die Ansicht aussprach, Boden und Klima Japans seien für die Schaf- zucht ungeeignet, weil sie ein zu langes, saftiges Futter erzeugten. Darum seien auch bisher alle Versuche, dieselbe einzubürgern, ge- scheitert. Ob ersteres wohl begründet ist, möchte ich bezweifeln. Berücksichtigt man aber, dass die Sehafzucht am besten in Ländern mit trocknem Klima gedeiht, so dürfte das Haupthinderniss derselben in Japan eher in der feuchten Atmosphäre und den vielen Sommer- regen zu suchen sein.
Schweine (Buta), die der Chinese so hoch schätzt und zuerst nach Japan brachte, wurden hier vor der Eröffnung des Landes und der grösseren Nachfrage der Fremden nach ihrem Fleisch, wenig gezogen und sind auch jetzt noch auf die Umgebung der grösseren Städte be- schränkt. Die Jagd allein, und zwar vornehmlich auf die häufigen Wildschweine oder I (Sus leucomystax Tem.), Hirsche oder Shika (Cervus Sika Tem.), Bären oder Kuma (Ursus japonicus Schl.), Affen oder Saru (Inuus speciosus) und mehrere andere Thiere, sowie der Fang wilder Vögel, wie Enten und Fasanen, doch auch der Häher und Raben, lieferte dem Landbewohner hin und wieder einen Braten, während seine thierische Nahrung sonst auf die Erzeugnisse des Fisch- fangs*) und wenige Eier sich beschränkte.
Unter dem Geflügel ist das Huhn (Tori, d. h. Vogel, On-dori, der Hahn, Men-dori, die Henne) das einzige Thier, dessen Züchtung sich die Japaner allenthalben mit Vorliebe hingeben und von dem sie ver- schiedene Rassen pflegen. Dagegen wird die zahme Ente (Ahiru) nicht häufiger als bei uns in Deutschland, die Gans aber gar nicht getroffen.
Hunde, Katzen, Kaninchen, weisse und bunte Mäuse (und auch Ratten), welche man den japanischen Hausthieren zuzählen muss, werden fast nur zum Vergnügen gehalten. Die Zucht der Honigbiene (Mitzu-bachi) wird in sehr beschränktem Umfang und mit wenig Sorg- falt betrieben. Die Stelle des Wachses vertritt, wie früher hervor- gehoben wurde, der Pflanzentalg von den Früchten zweier Sumacharten.
Zuletzt wende ich mich zu demjenigen Hausthier der Japaner, das zwar unbeholfener und unscheinbarer als alle andern, aber zu- gleich wichtiger und werthvoller als diese insgesammt ist, der Seiden- raupe. Hat sie doch nebst dem Ackerbau die grösste Bedeutung für das Wohlergehen vieler Millionen des Landes! Dieser hohen Wich- tigkeit entsprechend, verdient sie und ihr Produkt eine eingehendere Betrachtung, welche ihnen in den folgenden Spalten zu theil werden soll.
*) Näheres hierüber, sowie über die japanische Fauna überhaupt findet sich im I. Bande dieses Werkes pg. 199--240.
I. Land- und Forstwirthschaft.
die Ansicht aussprach, Boden und Klima Japans seien für die Schaf- zucht ungeeignet, weil sie ein zu langes, saftiges Futter erzeugten. Darum seien auch bisher alle Versuche, dieselbe einzubürgern, ge- scheitert. Ob ersteres wohl begründet ist, möchte ich bezweifeln. Berücksichtigt man aber, dass die Sehafzucht am besten in Ländern mit trocknem Klima gedeiht, so dürfte das Haupthinderniss derselben in Japan eher in der feuchten Atmosphäre und den vielen Sommer- regen zu suchen sein.
Schweine (Buta), die der Chinese so hoch schätzt und zuerst nach Japan brachte, wurden hier vor der Eröffnung des Landes und der grösseren Nachfrage der Fremden nach ihrem Fleisch, wenig gezogen und sind auch jetzt noch auf die Umgebung der grösseren Städte be- schränkt. Die Jagd allein, und zwar vornehmlich auf die häufigen Wildschweine oder I (Sus leucomystax Tem.), Hirsche oder Shika (Cervus Sika Tem.), Bären oder Kuma (Ursus japonicus Schl.), Affen oder Saru (Inuus speciosus) und mehrere andere Thiere, sowie der Fang wilder Vögel, wie Enten und Fasanen, doch auch der Häher und Raben, lieferte dem Landbewohner hin und wieder einen Braten, während seine thierische Nahrung sonst auf die Erzeugnisse des Fisch- fangs*) und wenige Eier sich beschränkte.
