wo sie mit mehr Regelmässigkeit und Sorgfalt durchgeführt ist. Wie wir hier sehen, lässt sie noch andere Feldculturen zu, die wir auch in Japan finden, wenn die Bäume, wie gewöhnlich, in grösseren Abstän- den oder auf den Feldrändern gepflanzt werden.
3. Die freie, baumförmige (Taka-gi, d. h. hoher Baum). Wie schon erwähnt, findet man diese am häufigsten bei M. alba L. indica und in den Gebirgsthälern oder vielmehr an deren Abhängen. Es liegt zum Theil an ihrem Standorte, und an der Armut ihrer Besitzer, dass diese Bäume etwas verwahrlost erscheinen. Sie werden selten mehr als 30--40 Jahre alt und noch seltener zeigen sie eine schön- geformte Krone. Dünger, dessen sie mehr als die besser situierten Bäume und Sträucher in der Ebene bedürften, wird ihnen viel seltener zu theil. --
Alle Seide, jap. Kinu, entstammt den Cocons oder Puppenhüllen einer Gruppe von Nachtschmetterlingen, die man mit dem Namen Bombyciden oder Spinner bezeichnet. Bombyx mori L., der Maul- beerspinner, ist die bekannteste und weitaus wichtigste Art derselben. Auf sie beziehen sich zunächst alle vorliegenden Betrachtungen, so wie in der Regel alle auf Seide und Seidenzucht bezüglichen Notizen. Die Jahrtausende hindurch fortdauernde Zucht derselben hat wie bei unsern übrigen Hausthieren und vielen Culturpflanzen allmählich die Ausbildung einer grossen Anzahl von Rassen bewirkt, die sich in allen Entwickelungsstadien, als Eier, Raupen, Cocons (Puppen) und im Schmetterlingszustand von einander unterscheiden, besonders aber in der Lebensdauer, Grösse und Zeichnung der Raupen, sowie in Grösse, Form und Farbe der Cocons, während sie fast allesammt im Raupen- zustande durch ein träges, geselliges Leben, vier Häutungen und die Ernährung durch frische Blätter von Morus alba L. sich auszeichnen. Man theilt sie zunächst ein in:
a. Einjährige Rassen, Einspinner, ital. Annuali, jap. Haru-ko, d. h. Frühlingskinder. Sie liefern nur eine Zucht im Frühling und Vorsommer, und weitaus die meiste und beste Seide.
b. Wiederholt fliegende Rassen, Zwei- und Dreispinner, ital. Bi- voltini und Trivoltini, jap. Natsu-go, d. h. Sommerkinder mit mehr- maligem Generationswechsel in einem Sommer, die nur wenig ge- schätzt und nur selten gezogen werden.
Von beiderlei vorerwähnten Hauptrassen gibt es wieder eine Menge Unterabtheilungen, die zunächst nach der Farbe ihrer Cocons wieder als Weissspinner (jap. Shiro-ko, Weisskinder), Grünspinner (von gelb- grüner Farbe, jap. Kin-ko, d. h. Goldkinder) und Gelbspinner unter- schieden werden. Weiss- und Grünspinner sind die beiden beliebten
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4. Viehzucht und Seidenzucht.
wo sie mit mehr Regelmässigkeit und Sorgfalt durchgeführt ist. Wie wir hier sehen, lässt sie noch andere Feldculturen zu, die wir auch in Japan finden, wenn die Bäume, wie gewöhnlich, in grösseren Abstän- den oder auf den Feldrändern gepflanzt werden.
3. Die freie, baumförmige (Taka-gi, d. h. hoher Baum). Wie schon erwähnt, findet man diese am häufigsten bei M. alba L. indica und in den Gebirgsthälern oder vielmehr an deren Abhängen. Es liegt zum Theil an ihrem Standorte, und an der Armut ihrer Besitzer, dass diese Bäume etwas verwahrlost erscheinen. Sie werden selten mehr als 30—40 Jahre alt und noch seltener zeigen sie eine schön- geformte Krone. Dünger, dessen sie mehr als die besser situierten Bäume und Sträucher in der Ebene bedürften, wird ihnen viel seltener zu theil. —
Alle Seide, jap. Kinu, entstammt den Cocons oder Puppenhüllen einer Gruppe von Nachtschmetterlingen, die man mit dem Namen Bombyciden oder Spinner bezeichnet. Bombyx mori L., der Maul- beerspinner, ist die bekannteste und weitaus wichtigste Art derselben. Auf sie beziehen sich zunächst alle vorliegenden Betrachtungen, so wie in der Regel alle auf Seide und Seidenzucht bezüglichen Notizen. Die Jahrtausende hindurch fortdauernde Zucht derselben hat wie bei unsern übrigen Hausthieren und vielen Culturpflanzen allmählich die Ausbildung einer grossen Anzahl von Rassen bewirkt, die sich in allen Entwickelungsstadien, als Eier, Raupen, Cocons (Puppen) und im Schmetterlingszustand von einander unterscheiden, besonders aber in der Lebensdauer, Grösse und Zeichnung der Raupen, sowie in Grösse, Form und Farbe der Cocons, während sie fast allesammt im Raupen- zustande durch ein träges, geselliges Leben, vier Häutungen und die Ernährung durch frische Blätter von Morus alba L. sich auszeichnen. Man theilt sie zunächst ein in:
a. Einjährige Rassen, Einspinner, ital. Annuali, jap. Haru-ko, d. h. Frühlingskinder. Sie liefern nur eine Zucht im Frühling und Vorsommer, und weitaus die meiste und beste Seide.
