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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886.

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3. Handelsgewächse.
sonst stets nachgefüllt wird. Lässt der Reisende in Japan sich in
einer Wirthschaft nieder, so wird ihm ohne Verzug ein Becken mit
einigen glühenden Kohlen zum Anzünden seines Pfeifchens und Thee
zur Erfrischung vorgesetzt. Er belohnt diese Aufmerksamkeit durch
das Cha-dai (d. h. Theetisch) oder Trinkgeld, welches er auf den
Präsentierteller legt. Tritt ein Kunde in ein grösseres Geschäft, so
gehört es zum guten Ton des Hauses, dass ihm alsbald vor Beginn
der Verhandlung ein Schälchen grünen Thees vorgesetzt wird.

Im armen Gebirgslande ist freilich die Qualität des unter dem
Namen Cha (Tscha) vorgesetzten Getränkes nicht immer so einladend;
ein Aufguss oder Dekokt aus den billigsten Abfällen der Theedistrikte,
an Aussehen mehr Spülwasser gleich und ebenso wenig durch den Ge-
schmack einladend, tritt oft an die Stelle.

Ziegelthee (chin. Tung-kau, russ. Kirpitschnoi-tschai).

Schwarzer und grüner Thee liefern, wie hervorgehoben wurde,
für einen grossen Theil der Menschheit den wichtigsten und gesun-
desten Stimulanten. Ausser dieser Hauptverwendung der Blätter des
Theestrauchs ist hier jedoch noch einer andern, für einen weiteren
Theil der menschlichen Gesellschaft nicht minder bedeutsamen zu ge-
denken, derjenigen nämlich als wirkliches Nahrungsmittel, wie wir
den sogenannten Ziegel- oder Backsteinthee ansehen müssen. Die
Verfertigung desselben in Sz'chuan, Hupeh und benachbarten chine-
sischen Provinzen erfolgt, nachdem die Ernte und sich anschliessende
Arbeiten zur Darstellung des gewöhnlichen Thees vorüber sind. Die
Abfälle, welche es hierbei gibt, sowie die älteren Blätter werden zu
dem Zweck längere Zeit heissem Wasserdampf ausgesetzt und dadurch
erweicht, darauf in Tafeln von der Gestalt dünner Backsteine, näm-
lich 8--12 Zoll (20 bis 30 cm) lang und breit und 1 Zoll (2 1/2 cm) dick
gepresst, und zwar solange, bis sie trocken und hart sind. Mongolen
und Tibetaner sind die Hauptconsumenten, denen sich verschiedene
russische Volksstämme anschliessen. Beim Gebrauch wird ein Stück
abgeschlagen, mit Milch oder Wasser gekocht, durch Zusätze von Butter,
etwas Essig, Pfeffer und Salz gewürzt und als Suppe gegessen. Das
Gericht soll nach dem Aussehen nicht gerade einladend, aber erfri-
schend und nahrhaft sein, wie man sich denken kann, da ja neben
den sonstigen Extractivstoffen des Thees auch das coagulierende Ei-
weiss und die Zellsubstanz zur Verwerthung kommen.

Die Zeit, wann der Theebau in China seinen Anfang nahm, lässt
sich nicht genau bestimmen. Nach W. Williams gehen die ältesten
chinesischen Nachrichten über den Thee nur bis zum Jahre 350 n. Chr.

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sonst stets nachgefüllt wird. Lässt der Reisende in Japan sich in
einer Wirthschaft nieder, so wird ihm ohne Verzug ein Becken mit
einigen glühenden Kohlen zum Anzünden seines Pfeifchens und Thee
zur Erfrischung vorgesetzt. Er belohnt diese Aufmerksamkeit durch
das Cha-dai (d. h. Theetisch) oder Trinkgeld, welches er auf den
Präsentierteller legt. Tritt ein Kunde in ein grösseres Geschäft, so
gehört es zum guten Ton des Hauses, dass ihm alsbald vor Beginn
der Verhandlung ein Schälchen grünen Thees vorgesetzt wird.

Im armen Gebirgslande ist freilich die Qualität des unter dem
Namen Cha (Tscha) vorgesetzten Getränkes nicht immer so einladend;
ein Aufguss oder Dekokt aus den billigsten Abfällen der Theedistrikte,
an Aussehen mehr Spülwasser gleich und ebenso wenig durch den Ge-
schmack einladend, tritt oft an die Stelle.

Ziegelthee (chin. Tung-kau, russ. Kirpitschnoi-tschai).