Unter dem Geflügel ist das Huhn (Tori, d. h. Vogel, On-dori, der Hahn, Men-dori, die Henne) das einzige Thier, dessen Züchtung sich die Japaner allenthalben mit Vorliebe hingeben und von dem sie ver- schiedene Rassen pflegen. Dagegen wird die zahme Ente (Ahiru) nicht häufiger als bei uns in Deutschland, die Gans aber gar nicht getroffen.
Hunde, Katzen, Kaninchen, weisse und bunte Mäuse (und auch Ratten), welche man den japanischen Hausthieren zuzählen muss, werden fast nur zum Vergnügen gehalten. Die Zucht der Honigbiene (Mitzu-bachi) wird in sehr beschränktem Umfang und mit wenig Sorg- falt betrieben. Die Stelle des Wachses vertritt, wie früher hervor- gehoben wurde, der Pflanzentalg von den Früchten zweier Sumacharten.
Zuletzt wende ich mich zu demjenigen Hausthier der Japaner, das zwar unbeholfener und unscheinbarer als alle andern, aber zu- gleich wichtiger und werthvoller als diese insgesammt ist, der Seiden- raupe. Hat sie doch nebst dem Ackerbau die grösste Bedeutung für das Wohlergehen vieler Millionen des Landes! Dieser hohen Wich- tigkeit entsprechend, verdient sie und ihr Produkt eine eingehendere Betrachtung, welche ihnen in den folgenden Spalten zu theil werden soll.
*) Näheres hierüber, sowie über die japanische Fauna überhaupt findet sich im I. Bande dieses Werkes pg. 199—240.
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I. Land- und Forstwirthschaft.
die Ansicht aussprach, Boden und Klima Japans seien für die Schaf-
zucht ungeeignet, weil sie ein zu langes, saftiges Futter erzeugten.
Darum seien auch bisher alle Versuche, dieselbe einzubürgern, ge-
scheitert. Ob ersteres wohl begründet ist, möchte ich bezweifeln.
Berücksichtigt man aber, dass die Sehafzucht am besten in Ländern
mit trocknem Klima gedeiht, so dürfte das Haupthinderniss derselben
in Japan eher in der feuchten Atmosphäre und den vielen Sommer-
regen zu suchen sein.
Schweine (Buta), die der Chinese so hoch schätzt und zuerst nach
Japan brachte, wurden hier vor der Eröffnung des Landes und der
grösseren Nachfrage der Fremden nach ihrem Fleisch, wenig gezogen
und sind auch jetzt noch auf die Umgebung der grösseren Städte be-
schränkt. Die Jagd allein, und zwar vornehmlich auf die häufigen
Wildschweine oder I (Sus leucomystax Tem.), Hirsche oder Shika
(Cervus Sika Tem.), Bären oder Kuma (Ursus japonicus Schl.), Affen
oder Saru (Inuus speciosus) und mehrere andere Thiere, sowie der
Fang wilder Vögel, wie Enten und Fasanen, doch auch der Häher
und Raben, lieferte dem Landbewohner hin und wieder einen Braten,
während seine thierische Nahrung sonst auf die Erzeugnisse des Fisch-
fangs *) und wenige Eier sich beschränkte.
Unter dem Geflügel ist das Huhn (Tori, d. h. Vogel, On-dori, der
Hahn, Men-dori, die Henne) das einzige Thier, dessen Züchtung sich
die Japaner allenthalben mit Vorliebe hingeben und von dem sie ver-
schiedene Rassen pflegen. Dagegen wird die zahme Ente (Ahiru) nicht
häufiger als bei uns in Deutschland, die Gans aber gar nicht getroffen.
Hunde, Katzen, Kaninchen, weisse und bunte Mäuse (und auch
Ratten), welche man den japanischen Hausthieren zuzählen muss,
werden fast nur zum Vergnügen gehalten. Die Zucht der Honigbiene
(Mitzu-bachi) wird in sehr beschränktem Umfang und mit wenig Sorg-
falt betrieben. Die Stelle des Wachses vertritt, wie früher hervor-
gehoben wurde, der Pflanzentalg von den Früchten zweier Sumacharten.
Zuletzt wende ich mich zu demjenigen Hausthier der Japaner,
das zwar unbeholfener und unscheinbarer als alle andern, aber zu-
gleich wichtiger und werthvoller als diese insgesammt ist, der Seiden-
raupe. Hat sie doch nebst dem Ackerbau die grösste Bedeutung für
das Wohlergehen vieler Millionen des Landes! Dieser hohen Wich-
tigkeit entsprechend, verdient sie und ihr Produkt eine eingehendere
Betrachtung, welche ihnen in den folgenden Spalten zu theil werden soll.
*) Näheres hierüber, sowie über die japanische Fauna überhaupt findet sich
im I. Bande dieses Werkes pg. 199—240.
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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/240>, abgerufen am 24.11.2024.
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