheit der Wuͤrkung
einer ſolchen Entzuͤndung und eines Blitzes leicht
haͤtten koͤnnen eingeſehen werden. — Ich fuͤrch-
te, daß wir itzt einen aͤhnlichen Fehler begehen,
wenn wir z E. das Erdbeben, oder andere Natur-
begebenheiten, welche doch ganz verſchiedene Ei-
genſchaften zeigen, bloß aus der Electricitaͤt er-
klaͤren wollen. So ſind auch das ſogenannte
Sternſchieſſen und die Lufterſcheinungen der
Feuerkugeln, wie auf der Erde die Irrlichter
und ſ w. von electriſchen Funken wohl zu unter-
ſcheiden. Das Nordlicht aber koͤmmt mit dem
electriſchen Glanze in verduͤnnter Luft uͤberein.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0126" n="126"/>
nu&#x0364;nftiges Nachdenken, und die Erfor&#x017F;chung der<lb/>
Ur&#x017F;achen bleiben inde&#x017F;&#x017F;en allemal in ihrem<lb/>
Wehrte: auch Hypothe&#x017F;en, oder muthmaß-<lb/>
lich angenommene Erkla&#x0364;rungen, haben gro&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Nutzen. Sie ko&#x0364;nnen uns theils zu Beobach-<lb/>
tungen leiten, theils zu Vergleichung der Wahr-<lb/>
nehmungen, theils zu neuen Ver&#x017F;uchen Anlaß<lb/>
geben. Aber &#x017F;ie mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en nicht mehr gelten als<lb/>
Muthma&#x017F;&#x017F;ungen, welche man unter&#x017F;uchen und<lb/>
auf die Probe &#x017F;tellen &#x017F;ollte, &#x017F;o, wie &#x017F;ie ver&#x017F;chie-<lb/>
denen ge&#x017F;chickten Ma&#x0364;nnern auch bey den electri-<lb/>
&#x017F;chen Ver&#x017F;uchen gedienet haben. Alsdann<lb/>
aber &#x017F;ind Hypothe&#x017F;en oder eingebildete Lehrge-<lb/>
ba&#x0364;ude &#x017F;cha&#x0364;dlich gewe&#x017F;en, wenn &#x017F;ie, wie oft ge-<lb/>
&#x017F;chehen, vielmehr gehindert haben, das zu &#x017F;e-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">hen</fw><lb/><note xml:id="seg2pn_42_2" prev="#seg2pn_42_1" place="foot" n="*)">des Blitzes, die Wolken wu&#x0364;rden vom Winde an<lb/>
einanderge&#x017F;chlagen, daß es ra&#x017F;&#x017F;elte, und die<lb/>
Funken davon &#x017F;pru&#x0364;ngen (<hi rendition="#aq">Senec. Nat Qu. L. I. c. 1.<lb/>
L. II c. 27. &#x017F;qq.</hi>). Nachdem das Schießpulver<lb/>
entdecket war, zweifelte man nicht, daß Schwefel,<lb/>
Salpeter und Kohlen in der Luft entzu&#x0364;ndet wur-<lb/>
den, obgleich die Ver&#x017F;chiedenheit der Wu&#x0364;rkung<lb/>
einer &#x017F;olchen Entzu&#x0364;ndung und eines Blitzes leicht<lb/>
ha&#x0364;tten ko&#x0364;nnen einge&#x017F;ehen werden. &#x2014; Ich fu&#x0364;rch-<lb/>
te, daß wir itzt einen a&#x0364;hnlichen Fehler begehen,<lb/>
wenn wir z E. das Erdbeben, oder andere Natur-<lb/>
begebenheiten, welche doch ganz ver&#x017F;chiedene Ei-<lb/>
gen&#x017F;chaften zeigen, bloß aus der Electricita&#x0364;t er-<lb/>
kla&#x0364;ren wollen. So &#x017F;ind auch das &#x017F;ogenannte<lb/>
Stern&#x017F;chie&#x017F;&#x017F;en und die Lufter&#x017F;cheinungen der<lb/>
Feuerkugeln, wie auf der Erde die Irrlichter<lb/>
und &#x017F; w. von electri&#x017F;chen Funken wohl zu unter-<lb/>
&#x017F;cheiden. Das Nordlicht aber ko&#x0364;mmt mit dem<lb/>
electri&#x017F;chen Glanze in verdu&#x0364;nnter Luft u&#x0364;berein.</note><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[126/0126] nuͤnftiges Nachdenken, und die Erforſchung der Urſachen bleiben indeſſen allemal in ihrem Wehrte: auch Hypotheſen, oder muthmaß- lich angenommene Erklaͤrungen, haben groſſen Nutzen. Sie koͤnnen uns theils zu Beobach- tungen leiten, theils zu Vergleichung der Wahr- nehmungen, theils zu neuen Verſuchen Anlaß geben. Aber ſie muͤſſen nicht mehr gelten als Muthmaſſungen, welche man unterſuchen und auf die Probe ſtellen ſollte, ſo, wie ſie verſchie- denen geſchickten Maͤnnern auch bey den electri- ſchen Verſuchen gedienet haben. Alsdann aber ſind Hypotheſen oder eingebildete Lehrge- baͤude ſchaͤdlich geweſen, wenn ſie, wie oft ge- ſchehen, vielmehr gehindert haben, das zu ſe- hen *) *) des Blitzes, die Wolken wuͤrden vom Winde an einandergeſchlagen, daß es raſſelte, und die Funken davon ſpruͤngen (Senec. Nat Qu. L. I. c. 1. L. II c. 27. ſqq.). Nachdem das Schießpulver entdecket war, zweifelte man nicht, daß Schwefel, Salpeter und Kohlen in der Luft entzuͤndet wur- den, obgleich die Verſchiedenheit der Wuͤrkung einer ſolchen Entzuͤndung und eines Blitzes leicht haͤtten koͤnnen eingeſehen werden. — Ich fuͤrch- te, daß wir itzt einen aͤhnlichen Fehler begehen, wenn wir z E. das Erdbeben, oder andere Natur- begebenheiten, welche doch ganz verſchiedene Ei- genſchaften zeigen, bloß aus der Electricitaͤt er- klaͤren wollen. So ſind auch das ſogenannte Sternſchieſſen und die Lufterſcheinungen der Feuerkugeln, wie auf der Erde die Irrlichter und ſ w. von electriſchen Funken wohl zu unter- ſcheiden. Das Nordlicht aber koͤmmt mit dem electriſchen Glanze in verduͤnnter Luft uͤberein.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die vorliegende Ausgabe ist die zweiten Auflage, … [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/reimarus_blitze_1769
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/reimarus_blitze_1769/126
Zitationshilfe: Reimarus, Johann Albert Heinrich: Die Ursache des Einschlagens vom Blitze. Langensalza, 1769, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reimarus_blitze_1769/126>, abgerufen am 24.11.2024.