Schwarzer und grüner Thee liefern, wie hervorgehoben wurde,
für einen grossen Theil der Menschheit den wichtigsten und gesun-
desten Stimulanten. Ausser dieser Hauptverwendung der Blätter des
Theestrauchs ist hier jedoch noch einer andern, für einen weiteren
Theil der menschlichen Gesellschaft nicht minder bedeutsamen zu ge-
denken, derjenigen nämlich als wirkliches Nahrungsmittel, wie wir
den sogenannten Ziegel- oder Backsteinthee ansehen müssen. Die
Verfertigung desselben in Sz’chuan, Hupeh und benachbarten chine-
sischen Provinzen erfolgt, nachdem die Ernte und sich anschliessende
Arbeiten zur Darstellung des gewöhnlichen Thees vorüber sind. Die
Abfälle, welche es hierbei gibt, sowie die älteren Blätter werden zu
dem Zweck längere Zeit heissem Wasserdampf ausgesetzt und dadurch
erweicht, darauf in Tafeln von der Gestalt dünner Backsteine, näm-
lich 8—12 Zoll (20 bis 30 cm) lang und breit und 1 Zoll (2 ½ cm) dick
gepresst, und zwar solange, bis sie trocken und hart sind. Mongolen
und Tibetaner sind die Hauptconsumenten, denen sich verschiedene
russische Volksstämme anschliessen. Beim Gebrauch wird ein Stück
abgeschlagen, mit Milch oder Wasser gekocht, durch Zusätze von Butter,
etwas Essig, Pfeffer und Salz gewürzt und als Suppe gegessen. Das
Gericht soll nach dem Aussehen nicht gerade einladend, aber erfri-
schend und nahrhaft sein, wie man sich denken kann, da ja neben
den sonstigen Extractivstoffen des Thees auch das coagulierende Ei-
weiss und die Zellsubstanz zur Verwerthung kommen.

Die Zeit, wann der Theebau in China seinen Anfang nahm, lässt
sich nicht genau bestimmen. Nach W. Williams gehen die ältesten
chinesischen Nachrichten über den Thee nur bis zum Jahre 350 n. Chr.

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[147/0169] 3. Handelsgewächse. sonst stets nachgefüllt wird. Lässt der Reisende in Japan sich in einer Wirthschaft nieder, so wird ihm ohne Verzug ein Becken mit einigen glühenden Kohlen zum Anzünden seines Pfeifchens und Thee zur Erfrischung vorgesetzt. Er belohnt diese Aufmerksamkeit durch das Cha-dai (d. h. Theetisch) oder Trinkgeld, welches er auf den Präsentierteller legt. Tritt ein Kunde in ein grösseres Geschäft, so gehört es zum guten Ton des Hauses, dass ihm alsbald vor Beginn der Verhandlung ein Schälchen grünen Thees vorgesetzt wird. Im armen Gebirgslande ist freilich die Qualität des unter dem Namen Cha (Tscha) vorgesetzten Getränkes nicht immer so einladend; ein Aufguss oder Dekokt aus den billigsten Abfällen der Theedistrikte, an Aussehen mehr Spülwasser gleich und ebenso wenig durch den Ge- schmack einladend, tritt oft an die Stelle. Ziegelthee (chin. Tung-kau, russ. Kirpitschnoi-tschai). Schwarzer und grüner Thee liefern, wie hervorgehoben wurde, für einen grossen Theil der Menschheit den wichtigsten und gesun- desten Stimulanten. Ausser dieser Hauptverwendung der Blätter des Theestrauchs ist hier jedoch noch einer andern, für einen weiteren Theil der menschlichen Gesellschaft nicht minder bedeutsamen zu ge- denken, derjenigen nämlich als wirkliches Nahrungsmittel, wie wir den sogenannten Ziegel- oder Backsteinthee ansehen müssen. Die Verfertigung desselben in Sz’chuan, Hupeh und benachbarten chine- sischen Provinzen erfolgt, nachdem die Ernte und sich anschliessende Arbeiten zur Darstellung des gewöhnlichen Thees vorüber sind. Die Abfälle, welche es hierbei gibt, sowie die älteren Blätter werden zu dem Zweck längere Zeit heissem Wasserdampf ausgesetzt und dadurch erweicht, darauf in Tafeln von der Gestalt dünner Backsteine, näm- lich 8—12 Zoll (20 bis 30 cm) lang und breit und 1 Zoll (2 ½ cm) dick gepresst, und zwar solange, bis sie trocken und hart sind. Mongolen und Tibetaner sind die Hauptconsumenten, denen sich verschiedene russische Volksstämme anschliessen. Beim Gebrauch wird ein Stück abgeschlagen, mit Milch oder Wasser gekocht, durch Zusätze von Butter, etwas Essig, Pfeffer und Salz gewürzt und als Suppe gegessen. Das Gericht soll nach dem Aussehen nicht gerade einladend, aber erfri- schend und nahrhaft sein, wie man sich denken kann, da ja neben den sonstigen Extractivstoffen des Thees auch das coagulierende Ei- weiss und die Zellsubstanz zur Verwerthung kommen. Die Zeit, wann der Theebau in China seinen Anfang nahm, lässt sich nicht genau bestimmen. Nach W. Williams gehen die ältesten chinesischen Nachrichten über den Thee nur bis zum Jahre 350 n. Chr. 10*

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/169>, abgerufen am 21.11.2024.