b. Wiederholt fliegende Rassen, Zwei- und Dreispinner, ital. Bi- voltini und Trivoltini, jap. Natsu-go, d. h. Sommerkinder mit mehr- maligem Generationswechsel in einem Sommer, die nur wenig ge- schätzt und nur selten gezogen werden.
Von beiderlei vorerwähnten Hauptrassen gibt es wieder eine Menge Unterabtheilungen, die zunächst nach der Farbe ihrer Cocons wieder als Weissspinner (jap. Shiro-ko, Weisskinder), Grünspinner (von gelb- grüner Farbe, jap. Kin-ko, d. h. Goldkinder) und Gelbspinner unter- schieden werden. Weiss- und Grünspinner sind die beiden beliebten
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4. Viehzucht und Seidenzucht.
wo sie mit mehr Regelmässigkeit und Sorgfalt durchgeführt ist. Wie
wir hier sehen, lässt sie noch andere Feldculturen zu, die wir auch in
Japan finden, wenn die Bäume, wie gewöhnlich, in grösseren Abstän-
den oder auf den Feldrändern gepflanzt werden.
3. Die freie, baumförmige (Taka-gi, d. h. hoher Baum). Wie
schon erwähnt, findet man diese am häufigsten bei M. alba L. indica
und in den Gebirgsthälern oder vielmehr an deren Abhängen. Es liegt
zum Theil an ihrem Standorte, und an der Armut ihrer Besitzer,
dass diese Bäume etwas verwahrlost erscheinen. Sie werden selten
mehr als 30—40 Jahre alt und noch seltener zeigen sie eine schön-
geformte Krone. Dünger, dessen sie mehr als die besser situierten
Bäume und Sträucher in der Ebene bedürften, wird ihnen viel seltener
zu theil. —
Alle Seide, jap. Kinu, entstammt den Cocons oder Puppenhüllen
einer Gruppe von Nachtschmetterlingen, die man mit dem Namen
Bombyciden oder Spinner bezeichnet. Bombyx mori L., der Maul-
beerspinner, ist die bekannteste und weitaus wichtigste Art derselben.
Auf sie beziehen sich zunächst alle vorliegenden Betrachtungen, so
wie in der Regel alle auf Seide und Seidenzucht bezüglichen Notizen.
Die Jahrtausende hindurch fortdauernde Zucht derselben hat wie bei
unsern übrigen Hausthieren und vielen Culturpflanzen allmählich die
Ausbildung einer grossen Anzahl von Rassen bewirkt, die sich in allen
Entwickelungsstadien, als Eier, Raupen, Cocons (Puppen) und im
Schmetterlingszustand von einander unterscheiden, besonders aber in
der Lebensdauer, Grösse und Zeichnung der Raupen, sowie in Grösse,
Form und Farbe der Cocons, während sie fast allesammt im Raupen-
zustande durch ein träges, geselliges Leben, vier Häutungen und die
Ernährung durch frische Blätter von Morus alba L. sich auszeichnen.
Man theilt sie zunächst ein in:
a. Einjährige Rassen, Einspinner, ital. Annuali, jap. Haru-ko,
d. h. Frühlingskinder. Sie liefern nur eine Zucht im Frühling und
Vorsommer, und weitaus die meiste und beste Seide.
b. Wiederholt fliegende Rassen, Zwei- und Dreispinner, ital. Bi-
voltini und Trivoltini, jap. Natsu-go, d. h. Sommerkinder mit mehr-
maligem Generationswechsel in einem Sommer, die nur wenig ge-
schätzt und nur selten gezogen werden.
Von beiderlei vorerwähnten Hauptrassen gibt es wieder eine Menge
Unterabtheilungen, die zunächst nach der Farbe ihrer Cocons wieder
als Weissspinner (jap. Shiro-ko, Weisskinder), Grünspinner (von gelb-
grüner Farbe, jap. Kin-ko, d. h. Goldkinder) und Gelbspinner unter-
schieden werden. Weiss- und Grünspinner sind die beiden beliebten
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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/249>, abgerufen am 21.11.2024.
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